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Ausgabe:

September/1999

Spalte:

899–902

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Crüsemann, Frank

Titel/Untertitel:

Elia - die Entdeckung der Einheit Gottes. Eine Lektüre der Erzählungen über Elia und seine Zeit (1Kön 17-2Kön 2).

Verlag:

Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1997. 176 S. 8 = Kaiser Taschenbücher, 154. Kart DM 29,80. ISBN 3-579-05154-7.

Rezensent:

Georg Hentschel

Mit Blick auf die Bibelwoche 1998 hat F. Crüsemann ein Taschenbuch veröffentlicht, in dessen Mittelpunkt der Prophet Elia steht. C. legt Wert auf eine einfache, leicht lesbare theologische Einführung in die Erzählungen über diesen Propheten, ohne den nicht zu denken ist, "was die Bibel Gott nennt" (12).

C. führt den Leser am Text entlang und entdeckt dabei manches, was von anderen übersehen wird. Die Ankündigung des Propheten, daß die Dürre nur auf sein Wort hin beendet werde (1Kön 17,1), bezeugt eine Sicht von Erzählern, "die keine Probleme damit hatten, Elia selbst und seinem Wort eine solche ungeheure Macht zuzutrauen" (29). Doch diese Perspektive wird durch die Betonung des Wortes des Herrn (V. 2) theologisch relativiert. Gott sorgt für seinen Propheten, nicht nur in Israel, sondern auch im phönizischen Sarepta, im Heimatland des Baal (17,8-16). Dabei ist zu beachten: Bevor Isebels Taten erwähnt werden, tritt uns in der Frau von Sarepta eine positive Gestalt aus dem phönizischen Raum entgegen.

Auf dem Karmel (1Kön 18,21-40) bringt Elia ein legitimes Opfer dar. Das spreche eindeutig für eine vordtr Erzählung. Es gehe in der Auseinandersetzung noch nicht um Monotheismus, sondern um die Frage, wer sich auf dem Karmel als wirkmächtiger Gott erweise. Dem Bekenntnis des Volkes in V. 39 - "der Herr ist Gott" - fehlen gerade die monotheistischen Ergänzungen einer dtr Theologie (Dtn 4,35.39; 32,39; 1Kön 8,60). "JHWH, nicht Baal ist der Gott, der Regen und Blitz und damit den gesamten Bereich der Fruchtbarkeit beherrscht." Auch wenn noch kein wirklicher Monotheismus gegeben sei, stelle die Erzählung doch "einen riesengroßen Schritt in diese Richtung" dar (51).

In der Szene unter dem Ginsterstrauch (19,3-7) betrachte der Erzähler den Propheten kritisch. Wenn sich Elia mit den Vätern vergleicht, dann äußere sich darin "Hochmut in der Verzweiflung" sowie "Verzweiflung am Hochmut" (56). Die Einstellung des Erzählers zeige sich auch bei der Klage des Elia (19,10.14). Aus dem Kontext gehe eindeutig hervor, daß längst nicht das ganze Volk den Herrn verlassen habe (18,39) und daß Elia auch nicht als einziger Prophet des Herrn übriggeblieben sei (18,4.13). Man muß also "die Klage des Propheten ... als eine von der Verzweiflung bestimmte Übertreibung lesen" (59).

Die Erzählung über die Nabotaffäre (1Kön 21,1-27) ist heute von zwei anderen prophetischen Erzählungen eingerahmt. C. möchte die Kapitel 20-22 als "eine bewußt gestaltete Einheit" begreifen (72). Elia werde hier "in eine Reihe mit anderen Propheten gerückt" (73). Besonders Micha ben Jimla sei "ein durchaus vergleichbarer Kollege" (74).

Die Nabotüberlieferung in 2Kön 9,25.26 steht vermutlich den Ereignissen noch näher als die dichterische und theologisch ausformulierte Erzählung in 1Kön 21,1-19. Rechtlich gesehen gab es zu dieser Zeit noch keinen unbedingten Schutz des Familieneigentums. Aber schon früh ist bezeugt, daß die Könige nach Landbesitz strebten, um Hofbeamte und Offiziere bezahlen zu können (1Sam 8,14; 22,7). Die späteren Rechtsvorschriften über den Umgang mit dem ererbten Eigentum erwachsen "aus dem Bedürfnis nach Schutz vor der Rechts- und Machtwillkür" der Könige und aus der prophetischen Ethik (Mi 2,1 ff.; Jes 5,8 ff.; S. 96). Elias Auftritt geht davon aus, daß Gott ein "Gott des Rechts" ist (Jes 30,18; Mal 2,18).

Micha, der Sohn des Jimla, hebt in der prophetisch bearbeiteten Kriegserzählung von 1Kön 22,1-38 hervor, daß Gott alles in allem wirkt: Der von Gott gesandte Geist bewirkt eine Suggestion, so daß alle Propheten - vom "Abweichler" Micha abgesehen - genau dasselbe sagen. Da allerdings nicht genau angegeben werde, wen der Herr in die Hand des Königs geben werde, sei das Wort der 400 Propheten "so doppeldeutig, wie man es aus Delphi kennt" (113).

