Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2016

Spalte:

706-708

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schweitzer, Friedrich, Maaß, Christoph H., Lißmann, Katja, Hardecker, Georg, u. Wolfgang Ilg

Titel/Untertitel:

Konfirmandenarbeit im Wandel – Neue Herausforderungen und Chancen. Perspektiven aus der Zweiten Bundesweiten Studie. In Verbindung m. V. Elsenbast u. M. Otte. M. e. Beitrag v. A. Härtner u. T. Beißwenger.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015. 340 S. = Konfirmandenarbeit erforschen und gestalten, 6. Kart. EUR 44,00. ISBN 978-3-579-05276-2.

Rezensent:

Christian Grethlein

2009 und 2010 waren für die empirisch arbeitende Gemeindepädagogik wichtige Jahre. Hier legte nämlich eine Forschergruppe, die sich um den Lehrstuhl für Religionspädagogik in Tübingen (Friedrich Schweitzer) sowie das Comenius Institut in Münster gebildet hatte, insgesamt fünf Bände einer großen Untersuchung der Konfirmandenarbeit vor: Im ersten Band (Friedrich Schweitzer/Volker Elsenbast, Konfirmandenarbeit erforschen, 2009) wurde die bisherige konzeptionelle Arbeit zu diesem Handlungsfeld auf »Ziele – Erfahrungen – Perspektiven« hin ausgewertet. Der zweite Band (Colin Crame r/Wolfgang Ilg/Friedrich Schweitzer, Reform von Konfirmandenarbeit – wissenschaftlich begleitet, 2009) enthält eine Tiefenbohrung hinsichtlich der Verhältnisse in der Württemberger Kirche. Dabei galt das Augenmerk u. a. besonders dem Mo­dell eines vorgezogenen Konfirmandenjahr (KU 3). Im dritten Band (Wolfgang Ilg/Friedrich Schweitzer/Volker Elsenbast in Verbindung mit Matthias Otte, Konfirmandenarbeit in Deutschland, 2009) werden »Empirische Einblicke – Herausforderungen – Perspektiven« zur Konfirmandenarbeit in den deutschen Landeskirchen erhoben. Dieser Horizont findet im vierten Band (Friedrich Schweitzer/Wolfgang Ilg/Henrik Simojoki [Hrsg.], Confirmation in Europe, 2010) eine europäische Weitung: »Empirical Results, Experiences and Challenges. A Comparative Study in Seven Countries«. Die größte Resonanz in der deutschen Öffentlichkeit fand wohl bisher der fünfte Band (Thomas Böhme-Lischewski/Volker Elsenbast/Carsten Haeske/Wolfgang Ilg/Friedrich Schweitzer [Hrsg.], Konfirmandenarbeit gestalten, 2010). Er enthält »Perspektiven und Impulse für die Praxis aus der bundesweiten Studie zur Konfirmandenarbeit in Deutschland«. Insgesamt ergaben die in diesen Bänden ausgewerteten Daten erstmals einen fundierten Einblick in die gegenwärtige Situation der Konfirmandenarbeit. Neben einer weit verbreiteten Zufriedenheit vieler Jugendlicher sowie einer überraschend hohen Zahl an ehrenamtlich Mitarbeitenden traten aber auch Problembereiche zutage, allen voran wohl die von der Mehrzahl der Konfirmandinnen und Konfirmanden empfundene Langeweile in Gottesdiensten.
Vor diesem Hintergrund verdient die jetzt vorliegende »zweite bundesweite Studie« zur Konfirmandenarbeit großes Interesse. Denn erst durch die fünf Jahre später erneute Befragung von Konfirmandinnen und Konfirmanden können die bei der ersten Befragung 2007/2008 erhobenen Ergebnisse in einen Zusammenhang gestellt werden. Wie damals wurden auch jetzt ca. 10.000 Konfirmandinnen und Konfirmanden zu Beginn (2012) und am Ende (2013) ihrer Konfirmandenzeit befragt. Die Ergebnisse dazu werden in vier Teilen präsentiert: Der erste Teil (31–118) behandelt »Aktuelle Fragen und Tendenzen«. Unter anderem wird hier – jetzt auf dem Hintergrund der Daten im Fünf-Jahres-Vergleich – die Frage nach dem Verhältnis der Jugendlichen zum Gottesdienst breiter reflektiert. Zwar werden kleinere positive Veränderungen in den Daten konstatiert, insgesamt markiert aber dieses Thema nach wie vor einen »neuralgischen Punkt« (87). Weitgehende Kontinuität herrscht ebenfalls bei den von den Konfirmandinnen und Konfirmanden präferierten Themen. Auch deren Spannung zu den Zielen der Pfarrerinnen und Pfarrer und ehrenamtlichen Mitarbeitenden begegnet wie vor fünf Jahren wieder, mit nur leichten Akzentverschiebungen im Einzelnen. Einen in der gesamten Diskussion recht neuen Akzent setzen Beobachtungen zum mit der Konfirmandenarbeit verbundenen ehrenamtlichen Engagement. Es belegt – nach Meinung der Autoren – dessen zivilgesellschaftliche Bedeutung.
Der zweite Teil rekonstruiert auf dem Hintergrund der Daten die gegenwärtige »Situation und Gestaltung der Konfirmandenarbeit« (119–189). Hier findet sich – jeweils übersichtlich in Tabellen und Graphiken aufbereitet – eine Fülle interessanter Befunde. Zuerst werden die Einstellungen der Konfirmanden, dann auch die der Pfarrer und sonstigen Mitarbeiter erhoben. Auch hier ergibt sich jeweils das Bild von Kontinuität, nicht aber eines – angesichts mancher anderer Beiträge zu erwartenden – Abbruchs. Dies vertieft der dritte Teil, der u. a. die besondere Situation der Konfirmandenarbeit in Ostdeutschland thematisiert. Der vierte Teil bietet »Zu­sammenfassung und Perspektiven«. Insgesamt stellt demnach die Konfirmandenarbeit »ein Erfolgsmodell« dar, »allerdings mit deutlichen Optimierungsmöglichkeiten« (226). Konzeptionell kann die positive Entwicklung als »Transformation des Konfirmandenunterrichts zur Konfirmandenarbeit« (231) beschrieben werden, die in den letzten fünf Jahren vorangeschritten ist – aber vielerorts noch weitergeführt werden muss. Der fünfte Teil gibt einen »Ausblick auf weitere Studien«. Dabei rücken sowohl Befunde in anderen Ländern, aber auch am Beispiel der Evangelisch-methodistischen Kirche ein freikirchlicher Kontext in den Blickpunkt. Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse einer Befragungswelle 2015, die Jugendliche zwei Jahre nach ihrer Ko­nfirmation befragt. Ein Anhang, der u. a. die Items und Skalen übersichtlich präsentiert, rundet den Band benutzerfreundlich ab.
Insgesamt stellt der anzuzeigende Band einen wichtigen weiteren Schritt in einem imposanten Forschungsvorhaben dar. Nicht nur gemeindepädagogisch, sondern auch jugendsoziologisch wird hier ein wichtiger Beitrag geleistet. Dass dabei ein deutlich an kirchlicher Stabilität orientiertes Interesse leitet, wird nicht verheimlicht und verwundert angesichts der finanziellen Unterstützung des Bandes durch die Landeskirchen nicht. Die Autoren sind sichtlich bemüht, entgegen umlaufenden Abbruch-Mythen er­freuliche Entwicklungen zu skizzieren. Dass dabei aber auch Problembereiche klar benannt werden, gehört zu den Stärken des Bandes.