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Ausgabe:

Dezember/2015

Spalte:

1367–1369

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bos, James M.

Titel/Untertitel:

Reconsidering the Date and Provenance of the Book of Hosea. The Case for Persian-Period Yehud.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2013. XII, 186 S. = The Library of Hebrew Bible/Old Testament Studies, 580. Geb. £ 60,00. ISBN 978-0-567-16418-6.

Rezensent:

Roman Vielhauer

Bei dem anzuzeigenden Buch von James M. Bos handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung seiner Dissertation, die bei Brian Schmidt am Department of Near Eastern Studies der University of Michigan entstanden ist. Ausgangspunkt der Untersuchung ist der seit etwa 40 Jahren zu beobachtende Paradigmenwechsel innerhalb der Prophetenforschung mit seiner Abkehr von der Person des Propheten hin zum Prophetenbuch als literarischer Größe. Vor diesem Hintergrund ist es erklärtes Ziel der Arbeit, das Hoseabuch hinsichtlich Alter und Herkunft einer Neubewertung zu unterziehen (4). Als Negativfolie dient B. dabei die traditionelle Sicht von der Entstehung des Buches, wonach eine aus dem Nordreich des 8. Jh.s stammende Vorform in der Folgezeit im Südreich redigiert und weiterüberliefert worden sei. Überhaupt zeigt B. entstehungsgeschichtlichen Hypothesen gegenüber eine kritische bis ablehnende Haltung, auch wenn sie sich innerhalb des von ihm favorisierten »neuen Paradigmas« in der Prophetenforschung bewegen. B. wählt stattdessen einen »synchronic approach« (29–31), ohne ein Textwachstum grundsätzlich infrage zu stellen, mit besonderem Augenmerk darauf, wie frühe antike Leser das Buch verstanden haben mögen (Spielart der »reader-response«-Methode im Gefolge von E. Ben Zvi). Unter dieser methodischen Voraussetzung stellt das Hoseabuch für B. von Anfang an eine Komposition der frühen Perserzeit dar, »a composition by the non-royal elite in Jerusalem that instructed and socialized the readers […] in Yehud regarding ›Israel’s‹ past« (32).
B. führt vier Argumente für seine These an: 1) Die im Hoseabuch wiederholt vorgebrachte generelle Königskritik mache ein monar-chisches Setting des Buches, sei es in Israel oder in Juda, unwahrscheinlich, insbesondere wenn man sich vor Augen führe, dass Ausbildung und Finanzierung von Schreibern wie überhaupt jedweder Literaturbetrieb zu monarchischer Zeit in der Hand der Krone lagen. Das Hoseabuch sei deshalb besser zu verstehen als Werk der nicht-königlichen Elite der persischen Provinz Jehud, wahrscheinlich der Priesterschaft Jerusalems, mit dem Ziel, den eigenen Führungsanspruch (neben dem Provinzstatthalter) durch Desavou-ierung der Könige der Vergangenheit und Eintreten gegen die Wiedererrichtung der Monarchie zu untermauern. – 2) Neben der Kritik am König spreche auch Polemik gegen Benjamin (?), Bethel und Samaria gegen eine Verortung des Hoseabuches im Israel des 8. Jh.s. Wiederum verweist B. auf die Abhängigkeit der Schreiber vom Königshaus, die solch Kritik an den eigenen staatlichen Institutionen höchst fragwürdig erscheinen lasse. Dagegen füge sich diese Polemik bestens in die frühe Perserzeit, als Benjamin (Sitz des Provinzstatthalters in Mizpa), Bethel (jahwistischer Haupttempel jener Zeit) und Samaria (Region mit konkurrierenden Tempeln wie etwa auf dem Garizim bei Sichem) in Konkurrenz standen zu Jerusalem, dem von B. favorisierten Herkunftsort des Hoseabuches. Die genannte Polemik diene dabei der Legitimation Jerusalems gegenüber konkurrierenden Ansprüchen religiöser und politischer Art aus dem Norden. – 3) Als weiteres Indiz für eine nachmonarchische Entstehungszeit des Hoseabuches führt B. das Doppelthema »Exil-Rückkehr« an, das das gesamte Hoseabuch durchziehe. Der Themenkomplex habe seine engsten Parallelen in den Büchern Jer, Ez und Sach; er füge sich von daher gut in den Diskurs der frühen (!) Perserzeit. – 4) Schließlich stellt B. heraus, dass das Hoseabuch große Vertrautheit mit einer Vielzahl (alt)israelitischer Traditionen zeige, wie sie uns in den Büchern Gen–2Kön überliefert sind (Jakob, Exodus, Wüstenwanderung, Landnahme usw.). Da ein Großteil dieser Traditionen frühestens im 7. Jh. entstanden seien (als Ge­währsmänner dienen B. vor allem P. Davies und J. Van Seters), könne auch das Hosebuch nicht aus älterer Zeit stammen. Am wahrscheinlichsten sei eine Datierung in die frühe Perserzeit.