Die Frage Elias gegenüber den Boten des Ahasja (2Kön 1,2-16), ob es denn keinen Gott in Israel gebe, geht von der Voraussetzung aus: "In Israel gibt es diesen Gott, und soll es nur diesen einen geben." (126). In Israel ist der Herr und nicht Baal (TUAT II/3, 337 f.) für Not und Krankheit zuständig. Ein anderes Thema ist das der Gewalt. Die Vernichtung von hundert Soldaten zeigt, "welche Macht man diesem Elia zuschreibt" (127). Es drängt sich die Frage auf: Hängt die Forderung nach der Monolatrie mit der Gewalt zusammen? C. kommt zu dem Ergebnis: "Die Periode, in der es wohl zuerst um die Alternative JHWH oder Baal ging, ist durch ein Klima der Gewalt bestimmt." (128) Die Jehurevolution offenbart dasselbe Klima der Gewalt. "Die ersten Ansätze zur Alleinverehrung eines Gottes ... sind offenbar mit militantem Verhalten auf beiden Seiten verbunden." (129) Die Gewalt wird aber nicht legitimiert, sondern sehr bald in Frage gestellt (Hos 1,4.5). Dieser Prozeß ist schon hier im Gange (V. 13-15). Elia hat offenbar aus Angst gehandelt. Der Bote des Herrn nimmt ihm diese Angst. "Ein Klima der Gewalt ist immer ein Klima der Angst" (132).

In 2Kön 2,1-18 hebt C. hervor, daß die Erzählung "nicht von der Entrückung Elias in die göttliche Sphäre" handle (137). "Elia läuft wie getrieben von Ort zu Ort mit geheimnisvollen Aufträgen und versucht, allein zu bleiben." (139) Aber "alle Personen, die eine Rolle spielen, wissen genau, was passieren wird." (138) Elischa läßt sich am allerwenigsten abschütteln. Er bittet um zwei Drittel (Sach 13,8) des Geistes, der auf Elia geruht hat, und möchte so dessen Haupterbe werden (Dtn 21,17). Die Gabe des Geistes (vgl. Num 11,25.26; Jes 11,2; 61,1) wird ihm dadurch zuteil, daß er sieht, wie ein Feuerwagen und Feuerpferde ihn von Elia trennen (vgl. 2Kön 6,17). Als er mit dem herabgefallenen Mantel des Elia (vgl. 1Kön 19,19-21) die Wasser des Jordan zu teilen vermag, hat er seine "Meisterprüfung" bestanden. Es geht also um eine "Begründung der Autorität und Legitimität des Nachfolgers" (C. Schäfer-Lichtenberger).

Im "Nachwort" weist C. darauf hin, daß in der Zeit des Elia und in seinen (späteren) Erzählungen ein "Frühstadium der biblischen Gottesvorstellung" zum Ausdruck komme. Die Erzählungen bilden nach C. vor allem deshalb eine Einheit, weil sie von Gott sprechen. Sie bringen Krieg und Tod, Dürre und Regen, Krankheit und Gewalt mit Gott in Zusammenhang. "Er begegnet in allen Aspekten der Wirklichkeit und ist doch mit keiner identisch" (164). Er bringt Sturm, Blitz und Regen, ist aber nicht in ihnen. Er beruft Propheten, kann sich aber mit ihnen nicht voll identifizieren. Die Erzählungen sprechen von der "Einheit Gottes und ihrer Beziehung zur Vielfalt von Wirklichkeit und Erfahrung" (164).

Im Detail kann man C. durchaus widersprechen. Daß die Körperhaltung Elias in 1Kön 18,42 eine "magische Handlung" sei, um Regen herbeizuführen (41), läßt sich kaum belegen. Darf Elischa "nicht Abschied von Vater und Mutter nehmen" (136)? Elia sagt doch nur (1Kön 19,20): "Geh, kehr um! Denn was habe ich dir getan?" Betritt Elia am Horeb tatsächlich jene Höhle (19,9), in der Obadja zuvor die Propheten des Herrn versteckt hat (18,4.13)? Kann der Artikel nicht auch auf eine bekannte Höhle am Horeb hinweisen, ohne daß gleich ein literarischer Kontext vorausgesetzt ist? In der Karmelerzählung (1Kön 18,21-40) wird das unterschiedliche Rollenspiel zu wenig beachtet: Einerseits ruft Elia das Volk zur Entscheidung auf (V. 21) und erreicht auch, daß die Israeliten nicht länger abseits stehen (V. 30.40). Andererseits bildet das Volk eine neutrale Jury, vor deren Augen Elia und die Baalspropheten einen Wettstreit veranstalten (VV. 22-25; vgl. C. Frevel, BBB 94/1, 69 f.).

Dennoch wird man F. Crüsemann dankbar sein, daß er eine theologische Auslegung der Eliaerzählungen vorgelegt hat, die viele interessante Beobachtungen enthält. Er hebt sich wohltuend von jenen Exegesen ab, die maßgebliche Teile der Eliatradition in die nachexilische Zeit versetzen wollen und dabei nur einzelne, zweifellos recht junge Passagen berücksichtigen (vgl. E. Blum: VT 47, 1997, 291). Er entgeht damit der Gefahr, daß auch Elia einer grauen Katze ähnelt, die unter ihren Gefährtinnen nicht mehr zu erkennen ist. Für C. steht Elia "mit am Anfang der typischen Gotteserkenntnis Israels" (21). Er weiß, daß sich der Konflikt zur Zeit Elias zwischen dem Gott Israels und dem kanaanäischen Baal "am besten von seinem Ende, der Revolution des Jehu her erschließen" läßt. Die konservative Rebellion des Jehu setzt aber eine harte Auseinandersetzung voraus, die von Elia angestoßen sein kann. "Wie bei anderen großen Gestalten ... haben die Nachfolger und Schülerkreise den Meister nicht ,verfälscht’." (18)