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Ausgabe:

Januar/2017

Spalte:

77–79

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Grounds, Duard Andrew

Titel/Untertitel:

Miracles of Punishment and the Religion of Gregory of Tours and Bede.

Verlag:

Münster u. a.: LIT Verlag 2015. IX, 250 S. = Theologie, 110. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-643-90614-4.

Rezensent:

Katharina Greschat

Hinter diesem geheimnisvollen Titel verbirgt sich eine bei Hubertus Lutterbach an der Universität Duisburg-Essen im Jahre 2013 angefertigte Promotionsschrift, deren Autor, Duard Andrew Grounds, davon ausgeht, dass das Christentum am Übergang zwischen Spätantike und Frühmittelalter auf den modernen Menschen einigermaßen unverständlich und fremd wirkt. »The pur-pose of this dissertation is to use Gregory’s Strafwunder as a means to better understand the religion of his day.« (1) Allerdings bleibt etwas unklar, warum dafür gerade die Strafwunder ausgewählt worden sind, die ebendiese Fremdheitserfahrung in besonderer Weise verursachen. Zwar erläutert G., dass man sich in der Forschung angewöhnt hat, Strafwunder nicht länger als Restbestände heidnischer Religiosität, sondern als Strategien christlicher Eliten, insbesondere von Bischöfen, zur Stärkung ihrer gesellschaftlichen Position zu verstehen. Doch möchte G. Gregor nicht als Politiker, sondern als Geistlichen sehen, der eine Botschaft vermitteln wollte, weswegen er die von Gregor erzählten Strafwunder mit John Kitchen aus Toronto als wichtiges Mittel begreifen möchte, das die Gläubigen zur Konfrontation mit ihren Sünden nötigt und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit der Buße eröffnet. Insofern ist G. da?von überzeugt, »his miracles of punishment also reveal a great deal about his theology: in particular, his beliefs about the nature of sin, punishment and redemption« (31).
Das zweite Kapitel (27–124) ist das längste der knappen Untersuchung und listet die unterschiedlichen Arten von Strafwundern bei Gregor von Tours auf: In unterschiedlichen Erzählkontexten geht es um Diebstahl, Meineid, Unbesonnenheit, um Übertretung der Feiertagsruhe, falsche Reliquientranslationen, um Häretiker, Ju?den und Heiden, um falsches oder nachlässiges Verhalten von Klerikern auf der einen und um den respektlosen Umgang mit Klerikern auf der anderen Seite. Von besonderer Bedeutung sind natürlich Gregors zehn Bücher fränkischer Geschichten, denen die von der Forschung schon seit längerer Zeit herausgearbeitete Konzeption zugrunde liegt, dass die Geschichte Gottes mit den Menschen von menschlicher Sünde und göttlicher Strafe oder Vergeltung geprägt sei, die für den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft verantwortlich ist. Nur hier kommt Gregor auf biblische Strafwunder zu sprechen, »demonstrating that divine justice was a basic principle of history« (117), die gleichsam den Boden für seine Darstellung der Geschichte des Merowingerreiches bereiten.
Im dritten Kapitel (125–182), dem Herzstück der Untersuchung, trägt G. nun eine theologische Deutung der Strafwunder vor, die ganz in der Tradition der Schule des Münsteraners Arnold Ange-nendt steht. Wie dieser geht auch G. davon aus, dass Christus für den frühmittelalterlichen Menschen in die Ferne gerückt sei, während er die Heiligen als nah erlebt, weil sie in der Nachfolge der Märtyrer Leid erdulden, indem sie sich selbst zu Verfolgern werden. Ihnen kommt als strengen Richtern eine zentrale Rolle bei der Sühnung postbaptismaler Sünden zu: »These Strafwunder can be seen as opportunities created by saints for normal men and women to perform a particularly physical and often painful type of penance« (140). Insofern ist es gut verständlich, dass die Strafwunder an den Bedingungen der merowingischen Gesellschaft und nicht an den biblischen Geboten ausgerichtet waren.
Anders bei Beda Venerabilis, dem das letzte Kapitel gewidmet ist (183–225)! G. hat ihn vor allem deshalb seiner Untersuchung zu Gregor an die Seite gestellt, weil: »he does, in fact, provide a wonderful contrast to Gregory« (185). Im Unterschied zu Gregor finden sich bei Beda aber nur wenige Strafwunder, so dass man sich fragt, was es eigentlich zu vergleichen gibt. Doch der Exeget Beda behandelt biblische Strafwunder, die in seinen Augen Warnungen oder Lektionen für die eigene Zeit sind: »Throughout history God has blessed those who served him and punished those who rejected him.« (225)
Eine kleine Zusammenfassung (227–231) rekapituliert den unterschiedlichen Stellenwert der Strafwunder bei den beiden Protago-nisten, bleibt jedoch, was die Signatur des Christentums an der Schwelle zum Frühmittelalter anbelangt, denkbar unbestimmt: Lediglich die Furcht vor dem göttlichen Gericht wird hier genannt. So interessant die Strafwunder bei Gregor von Tours und Beda auf den ersten Blick auch sein mögen, so zeigt sich doch, dass der Zu?schnitt der Arbeit offenbar nicht konsequent durchdacht ist. Der Vergleich mit Beda ist wenig ergiebig, und letztlich geht es bei beiden Autoren darum, auf welche Weise Gott in Geschichte und Ge?genwart präsent ist. Dass an dieser Stelle Wunder eine sehr wichtige Rolle spielen, hätte sehr viel stärker ins Bewusstsein gehoben und diskutiert werden müssen, statt sich einseitig auf die Strafwunder zu konzentrieren. Zu diesem zwiespältigen Eindruck trägt auch bei, dass die Literatur nur sehr selektiv herangezogen wurde, sehr viele Tippfehler stehen geblieben und keine Indizes vorhanden sind.