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Ausgabe:

Juni/2016

Spalte:

693-694

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kopp, Stefan

Titel/Untertitel:

Der liturgische Raum in der westlichen Tradition. Fragen und Standpunkte am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Verlag:

Münster: LIT Verlag 2011. 198 S. mit 98 Abb. = Ästhetik – Theologie – Liturgik, 54. Geb. EUR 19,90. ISBN 978-3-643-50277-3.

Rezensent:

Klaus Raschzok

Stefan Kopp bietet in der 2009 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegten Dissertation (Betreuer: Basilius J. Groen und Erich Renhart) einen Querschnitt der liturgischen Nutzungsgeschichte von Kirchenräumen, vor allem in Österreich. Insgesamt stellt die Studie einen Praxisleitfaden dar, der helfen will, aktuelle Gestaltungsmodifikationen von Kirchengebäuden angesichts der Nutzungsgeschichte dieser Räume zu deuten (11). An eine kurze Einleitung schließt sich ein Kapitel zur historischen Entwicklung des liturgischen Raumes an. Das dritte Kapitel widmet sich der Entwicklung des Kirchenraumes nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, während das vierte Kapitel den liturgischen Raum im 21. Jh. schildert und ein fünftes Kapitel ein Resümee zieht. Ein sechstes Kapitel bietet ein Verzeichnis der 98 in Graustufen dargebotenen Abbildungen und der verwendeten Literatur.
Das sinnvolle Anliegen einer auf den Westen beschränkten Elementarkunde der liturgischen Nutzungsgeschichte von Kirchenräumen wird mit einer hohen Unschärfe erkauft. Die Studie befindet sich bedauerlicherweise nicht auf dem gewohnten hohen fachwissenschaftlichem Niveau katholischer Liturgiewissenschaft. Lediglich zu Österreich bietet der Vf. einige interessante, bisher aus der Fachliteratur noch wenig bekannte Hinweise zur Entwicklung des katholischen Kirchenbaus im ausgehenden 20. und frühen 21. Jh. Eine konsequente und angemessene Rekonstruktion der liturgischen Nutzung der vorgestellten Kirchenbauten gelingt nicht durchgängig. Auch unterbleibt ein Lückenschluss etwa zur liturgischen Nutzung der mittelalterlichen Dorf- bzw. Pfarrkirche.
Zum Teil hält sich der Vf. bei nebensächlichen Informationen zu den einzelnen Kirchengebäuden auf. Aktuelle Forschungsliteratur zum Thema wird nur eher zufällig zitiert und nicht umfassend zur Kenntnis genommen. So werden weder Rainer Volp noch Horst Schwebel als der Sache nach einschlägige Autoren unter der angegebenen Literatur erwähnt, obwohl sie Begründer bzw. Mitherausgeber der Reihe »Ästhetik – Theologie – Liturgik« sind, als deren Band 54 die Studie vorgelegt wurde. Nicht nachvollziehbar ist ferner, dass die ökumenische Fachzeitschrift »Kunst und Kirche«, die seit Jahrzehnten aufgrund ihrer an der Linzer Katholischen Privatuniversität angesiedelten österreichischen Mitherausgeberschaft auch regelmäßig neue österreichische Beispiele des katholischen Kirchenbaus im internationalen Kontext präsentiert, geflissentlich bis auf einen polemischen »Seitenhieb« auf deren früheren Herausgeber Günter Rombold (143 f.) übersehen wird und in der genannten Literatur keine Rolle spielt. Positiv hervorzuheben ist, dass eine Reihe neuerer interdisziplinärer Studien zur Nutzung von Kirchenräumen ausgewertet wird.
Die Perspektive des protestantischen Kirchenraumes spielt leider nur eine marginale Rolle und wird im Grunde lediglich als Randphänomen zur Kenntnis genommen. Dr. Martin Luther wird irrtümlich für den »reformierten Gottesdienst« verantwortlich gemacht (98). Die Liturgiezentren Zürich und Genf und damit der reformierte Kirchenbau in Europa werden gänzlich übersehen. Die wenigen genannten Beispiele des protestantischen Kirchenbaus beschränken sich bedauerlicherweise auf Österreich. Die Literaturauswahl zum protestantischen Kirchenbau ist zufällig wie eklektisch. Für das 20. Jh. wird immerhin Otto Bartning (120) als evangelischer Baumeister erwähnt. Kritisch anzufragen ist, weshalb der Text vor der Drucklegung von keinem evangelischen Fachwissenschaftler kritisch gegengelesen wurde. Auf diese Weise hätte eine Reihe von Peinlichkeiten korrigiert werden können.
Unklar bleibt insgesamt, worin die Forschungsleistung des Vf.s besteht. Die Studie referiert unkritisch aus der Fachliteratur und stellt Fakten zusammen, ohne eine eigenständige Theoriebildung auch nur in irgendeiner Weise anzudeuten oder zu markieren. Schade, denn gerade für Studierende der Kunst- und Architekturgeschichte wie der Denkmalpflege hätte eine solide erarbeitete Studie über die Geschichte der rekonstruierten liturgischen Raumnutzung ein wichtiges Desiderat dargestellt.