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Ausgabe:

November/2016

Spalte:

1275–1276

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Behrendt, Sabine

Titel/Untertitel:

Evangelische Unternehmensethik. Theologische, kirchliche und ökonomische Impulse für eine explorative Ethik geschöpflichen Lebens.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2014. 208 S. = Ethik – Grundlagen und Handlungsfelder, 11. Kart. EUR 29,99. ISBN 978-3-17-026295-9.

Rezensent:

Gotlind Ulshöfer

Eine Unternehmensethik wird in der evangelischen Theologie selten verfasst. Daher ist die hier zu besprechende Dissertation von Sabine Behrendt für die evangelische Theologie von Interesse. Ausgehend von dem Ansatz einer »explorativen Ethik geschöpflichen Lebens« des Erlanger Theologen Hans G. Ulrich nennt B. als Ziel ihrer Arbeit: »die Reflexion der menschlichen Existenzform des geschöpflichen Lebens im Bereich von Unternehmen anhand verschiedener Quellen. Es soll der Versuch unternommen werden, verschiedene Impulse herauszuarbeiten, die deutlich machen, wie wir im Medium Unternehmen und im Gegenüber dazu in der Exis­tenzform der Geschöpfe bleiben« (15). Bemerkenswert ist bei dieser Arbeit neben der Idee, Impulse für eine evangelische Unternehmensethik zu präsentieren, die Aufnahme von theologischen und ökonomischen Theorieansätzen sowie die Auswertung von empirischem Material dreier Unternehmen, mit dem verdeutlicht werden soll, wie Unternehmensethik umgesetzt werden kann.
Interessant und fruchtbar ist bei dem gewählten Ansatz einer explorativen Ethik, dass der Lebenswirklichkeit ein hoher Stellenwert eingeräumt wird, ohne dass diese jedoch verabsolutiert wird. B. geht es nicht um eine ethische »Legitimierung oder Verwirklichung ökonomischer Realitäten eines Unternehmens«, sondern sie will ausgehend von dem zentralen Verständnis der Geschöpflichkeit des Menschen fragen, »wie menschliches Leben im Kontext unternehmerischen Handelns als geschöpfliches erscheint« (13) bzw. erscheinen kann. Unternehmensethik umfasst für sie daher die Frage, wie der Mensch im und mit dem Unternehmen Mensch sein kann. Unternehmen versteht sie als »Orte der Mitteilung, Erkundung und Erprobung menschlicher Existenz« (145). Und so fügt sich ihre Untersuchung von ethischen Aktivitäten dreier Un­ternehmen in ihren Ansatz konsequent ein.
Im zweiten Kapitel, das unter der Überschrift »Unternehmensethik in Theologie und Kirche« steht, stellt B. »Biblische Aspekte« und dabei die Topoi »Schöpfung«, »Arbeit und Sabbat«, »Arm und Reich«, »Eigentum« und »Freiheit von Sorge und Übermacht des Ökonomischen« an den Anfang ihrer Überlegungen und leitet daraus auch Impulse für den weiteren Verlauf der Arbeit ab. Darüber hinaus rekurriert sie seitens der Theologie auf Schriften Martin Luthers und Arthur Richs und referiert die Wirtschaftsdenkschriften der EKD. Im darauffolgenden Kapitel »Unternehmensethik in der Ökonomik« werden für den deutschsprachigen Diskurs grundlegende wirtschaftsethische Arbeiten von Karl Homann, Peter Ulrich und Josef Wieland präsentiert und ausgewertet. In diesen Kapiteln wäre es bereichernd gewesen, aktuelle und internationale Ansätze der unternehmensethischen Diskussionen aufzugreifen, um die gesellschaftliche Rolle von Unternehmen noch weitreichender aufzeigen zu können.
B. setzt mit ihrem Bemühen, drei Firmen und deren unternehmensethische Aktivitäten darzustellen, gerade auch für Fragen angewandter Ethik einen innovativen Impuls. Spannend sind die Vorstellungen von drei Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, ihr Umgang mit ethischen Fragen sowie deren Umsetzung im Unternehmen. Jedoch wäre hier eine intensivere Auseinandersetzung auf methodologischer und inhaltlicher Ebene wünschenswert. Beispielsweise ist es angesichts eines Unternehmens, das als Mischkonzern der Elektro- und Metallindustrie unter anderem auch Kriegsgeräte und Waffen herstellt, relevant, die sich daraus ergebenden Kernprobleme für eine Unternehmensethik in einer tiefergreifenden Analyse der Vermittlung von Werten im Unternehmen, Geschäftsmodellen und Verantwortlichkeiten gerade im Hinblick auf eine explorative Ethik geschöpflichen Lebens genauer als hier vorgenommen zu untersuchen.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass mit dem Werk von B. ein Buch vorliegt, das den Ansatz einer »explorativen Ethik geschöpf-lichen Lebens« auf unternehmensethische Fragestellungen und unternehmerische Zusammenhänge bezieht und damit einen in­novativen Blick auf dieses Themenfeld richtet. »In der Existenzform der Geschöpfe bleiben und als solche leben können« (14) und dabei in Unternehmen als Gegenüber tätig zu sein, dazu liefert die Arbeit Impulse, indem sie kirchliche, theologische, wirtschaftswissenschaftliche und unternehmerische Aspekte aufgreift und zueinander in Beziehung setzt.