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Ausgabe:

Oktober/1999

Spalte:

1007 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

McKane, William

Titel/Untertitel:

The Book of Micah. Introduction and Commentary.

Verlag:

Edinburgh: Clark 1998. XIV, 241 S. gr.8. ISBN 0-567-08615-1.

Rezensent:

Helmut Utzschneider

Die wesentlichen Gehalte, aber auch die Methode des vorzustellenden Micha-Kommentares sind am besten zusammengefaßt mit den Worten seines Autors: "The foundations of the commentary are the Hebrew Bible, the Ancient Versions and the Jewish mediaeval commentators. The building has been completed with the help of the critical scholarship of more recent times and I owe particular debt to Stade and Wolff, since the structure of the book of Micah, which was outlined by Stade and enriched by Wolff, is the one I have adopted." (VII)

Man muß die Reihenfolge der genannten Gesichtspunkte - Hebräischer Text, Versionen, jüdische Auslegung, neuere Exegese, Literargeschichte - in einem absteigendem Sinne verstehen, um die Interessen und Leistungen des Buches schätzen und nutzen zu können. Daher werden wir zunächst von der - nicht zuletzt der Literargeschichte gewidmeten - "Introduction" (1-24) absehen und uns dem Kommentar (25-239) selbst zuwenden. Dieser ist schlicht und ohne übergreifende Strukturierungen nach den sieben Kapiteln des Michabuches selbst gegliedert. Die weitere Einteilung in Sinnabschnitte samt den entsprechenden Überschriften (die im Inhaltsverzeichnis leider nicht dokumentiert sind) wird im Verlauf der Kommentierung dann begründet, wenn sie vom Üblichen abweicht (z. B.: zu Mi 4,14 vgl. 143 ff.; zu Mi 6,1-8, vgl. 177 ff.).

Abschnitt für Abschnitt stellt McKane die antike Textüberlieferungen der LXX, der Vulgata, der Peshitto und des Prophetentargums vor und diskutiert sie zunächst im Blick auf die Rekonstruktion des jeweiligen hebräischen Textes. Die Versionen, insbesondere die LXX, kommen aber auch in ihrem jeweiligen "Eigensinn" in den Blick; jeder, der sich einmal mit dem ebenso schwierigen wie interessanten griechischen Michabuch "herumgeschlagen" hat, wird dies zu schätzen wissen. Für nahezu jeden Vers des Michabuches läßt McKane auch die mittelalterlichen Kommentare Rashis, Kimchis und Ibn Ezras (entsprechend einer bibliographisch nicht weiter spezifizierten Ausgabe der "miqra’ot gedolot") zu Wort kommen und dokumentiert so nahezu lückenlos die mittelalterliche jüdischen Micha-Auslegung und zwar im unmittelbaren Vergleich mit der modernen Exegese. Daraus ergeben sich bisweilen überraschende Schlaglichter, so erfährt man etwa, daß die neuerdings wieder diskutierte Frage, ob Mi 2,12-13 als Heils- oder Unheilsweissagung zu verstehen ist, bereits zwischen Rashi und Kimchi strittig war. Deutlich wird auch, daß die jüdischen Exegeten Micha als Buch mit übergreifenden Plots gelesen haben (vgl. z. B. 167 und 170, zu Kimchis und Ibn Esras Auslegung von Mi 5). Die moderne exegetische Tradition ist zunächst vertreten durch bedeutende englische Bibelübersetzungen (z. B. KJV, NEB, RSV), die McKane kontinuierlich mitliest und -diskutiert.

Ebenso kontinuierlich setzt sich McKane mit einer Reihe von gängigen Kommentaren auseinander, namentlich mit den von J. P. M. Smith (ICC), A. Weiser (ATD), Th. H. Robinson (HAT), W. Rudolph (KAT), H. W. Wolff (BK) und D. R. Hillers (Hermeneia). Einige gewichtige Stimmen fehlen, so etwa L. C. Allen (NIC) oder B. Renaud. Neuere "synchrone" Ansätze (z. B J. T. Willis; D. Hagstrom) finden keine Berücksichtigung.

Inhaltlich ist die Diskussion zumeist der Textgestalt und dem Einzelverständnis des jeweiligen Abschnitts gewidmet. Bisweilen werden exkursartig übergreifende Zusammenhänge behandelt (z. B. 54 ff.: "Wordplay"; 61 ff.: die sozialen Verhältnisse im Hintergrund von Mi 2,1-5). Wiewohl McKane scharfsinnige Beobachtungen zu Gliederungs- und Abgrenzungsfragen (vgl. etwa 103 u. 110 zu Mi 3; 129 zu 4,6-8) anstellt, läßt die Kommentierung übergreifende Sinnzusammenhänge kaum transparentwerden. Insgesamt: McKanes Kommentar schließt - und dies ist m. E. seine eigentliche Leistung - mit großer Akribie die antike Textüberlieferung und die jüdische Auslegung des Michabuches. Daraus und aus der Diskussion mit der neueren exegetischen Tradition erwächst eine sorgfältig begründete und - abgesehen von einigen, dem Rez. unverständlichen Merkwürdigkeiten (vgl. zu Mi 1,11; 2,6, 5,4) - zuverlässige Übersetzung.

Leider verzichtet das Buch - abgesehen von den Zwischenüberschriften - fast völlig auf orientierende Lesehilfen im Druckbild - und sei es nur die Hervorhebung des Verses, auf den sich die Auslegung gerade bezieht. Auch würde man sich eine deutlichere Akzentuierung der Meinung des Kommentators wünschen, dessen Stimme in der Vielfalt gelehrter Einzelheiten aus den Versionen und Kommentaren nicht selten unterzugehen droht. Mit dem Kommentar nicht recht vermittelt und auch in sich unausgewogen scheint dem Rez. die "Introduction" (1-24). In ihr geht es in mehreren Abschnitten um Literarkritik und Redaktionsgeschichte des Michabuches (1-8; 17-21). Der Vf. lehnt sich dazu eng an H. W. Wolff an. Im Kommentar spielt die Redaktionsgeschichte des Michabuches kaum mehr eine Rolle. Meist werden Datierungen der Einzeltexte gegeben.