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Ausgabe:

November/2016

Spalte:

1285–1287

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Grim, John, and Mary Evelyn Tucker

Titel/Untertitel:

Ecology and Religion.

Verlag:

Washington u. a.: Island Press 2014. 265 S. m. Abb. = Foundations of Contemporary Environmental Studies. Kart. US$ 30,00. ISBN 9781597267083.

Rezensent:

Ursula King

Im Zentrum dieses Buches steht die Frage, wie sich Ökologie und Religion zueinander verhalten und in welcher Weise sich dieses schnell wachsende Forschungsgebiet in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. John A. Grim und Mary E. Tucker sind für ihre Pionierarbeit auf diesem Gebiet international bekannt und haben viel zu seiner Entwicklung beigetragen. Beide sind Schüler des bekannten und einflussreichen amerikanischen Gelehrten Thomas Berry (1914–2009), der lange an der Fordham Universität in New York gearbeitet hat, zuerst als Religions- und Kulturhistoriker, dann als Historiker der Erde und ihrer evolutionären Entwicklung, so dass er sich oft als »geologian« anstatt »theologian« bezeichnete. Die Autoren dieses Buches sind bekannte amerikanische Religionswissenschaftler mit einer großen Kenntnis Asiens. Tucker begann ihre Forschung mit einem Doktorat über den japanischen Neu-Konfuzianismus, während Grim sich vor allem auf die indigenen religiösen Traditionen Asiens und Nordamerikas spezialisiert hat. Bevor ich den Inhalt ihres Buches eingehender bespreche, möchte ich etwas über seinen Hintergrund sagen, so dass die Leser etwas über das weitere Umfeld dieser Studie erfahren.
Inzwischen gibt es im englischen Sprachraum mehrere große Handbücher und Enzyklopädien, die sich ausführlich mit Ökologie und Religion befassen. Zum Beispiel hat die 2. Auflage der bekannten Encyclopedia of Religion (Thomson & Gale, 2005) diesem neuen Thema viele zusätzliche Seiten gewidmet (siehe Bd. 4: 2604–68). Grims und Tuckers Buch bietet eine sehr kompetente Übersicht über die vielen internationalen Entwicklungen, Forschungsprojekte und Publikationen, die es inzwischen auf dem Gebiet der Ökologie und Religion gibt. Die 265 Seiten dieses so kompakt ge­schriebenen Buches können fast als eine Mini-Enzyklopädie be­trachtet werden. Seine zehn Kapitel enthalten eine reiche Übersicht über den jetzigen Diskussionsstand, die noch durch viele Fakten, statistische Daten, ausführliche Endnoten sowie ein Glossar und eine lange Bibliographie erheblich erweitert wird.
Das neue Forschungsgebiet der Ökologie und Religion hat sich vor allem seit den 1990er Jahren entwickelt, doch geht es auf weit frühere Pioniere zurück. Grim und Tucker haben schon zwischen 1996–1998 eine zehnteilige Konferenz-Serie über »Weltreligionen und Ökologie« am »Harvard Center for the Study of Religions« organisiert. Diese brachte über drei Jahre hinweg etwa 800 Gelehrte und Umweltspezialisten zusammen, um religiöse und ethische Perspektiven der Weltreligionen zu erörtern und in die Umweltdiskussionen hineinzubringen. Sie untersuchten ausführlich das Verständnis der Natur in den heiligen Schriften, Riten und Ethiken der verschiedenen Religionen und veröffentlichten mehrere Studien über die abrahamischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam), asiatischen Religionen (Hinduismus, Jainismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Daoismus und Shinto) sowie indigene religiöse Traditionen. Das Harvard Forschungsprojekt identifizierte sieben den Weltreligionen gemeinsame Werte in Bezug auf die menschlichen Haltungen zur Natur: Ehrfurcht, Respekt, Reziprozität, Zurückhaltung, Umverteilung, Verantwortung und Restauration.
Im Oktober 1998 wurde die außerordentliche Leistung dieser Konferenzserie noch durch zwei weitere Konferenzen an der UN und dem amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York ergänzt. Auf der UN-Konferenz wurde ein neues »Forum on Religion and Ecology« angekündigt, um die Forschung und Erziehungsaufgaben auf diesem Gebiet weiterzuentwickeln. Inzwischen hat sich dieses Forum, das sich jetzt an der Yale Universität befindet, zu einem globalen Netzwerk von 12.000 Personen und Organisationen entwickelt, die eng miteinander in Verbindung stehen und Informationen über Ökologie und Religion austauschen. (Für weitere Auskunft über die ökologischen Ansätze verschiedener Weltreligionen, Umweltdeklarationen verschiedener religiöser Gemeinschaften, kommentierte Bibliographien und religiös motivierte Umweltbewegungen siehe http://fore.research.yale.edu/ information/Yale _ MA_ Program.html).
Grim und Tucker, die jetzt beide an der Universität Yale dozieren, schreiben in der Einleitung zu ihrem Buch mit großem Engagement von ihren Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Ökologie und Religion. In den folgenden zehn Kapiteln werden die Aufgaben und Probleme dieses neuen Gebietes im Einzelnen näher diskutiert. Der behandelte Stoff zerfällt in zwei Teile, obwohl dies im Inhaltsverzeichnis nicht deutlich wird. In den ersten fünf Kapiteln werden übergreifende Themen diskutiert wie das westliche Verständnis der Natur, Konservation und ethische Fragen. Die folgenden fünf Kapitel behandeln vier spezifische Religionen aus ökologischer Perspektive, ohne dass den Lesern verdeutlicht wird, warum diese und nicht andere Traditionen hier zur Sprache kommen. Näher behandelt werden Christentum, Konfuzianismus, indigene Traditionen und Hinduismus.
Diese Kapitel sind sehr anregend und detailliert, doch bedauere ich sehr, dass dieses Buch unter anderem kein Material über den Buddhismus, das Judentum, den Islam oder den Sikhismus miteinschließt, so dass die Behandlung der Weltreligionen aus ökologischer Perspektive hier sehr selektiv bleibt. Das letzte Kapitel be­handelt den interreligiösen Dialog und das Weltethos, gefolgt von einem Epilog über ökologische Kulturen.
Trotz gewisser Auslassungen kann ich dieses Buch für seine wertvollen Hinweise und Einsichten sehr empfehlen, besonders auch für seine zur Diskussion vorgeschlagenen Fragen, die jedes Kapitel ergänzen und daher für Seminare über »Ökologie und Religion« besonders hilfreich sind. Manche bibliographischen und sachlichen Hinweise werden auch für Akademiker, die sich über dieses neue Forschungsgebiet erst einmal orientieren wollen, von Interesse sein. Weitere Hilfen und wichtige Denkanstöße finden sich in den sieben Anhängen zu diesem Buch, welche unter anderem die Erd-Charta 2000 und Online Resources for Religious Ecology miteinschließen.