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Ausgabe:

April/2016

Spalte:

351-352

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Carlson, Stephen C.

Titel/Untertitel:

The Text of Galatians and Its History.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2015. XIV, 308 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 385. Kart. EUR 89,00. ISBN 978-3-16-153323-5.

Rezensent:

Eberhard W. Güting

Wie das Vorwort klarstellt, bietet dieser Band den leicht überarbeiteten Text einer PhD-Dissertation, die an der Duke University, Durham/NC von Stephen C. Carlson im Jahr 2012 vorgelegt wurde. Gestützt auf kladistische Rechenprogramme sowie auf sorgfältige Recherchen hinsichtlich der für den Galaterbrief erhaltenen Zeugen entwirft die Arbeit einen eigenen Text des Galaterbriefs, genauer des für den Galaterbrief anzunehmenden Ausgangstextes (Ini-tial text). Der Vf. setzt sich zunächst mit den Positionen der überlieferten Textkritik auseinander und entwirft sodann sein Projekt (43–45).
Das Vorhaben muss zwei Ziele im Auge behalten: Mit Hilfe von Leitfehlern müssen die Beziehungen der Handschriften zueinander geklärt werden, wo immer das möglich ist, genealogische Beziehungen. Andererseits soll die Geschichte der Überlieferung geklärt und dargestellt werden. Phänomene wie »contamination« und »accidental coincidence« sind genau zu behandeln, so schwierig das auch ist. Der erstrebte Ausgangstext ist ein »emendierter« Text. Die Anwendung innerer Kriterien ist nicht zu umgehen. Eklektisch urteilende Textkritik tritt der Stemmatik gegenüber.
»Accordingly, this study of the text of Galatians and its history proposes to take a hybrid stemmatic-eclectic approach to the textual evidence. Rather than find-ing a general solution to the contamination problem, this study proposes both a stemmatic solution to contamination and an eclectic solution to contamination. Specifically, on the stemmatic side: only that level of contamination that can distort the stemma will be addressed in the construction of the stemma (see section 2.3), and the remaining amount of contamination will be handled in accordance with eclecticism, by a more extensive use of internal evidence than stemmatics normally permits. With this hybrid approach, this study can reap the benefits of eclecticism for a serviceable authorial text.« (44)
Kapitel 2 stellt sich eine doppelte Aufgabe. Zunächst werden 92 Zeugen vorgestellt, im Internet und an Originalen auf korrekte Transkription überprüft und an 1624 Variationseinheiten bereitgestellt. Außerdem wird der Leser mit den Strukturen des kladistischen Vorgehens bekannt gemacht. Zu den verwendeten Zeugen gehören neben drei Italahandschriften die Vulgata, daneben Pe­schitta und Harclensis und der Galaterkommentar des Chrysos­tomos. Schließlich wird ein unorientiertes Gesamtstemma des Galaterbriefs angegeben. Innere Kriterien ermöglichen dessen Orientierung.
Kapitel 3 vollzieht die Orientierung des in Kapitel 2 entworfenen Gesamtstemmas. Hier begegnen dem Leser die klassischen Elemente textkritischer Begründung. Der Vf. verwirft die zusammenfassende Bezeichnung »ägyptische Zeugen«. Doch werden neben die wichtigen Zeugen P46 B und O1 sowie 33 die Lesungen »west-licher« und »östlicher« Zeugen in eigene Spalten gesetzt. Innere und äußere Kriterien haben ihr Gewicht.
Kapitel 4 bietet die kritische Herstellung des Textes. Innere Kriterien ermöglichen dessen genealogische Interpretation. Innere wie äußere Bezeugung werden sorgfältig gegeneinander abgewogen, wobei auch die exegetischen Optionen eingehend zur Sprache kommen. Der Vf. ist überzeugt, dass Gal 4,25a nicht zum Autortext gehört. Hier folgt er einer Position, die bereits auf Bentley zurückgeht. Das Kapitel gibt abschließend den vom Vf. rekonstruierten Galatertext wieder.
Weitere zwei Kapitel nennen und erörtern die gewonnenen Ergebnisse. Das soll hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden. Die Arbeit beeindruckt durch ihre stets sorgfältige Berücksichtigung des textkritischen Diskussionsstands, durch gut ge­wählte Zitate, durch sorgfältige Gestaltung.