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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1088–1090

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Conticello, Carmelo Giuseppe [Ed.]

Titel/Untertitel:

La théologie byzantine et sa tradition. Tome I/1: VIe–VIIe siècles.

Verlag:

Turnhout: Brepols Publishers 2015. IV, 805 S. m. 14 Abb. = Corpus Christianorum. Claves Subsidia, TB I/1. Geb. EUR 150,00. ISBN 978-2-503-51715-5.

Rezensent:

Horst Schneider

Dieses Handbuch ist der erste Teil zu dem bereits 2002 erschienenen zweiten Teil zur byzantinischen Theologie (La théologie byzantine et sa tradition, Tome II [XIII–XIXe s.], hrsg. von C. G. Conticello und V. Conticello). Vorangestellt sind dem Werk zwei Geleitworte (von A. le Boulluec und J. Koder, 3–9) sowie eine Danksagung des Herausgebers C. G. Conticello, außerdem ein Verzeichnis der allgemeinen, biblischen und bibliographischen Abkürzungen (11–44). An den Beginn eines jeden Kapitels sind überdies Porträts (schwarzweiß) der jeweiligen Theologen gestellt. Behandelt werden verschiedene für die byzantinische Theologie wichtige Theologen des 6. und 7. Jh.s, die von international bekannten Spezialisten vorgestellt werden, wobei die Beiträge überwiegend französisch, aber auch auf Deutsch und Englisch abgefasst sind: Justinian ( A. le Boulluec, 47–109), Romanos Melodos (J. Koder, 115–194), Johannes Climacus (M. J. Pierre, C. G. Conticello, J. Chryssaugis, 197–325), Isaac Syrus (S. P. Brock, 327–372), Maximus Confessor (P. van Deun, P. Mueller-Jourdan, 375–514), Anastasios Sinaites (K.-H. Uthemann, 517–770). Ein Appendix zu Ps.-Macarius von Ägypten/Simeon von Mesopotamien (V. Desprez, 773–800) und das Inhaltsverzeichnis (801–805) beschließen den Band.
Die einzelnen Beiträge sind nach einem einheitlichen Schema aufgebaut: I. Biographie, II. Werke (nach dem Vorbild der Clavis patrum Graecorum), III. Grundlegende theologische Positionen, IV. Ergebnisse V. Bibliographie. Am Ende jeden Beitrags folgt außerdem ein signifikanter Quellentext des jeweiligen Autors in Übersetzung: Justinian – Confessio rectae fidei; Romanos Melodos – ausgewählte Textabschnitte aus verschiedenen Hymnen (H. 10, 11, 14, 20, 43, 49); Johannes Climacus – Brief an den Hirten; Isaac Syrus – drei Homilien (syr. 7.43.64/graec. 22.59.72); Maximus Confessor – Expositio orationis dominicae; Anastasios Sinaites – Viae dux 12,1,1–30; 3,177; Ps.-Macarius von Ägypten/Simeon von Mesopotamien – Collectio Mosaica. Tituli 1–24. In den jeweiligen Einzelbibliographien werden darüber hinaus wichtige Informationen zu Handschriften, Editionen, Übersetzungen, Werken und theologischer Literatur in knapper Form beigegeben, ganz im Sinne einer wohldurchdachten »bibliographie raisonnée«.
Exemplarisch sei hier der Beitrag von J. Koder vorgestellt zu Ro­manos Melodos (115–194). Alle hier erwähnten Theologen zu be­handeln, würde den Rahmen einer Rezension weit überschreiten. K. stellt zunächst dar, was wir aus den spärlichen Quellen über Romanos’ Leben eruieren können (115–120).
Romanos stammt wahrscheinlich aus Syrien und lebte etwa von 485 bis 562, geboren in Emesa (heute Homs). Er wuchs wahrscheinlich zweisprachig auf (griechisch-syrisch) und entstammte vielleicht einer jüdischen Familie, die später zum Christentum übertrat, doch könnte er auch aus einer bereits christlichen Familie abstammen. Als junger Mann kam er nach Berytus (heute Beirut) und wurde dort zum Diakon geweiht. Während der Regierungszeit von Anastasios I. gelangte er nach Konstantinopel und verbrachte dort sein weiteres Leben in der Stiftung eines sonst nicht bekannten Patriziers namens Kyros »bei der Kirche der überaus heiligen Gottesgebärerin«. Ob er tat sächlich Mönch wurde und/oder verheiratet war, lässt sich den Quellen nicht eindeutig entnehmen. Zum Kaiserhaus, insbesondere Justinian, verhielt er sich loyal, wie verschiedene seiner Hymnen erkennen lassen (z. B. H. 54, 63, 64). Ausgehend von der Legende des Marienwunders, durch das ihm die Gabe der Dichtung, Komposition und Rezitation der Hymnen verliehen wurde, stellt K. im weiteren Verlauf den Platz der Hymnen im Gottesdienst, die poetische Form des Kontakions (Entstehung, Metrik) sowie die Sprache der Hymnen dar (120–128; später auch noch die weitere Geschichte, 148–150). Sodann werden die Handschriften (128 f.) und die Edi tionsgeschichte der Hymnen (129 f.) besprochen; es folgen die wichtigsten Übersetzungen der Hymnen (130–132; französisch, italienisch, deutsch, neugriechisch, russisch, finnisch, schwedisch, ru­mänisch); weiterhin ein nützliches Verzeichnis der Romanos zu­geschriebenen Hymnen nach der Anordnung der maßgeblichen Ausgabe bei Grosdidier de Matons, das mit anderen modernen Ausgaben parallelisiert ist (132 f.); sodann eine Aufstellung der einzelnen Hymnen nach folgendem Schema: Überschrift des griechischen Titels – deutscher Titel – Refrain in deutscher Übersetzung – Angabe der Handschriften und Editionen (133–148).
