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Ausgabe:

Dezember/2015

Spalte:

1404–1405

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Frost, Stefanie, Mennecke, Ute, u. Jorg Christian Salzmann [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Streit um die Wahrheit. Kirchengeschichtsschreibung und Theologie.

Verlag:

Göttingen: Edition Ruprecht 2013. 313 S. = Kontexte, 44. Geb. EUR 39,90. ISBN 978-3-8469-0165-6.

Rezensent:

A. B.

Der Band ist nach einer wissenschaftlichen Leitfrage des Göttinger Kirchenhistorikers Ekkehard Mühlenberg benannt und ihm als Festgabe zu seinem 75. Geburtstag zugeeignet. Die Beiträger waren von den Herausgebern eingeladen worden, »dem Verhältnis von Kirchengeschichtsschreibung und Theologie nicht so sehr auf theoretischer Ebene nachzugehen, sondern […] mit der theoretischen Fragestellung im Hinterkopf« die Problemlage »ganz praktisch und konkret […] an einem Beispiel aus ihrem Arbeitsgebiet zu verdeutlichen« (7). Als Ergebnis ist nun eine instruktive Anthologie höchst gelehrter, anregender Studien zu begrüßen.
Ein erster Teil versammelt Spezialuntersuchungen zur kirch-lichen Historiographie, näherhin zur Geschichtsschreibung des Evangelisten Lukas (J. Ch. Salzmann), zu den »Proömien der spätantiken Kirchengeschichten« (H. Ch. Brennecke), zum kirchenleitenden Autoritätsproblem bei Gregor von Nazianz (Th. Graumann) sowie, in eindrucksvoll epochenerschließender Weise, zu der Rezeption des pelagianischen Streits in der kritischen Dogmengeschichtsschreibung Johann Salomo Semlers (M. Ohst).
Der zweite Teil analysiert in systematischer Perspektive »Augus­tins Umgang mit seiner manichäischen Vergangenheit« (B. Neuschäfer), die tiefsinnige, wenn auch von Augustin nur ein einziges Mal verwendete Schöpfungsmetapher »ictus condendi« (J. Ringleben) sowie das logische Problem einer stellvertretenden, im Namen Gottes ergehenden Sündenvergebung (T. Koch).
Im dritten Teil wird an verschiedenen Fallbeispielen die Theologizität kirchengeschichtlicher Entscheidungen untersucht. Da­bei kommt der seit Paulus geführte christliche Diskurs über »Sexual Shame and Concupiscence« (K. J. Torjesen) in den Blick, ferner der evangelische Umgang mit der Lehre von den sieben Todsünden (B. Müller), die Authentizitätsproblematik des legendären Wormser Lutherdiktums »Hier stehe ich […]« (U. Mennecke) und die bei William Perkins auszumachenden »Anfänge der protestantischen Ge­wissenskasuistik« (Ch. Voigt-Goy).
Der letzte Teil ist besonderer Art: Als derzeitiger Inhaber des Göttinger Lehrstuhls für Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt Patristik analysiert Peter Gemeinhardt zunächst die Kirchengeschichtsschreibung seiner drei bedeutenden Vorgänger Hermann Dörries (1895–1977), Carl Andresen (1909–1985) und Ekkehard Mühlenberg (*1938), um anschließend seine eigene, dezidiert ekklesiologisch-institutionell akzentuierte Gegenstandsbestimmung kirchlicher Historiographie zu skizzieren.
Die enzyklopädische Gelehrsamkeit, die Freude an problemaufreißender Pointierung und die Begabung, im kleinen Teil das große Ganze anschaulich werden zu lassen, bezeichnen drei wissenschaftliche Kardinaltugenden des Jubilars. Davon bietet der vorliegende Band, mit der Mühlenberg-Bibliographie (299–305) ebenso wie mit seinen Forschungsbeiträgen, einen exzellenten Reflex.