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Ausgabe:

Dezember/2016

Spalte:

1449–1450

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Tyson, John R.

Titel/Untertitel:

Assist Me To Proclaim. The Life and Hymns of Charles Wesley.

Verlag:

Göttingen: Edition Ruprecht 2008. 328 S. Kart. EUR 32,90. ISBN 978-3-7675-3052-2.

Rezensent:

Christopher Voigt-Goy

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Best, Gary: Charles Wesley (1707–1788). Eine Biografie. Übers. v. M. Mühlenberg. Göttingen: Edition Ruprecht 2008. 400 S. Geb. EUR 54,00. ISBN 978-3-7675-3053-9.


Die anzuzeigenden Bücher sind aus Anlass des 300. Geburtstages von Charles Wesley (1707–1788) entstanden. Beide sind bemüht, die Rolle des jüngeren Bruders von John Wesley (1703–1791) als Mitbegründer der methodistischen Bewegung und Kirche neu zu beleuchten. Dafür widmen sie sich beide dem Lebensweg von Charles Wesley, wählen aber unterschiedliche Zugänge: Tyson konzentriert sich auf den Erbauungsschriftsteller Charles Wesley. Um dessen – meist nicht weiter interpretierte – Gedichte und Lieder herum gruppiert Tyson biographische Studien, womit qua steigender literarischer Produktivität im Alter zwangsläufig die Lebensphase seit Wesleys Konversionserlebnis 1738 in den Fokus rückt. In insgesamt 20 Kapiteln schildert Tyson lose chronologisch geordnet Lebensthemen von Charles Wesley, u. a. seine Tätigkeit als populärer Erweckungsprediger auf den Straßen und Feldern Englands, seine Abneigung gegenüber dem »Gift von Calvin«, die Ehe mit Sarah (»Sally«) Gwynn (1726–1822) und seine lebenslange Anhänglichkeit an die hochkirchliche Variante der Church of England mit ihrem Gottesdienstbuch und Ordinationsverständnis. Ein übersichtliches Bild des Lebensweges von Charles Wesley ergibt sich daraus nicht; die Frömmigkeitsstimmung dieses Lebens – die Suche nach innerlicher »full perfection« – tritt hervor.
Best hingegen erzählt in zwölf Kapiteln streng chronologisch eine Biographie. Die Zeit vor der Bekehrung wird ausführlicher als bei Tyson behandelt: die Familie und Kindheit, die frühe Ausformung »methodistischer« Anliegen im Oxforder »Holy Club« und das krachende Scheitern der ersten Versuche, diese Anliegen im nordamerikanischen Georgia 1735/36 in die Tat umzusetzen. Best ist darauf aus, den persönlichen Einsatz und die individuellen Bemühungen zu schildern, die Charles Wesley in den werdenden Methodismus einbrachte. Lieder und Gedichte – die hier teils in deutscher Erstübersetzung vorliegen – dienen Best zur atmosphärischen Illustration. Insgesamt wird der Lebensweg als eine Konfliktgeschichte entrollt, in der Charles zwischen den widerstrebenden Dynamiken in der jungen methodistischen Bewegung, nämlich in der etablierten englischen Kirche wirken zu wollen und zugleich aus ihr herauszustreben, zu stehen kommt. Vor allem in späterer Zeit musste Charles immer wieder die Scherben aufsammeln sowie die Brüche kitten, die sein Bruder John in diesem Zusammenhang produzierte – was auch zu erheblichen Spannungen zwischen den Brüdern und ihren Familien führte. Charles Wesley wird dabei als ausgleichender, die Verbindung zur englischen Kirche besonders betonender Charakter vor Augen gestellt, der sich bis in seine letzten Lebensjahre hinein gegen die immer deutlicher werdende Entwicklung der Bewegung zu einer eigenständigen Kirche stemmte.
Beide Studien zeichnet eine Parteilichkeit aus, die über die Sympathie mit dem Gegenstand der eigenen Arbeit weit hinausgeht. Dadurch gelingt es zwar beiden Autoren, Charles Wesley als einen eigenständigen Akteur zu profilieren und aus dem langen Schatten der Bewunderung für seinen älteren Bruder herauszuholen. Doch dabei bleibt das vielleicht sogar genuin eigene religiöse Profil von Charles Wesley eigentümlich blass, weil weitgehend unerläutert. Dazu hätte es neben positioneller Distanz auch einer stärkeren Berücksichtigung der konfessions- und theologiehistorischen Kontexte des frühen Methodismus bedurft. In den besseren Passagen von Bests Biographie, darunter die Schilderung der durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aufgeworfenen Probleme, werden sie immerhin angedeutet. Den Leser an die Hand nehmende Einführungen, etwa in die institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen der methodistischen Bewegung in England (oder in Nordamerika), fehlen allerdings. Insofern muten beide Studien einem hinsichtlich methodistischer Frömmigkeit unmusikalischen, aber an Kirchen- und Theologiegeschichte interessierten Leser einiges zu. Als Ausgangspunkte für eine kritisch-differenzierende Geschichte des transatlantisch verflochtenen frühen Methodismus können sie durch das dargebotene, reichlich zitierte Quellenmaterial wohl hilfreich sein. An die Studie zur Geschichte der angloamerikanischen Erweckungsbewegung und der darin vorgenommenen Kontextualisierung von Charles Wesley, die Bruce Hindmarsh ebenfalls 2007 vorgelegt hat (vgl. ThLZ 134 [2009], 1142–1144), reichen sie nicht heran.