Außerdem hat K. wichtige Hinweise zum Akathistos-Hymnos hinzugefügt, der in enger Verwandtschaft zum Kontakion steht (148.149 f.). Nach einigen allgemeinen Hinweisen zu grundlegenden Positionen der Theologie des Romanos (150–152) werden die von ihm benutzten Quellen minutiös aufgelistet (152–154; Altes Testament und Neues Testament, Apokryphen, patristische Texte, pagane Texte fehlen ganz). Die Darstellung der Theologie des Meloden (154–174) wird nach folgenden Aspekten gegliedert: Trinitätslehre und Pneumatologie, Chris­tologie und Soteriologie, Häresien und jüdische Religion, Eschatologie, Mario logie und Frauenbild, Sakramente (Taufe, Eucharistie, Ehe, Priestertum). An­schließend werden die Ergebnisse seiner Erörterungen zusammengefasst (174 f.). Eine Bibliographie, die sich an folgenden Gesichtspunkten orientiert: Liturgie und Hymnographie, Forschungsstand/Biblio­graphische Hilfsmittel/Kongresse, Lexika und Überblicksdarstellungen, Monographien, Aufsätze (176–185) sowie eine deutsche Übersetzung ausgewählter Abschnitte aus verschiedenen Hymnen (187–194) beschließen dieses Kapitel über den Meloden.
Besonders angenehm ist, dass K. stets darum bemüht ist, sehr sorgfältig darzustellen, welche Informationen als gesichert gelten können bzw. wo wir nur Vermutungen anstellen können, weil das Quellenmaterial nicht mehr hergibt. Nicht immer mag man K.s Thesen zustimmen: So scheint dem Rezensenten etwa K.s Behauptung, die gelegentliche Kritik des Romanos an der klassischen Bildung sei nicht als prinzipielle Bildungsfeindlichkeit, sondern als locus communis der Heidenpolemik zu interpretieren (127), zu we­nig differenziert zu sein, da Romanos selbst in seinen Hymnen – wie K.s Quellenverzeichnis deutlich macht – offenbar keine paganen Autoren zitiert, nur in einer, wenn auch gehobenen Koine schreibt und in einem monastischen Umfeld lebte, das die pagane Bildung in der Regel ablehnte und nur unter bestimmten Voraussetzungen zuließ (im Sinne des nützlichen Gebrauchs, wie ihn Basilius in seiner Schrift an die Jugend lehrte). An wissenschaftlicher Gründlichkeit ist diese Darstellung des Meloden und seines Werks gleichwohl kaum zu übertreffen und bietet ein sicheres Fundament für weitere Forschungen.
Möchte man Kritik grundsätzlicher Art äußern, so wird man – bei aller Bewunderung der Gelehrsamkeit des Handbuchs – feststellen müssen, dass eine Begründung für die Auswahl gerade dieser Theologen fehlt; lediglich im Vorwort von A. le Boulluec heißt es dazu: »La partie presente réunit des figures majeures des s. VIe et VIIe s.« (3); andere Theologen des 6. und 7. Jh.s wie etwa Kosmas Indikopleustes, Johannes Philoponos, Severus von Antiochien oder Jakobus von Edessa (»der syrische Hieronymus«) fehlen. Schade ist auch, dass den Übersetzungstexten keine Originaltexte gegenübergestellt wurden; der Band wäre nur unwesentlich umfangreicher ge­worden; die Satzkosten wären dadurch nicht wesentlich gestiegen.
Kaum ist ein Buch erschienen, so wird es durch neue Forschungen wieder ergänzt: So ist zurzeit in der Reihe »Fontes Christiani« eine neue Ausgabe der Capita theologica et oeconomica des Maximus Confessor in Vorbereitung (herausgegeben von A. Wollbold mit einem neuen kritischen Text von K. Hajdú), deren Publikation noch für 2016 vorgesehen ist.
Insgesamt liegt mit diesem Handbuch ein wichtiges Arbeitsinstrument vor, das man sich auch für hier nicht berücksichtigte Autoren desselben Zeitraums wünscht. Jedenfalls darf man auf den dritten Band, der noch folgen und das 8. bis 12. Jh. umfassen soll, gespannt sein, auch wenn es wohl noch einige Jahre bis zu dessen Erscheinen dauern wird. Nach (vorläufiger) Auskunft des Verlags soll der Inhalt folgende Autoren umfassen: Johannes von Damaskus; Theodoros Studites; Photios von Konstantinopel; Symeon der Neue Theologe; Euthymius Zigabenus, Nicetas von Heraklea; Theophylactus von Bulgarien. Als Appendix: Die LXX in Byzanz; ein Repertorium der byzantinischen Exegeten; Pseudo-Dionysius Areopagita. Dem Herausgeber, den Autoren und dem Verlag darf un­eingeschränkt zu diesem Band gratuliert werden.