Eine Verortung des Hoseabuches in nachexilischer Zeit bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Rekonstruktion einer Religionsgeschichte Israels. Denn mit Hosea entfällt ein wichtiger der ohnehin schon rar gesäten Belege für das Vorhandensein heilsgeschichtlicher Traditionen und das Streben nach Exklusivität und Bildlosigkeit des JHWH-Glaubens bereits im 8. Jh. In dieser Einschätzung trifft sich die Arbeit von B. über alle methodischen Gegensätze hinweg mit den neueren redaktionsgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten etwa von G. Yee, M. Nissinen, S. Rudnig-Zelt und auch dem Rezensenten. Aufs Ganze gesehen ist die These einer erst nachexilischen, frühperserzeitlichen Entstehung des Hoseabuches aber nicht ohne Probleme. Drei Punkte seien genannt:
1) Als zentral für die Leseperspektive des Hoseabuches gilt der Schlusssatz in Hos 14,10 (von B. nicht behandelt), der mit der Scheidung zwischen Gerechten und Frevlern den hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis des Buches bereitstellt. Seine engsten Parallelen hat der Vers in Ps 1 und Sir 39,24, also in sehr viel späterer als der frühen Perserzeit (um 200 v. Chr.). Von daher dürften Verfasser und ursprüngliche Leserschaft des Buches, sieht man wie B. von jedweder diachronen Differenzierung ab, eher in dieser späten Zeit zu suchen sein. Möchte man sich zudem ein Bild davon machen, wie frühe Leser das Hoseabuch verstanden haben, mag ein Blick in die Auslegung der (nicht viel später entstandenen) Schriftrollen vom Toten Meer hilfreich sein, die einmütig an die Leseanweisung aus Hos 14,10 anknüpft.
2) Vor diesem Hintergrund stellt sich methodisch die Frage, ob das Ziel der Arbeit, eine historische Verortung des Hoseabuches (»date and provenance«) unter Ausblendung der historischen Fragestellung nach seiner Entstehungsgeschichte überhaupt erreicht werden kann. Dem disparaten Textbefund wird B. mit seinem Verzicht auf jedwede literarische Rekonstruktion jedenfalls nicht gerecht. Weder die vielschichtige Kritik am Heiligtum von Bethel (vgl. dazu die differenzierte Arbeit von H. Pfeiffer) noch die verschiedenen negativen Äußerungen das Königtum betreffend, um nur zwei Beispiele zu nennen, sind derart reibungslos auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, wie B. dies glauben machen möchte. Nicht minder problematisch erscheint B.s Vorgehensweise, Aussagen aus den Rahmenkapiteln des Buches, die eine nachexilische Datierung indizieren (etwa die generelle Ablehnung des Königtums in Rückgriff auf 1Sam 8–12, das Doppelthema »Exil-Rückkehr«, der Rekurs auf altisraelitische Traditionen), unbesehen auch in den Mittelteil des Buches, Hos 4,1–9,9, einzutragen. Hos 4,1–9,9 legt eine solch späte Datierung aus sich heraus nicht nahe und wird in redaktionsgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten deshalb auch relativ einmütig als älterer Kern des Buches aufgefasst (vgl. die Einleitungswerke von J. Gertz, T. Römer u. a.). Den detaillierten Nachweis literarischer Einheitlichkeit des Hoseabuches bleibt B. schuldig.
3) Schwer nachvollziehbar ist schließlich der Stellenwert, den B. den Trägerkreisen des Hoseabuches in seiner Beweisführung beimisst. Über sie – wie über die der biblischen Überlieferung insgesamt – ist weniger bekannt, als B. mit seinen allgemeinen Hinweisen zum staatlich alimentierten Schreiberwesen in der Levante zu wissen vorgibt. Die grundlegende Ablehnung, die das Hoseabuch Königtum und (Opfer-)Kult (vgl. nur Hos 5,6; 6,6; 14,3) entgegenbringt, macht eine zu große Nähe zu staatlichen Institutionen, notabene auch zur Jerusalemer Priesterschaft im perserzeitlichen Jehud, wenig wahrscheinlich.