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Ausgabe:

November/2015

Spalte:

1321–1323

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rhinow, Malte

Titel/Untertitel:

Eine kurze koreanische Kirchengeschichte bis 1910.

Verlag:

Münster u. a.: LIT Verlag 2012. 240 S. = Beiträge zur Missionswissenschaft und interkulturellen Theologie, 29. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-643-90247-4.

Rezensent:

Chong Hwa Oh

Der seit fast einem Vierteljahrhundert in Seoul lebende und seit 2005 Praktische Theologie an der Luther-Universität in Yongin lehrende Malte Rhinow hat mit seinem hier angezeigten Buch eine beeindruckende Studie vorgelegt, die auf akribischem Quellenstudium beruht und im Wesentlichen von den ersten Kontakten Ko-reas mit dem Christentum und seinen Missionaren handelt. Der auf R.s im Jahre 2010 abgelegten Dissertation beruhende Text bietet einen vertieften Blick auf die frühe Entwicklung der verschiedenen Konfessionen in dem ostasiatischen Land, namentlich der nestorianischen, rö­misch-katholischen, protestantischen und or­thodoxen Christen. Da die Vermittlung dieser Konfessionen nach Korea anfangs nur über Nachbarländer wie China und Japan möglich war, bietet die Studie auch für diese Länder einen weiten Überblick über deren frühe konfessionelle Entwicklung.
R. stellt den neuesten Stand der frühen koreanischen Kirchengeschichte dar und muss dabei einräumen, dass die Quellenlage hinsichtlich möglicher Berührungen des Landes mit dem nestorianischen Christentum unklar ist. Ganz anders ist das in Bezug auf die rö­misch-katholischen Missionare: Zu den ersten Kontakten zählt die Begegnung des deutschen Jesuiten Johannes Adam Schall von Bell mit dem koreanischen Kronprinzen Sohyeon im Jahr 1644 in Beijing, der Hauptstadt Chinas. R. beschreibt ausführlich den be­schwerlichen Weg des katholischen Glaubens nach Korea. Denn jene Menschen, die sich seit 1784 – nachdem der erste Koreaner katholisch getauft worden war – zum Katholizismus bekannten, waren wegen des Ritenstreites unter den herrschenden Konfuzianern anhaltender Verfolgung ausgesetzt, so dass die römisch-katholische Kirche insgesamt um 1871 fast wieder von der Bildfläche verschwand.
Doch mit dem Ende der Christenverfolgung erlebte Korea 1876 die Öffnung des Landes gegenüber der Außenwelt. Von da an bis 1910, dem Jahr, in dem Korea seine Souveränität verlor und zur Kolonie Japans wurde, konnte sich die Kirche wieder etablieren und einen deutlichen Zuwachs an Gemeindemitgliedern verzeichnen. Gern hätte man etwas über die Phase zwischen 1871 und 1910, in der die katholische Kirche die drohende Verdrängung überwand und verlorenes Terrain zurückgewinnen konnte, erfahren, doch R. spart diesen dynamischen Aspekt der Kirchengeschichte leider aus.
Bei den ersten Kontakten Koreas mit dem Protestantismus spielte mit dem Lutheraner Karl Friedrich August Gützlaff ebenfalls ein Deutscher eine Vorreiterrolle bei der Einführung dieser Konfession in Korea; über seine Aktivitäten wird in der Studie ausführlich berichtet. Im weiteren Verlauf der Geschichte waren es auch und vor allem nordamerikanische Missionare, die in dem damals völlig heidnischen Land eine Vielzahl von Gemeinden aufbauten. Es wird erwähnt, was sie in dem Missionsland taten, bevor sie sich mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beschäftigten, und wodurch sie sich das Wohlwollen des Volkes erwarben. Die »Große Erweckung« in Pyongyang 1907 war in der Kirchengeschichte Koreas ein Wendepunkt, mit dem das Christentum in Korea als eine neue Religion geboren wurde. R. beleuchtet diese große geistliche Erweckung aus verschiedenen Perspektiven (Initiierung durch die Missionare versus Herbeiführung durch den Heiligen Geist). Die Studie erwähnt auch die Rolle der Nevius-Kirchenpolitik, mit der die Missionare ihre Leitlinie für ihre Mission fanden und durch die ihre Missionsarbeit reichlich Früchte tragen konnte. – Die in der Forschung bisher nur wenig berücksichtigte orthodoxe Missions- und Kirchengeschichte Koreas zeichnet R. von den Anfängen bis in die Gegenwart nach.
Korea ist für deutsche Leser nach wie vor ein Land mit gänzlich anderem kulturellen und politischen Hintergrund, so dass R. nicht umhin kann, etliche Begriffe und Namen im Anmerkungsapparat zu erläutern, was letztlich dazu geführt hat, dass dieser den eigentlichen Text an Umfang übersteigt.
Das für die vorliegende Studie umfangreich erschlossene Ar­chivmaterial liegt vorwiegend in koreanischer und chinesischer Sprache vor, und es ist lobenswert, dass die Literaturangaben mancher fremdsprachiger Texte nicht transkribiert, sondern in ihren originalen koreanischen und chinesischen Schriftzeichen wiedergegeben werden. Das mag jenen, die dieser Sprachen nicht mächtig sind, und das dürfte die Mehrzahl der Leser betreffen, etwas sperrig erscheinen, doch bietet es den Sprachkundigen die Möglichkeit, die Quellen in ihrem Original zur Kenntnis nehmen und bewerten zu können. Wichtige Passagen sind von R. gleichwohl zusätzlich ins Deutsche übersetzt worden.
R.s Studie ermöglicht dem deutschen Leser einen profunden Blick in die frühe Kirchengeschichte Koreas, und sie stellt die wichtige Rolle des Christentums in der koreanischen Geschichte insgesamt treffend heraus.