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Ausgabe:

November/2015

Spalte:

1251-1252

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Jacobi, Friedrich Heinrich

Titel/Untertitel:

Briefwechsel Juli 1788 bis Dezember 1790. Nr. 2152–2738. Gefördert v. d. Gerda Henkel Stiftung. Hrsg. v. M. Köppe.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2014. LX, 478 S. m. 3 Abb. = Friedrich Heinrich Jacobi, Werke – Briefwechsel – Nachlaß – Dokumente. Briefwechsel, Reihe I: Text, 8. Lw. EUR 292,00. ISBN 978-3-7728-2519-4.

Rezensent:

Wolfgang Sommer

Mit diesem achten Band der Gesamtausgabe des Briefwechsels von Friedrich Heinrich Jacobi ist der bisher zahlenmäßig umfangreichs­te in diesem aufwändigen, schon viele stattliche Brief- wie Kommentarbände enthaltenden Unternehmen erschienen. Am 21. Juni 1788 starb Johann Georg Hamann in Münster. Dieses einschneidende Ereignis steht am Anfang der Korrespondenz J.s in dieser Zeit, war Hamann doch als enger Freund J.s der ihm besonders nahestehende Briefpartner. An Johann Kaspar Lavater schreibt J. zwei Tage nach dem Tod Hamanns: »Als Christ ist Hamann gewiß gestorben, denn er war es in seinem Leben durch und durch. Wenn ich kann, so stelle ich Dir einmal die Erhabenheit dieses christlichen Menschen nach meiner Wahrnehmung und Empfindung dar. Ich besitze einen Schatz von Briefen von ihm. Seit Jahren schrieb er mir alle Wochen und oft die Woche zweimal; aus Münster mit jeder Post. Was ich für einen Verlust fühle, kannst Du Dir vorstellen. Göttliche Liebe war in dem Manne. Und wie seine Liebe, so war auch sein Licht.« (15) Im weiteren Verlauf der Korrespondenz wird mit dem Sohn Hamanns u. a. besprochen, was mit den Briefen Hamanns und seiner Bibliothek geschehen soll, und überlegt, wer Hamanns Schriften herausgeben könnte. J. selbst und Herder werden ins Gespräch gebracht. J. schreibt im Dezember 1789 der Fürstin von Gallitzin, dass er überlege, »Hamanns Lehre in eine fasslichere Predigt zu verwandeln […] Meinem Freunde Stolberg schrieb ich die vorige Woche nach Berlin, ›der Geist Hamanns wühlt unter mir, wie unter Hamlet der Geist seines Vaters‹« (341 f.). J. hat zwar mit verschiedenen vorbereitenden Arbeiten begonnen, aber aus dem Plan eines Buches über Hamann wird dann doch nichts.
Die Auseinandersetzungen J.s mit den Berliner Aufklärern, be­sonders mit Christoph Friedrich Nicolai, gehen weiter, versanden aber im weiteren Verlauf der Korrespondenz J.s gegen Ende des Jahres 1788.
Ein wichtiges Thema der Briefe des Jahres 1789 bildet die Neuauflage der 1785 erschienenen Spinoza-Briefe J.s. Dazu betreibt er umfangreiche Kant-Studien. Für die erweiterte Neuauflage bezieht J. auch neu gewonnene Freunde ein: Wilhelm von Humboldt (1767–1835), Johann Friedrich Kleuker (1749–1827) und Johann Georg Adam Forster (1754–1794).
Auf einer längeren Reise J.s von Juni bis September 1789 durch Nord- und Mitteldeutschland kommt es an verschiedenen Orten zu freundschaftlichen Begegnungen und intensiven Unterhaltungen. Das zentrale Ereignis dieser Zeit ist die beginnende Französische Revolution. Die Briefe zeugen von der umfangreichen Information, die J. über die epochalen Vorgänge in Paris einholt, nicht nur aus deutschen Journalen, sondern auch aus Frankreich selbst. Über Freunde und Bekannte, die nach Frankreich reisen, lässt er sich aktuelle Berichte zukommen. Seine anfängliche Begeisterung für die Französische Revolution schlägt schon bald in Rat- und Trostlosigkeit um. Im November 1790 schreibt er an seinen Freund Franz Kaspar Buchholtz: »Die National Versammlung fängt an mir so eckelhaft und so abscheulich zu werden, daß ich gar nicht mehr an sie denken möchte, wenn es möglich wäre.« (432)
Neue Briefpartner treten zu den bisherigen, so August von Kotzebue (1761–1819), jener Schriftsteller, der im März 1819 von dem Theologiestudenten Karl Ludwig Sand ermordet wurde. Zwischen Jacobi und Kotzebue gab es offenbar über Jahre einen Briefwechsel, der aber nicht mehr erhalten zu sein scheint.
In seinem großzügigen Haus in Pempelfort bei Düsseldorf empfängt J. zahlreiche Gäste. Die Einleitung gibt mit Auszügen aus Tagebucheintragungen und Briefen einen Einblick in die anregende Atmosphäre, die Gäste wie Alexander von Humboldt und Georg Forster sowie Wilhelm von Humboldt bei J. schildern.
Dem Band sind drei Abbildungen beigegeben: ein Ölgemälde von Johann Georg Adam Forster aus dem Jahr 1784, ein Holzstich, auf dem der jugendliche Wilhelm von Humboldt zu sehen ist, und das Titelblatt einer Schrift von Nikolaus Graf von Windisch-Graetz.
Wie die bisherigen Bände ist auch dieser Band wieder vorzüglich ausgestattet. Er ist an der Jacobi-Forschungsstelle im Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum erarbeitet und von der Gerda Henkel Stiftung in Düsseldorf getragen worden. Diese hat die Finanzierung der Edition des Briefwechsels Jacobis aus den Jahren 1788–1794 übernommen, nachdem die Projektförderung durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften ausgelaufen ist. Die folgenden Bände werden durch die Sächsische Akademie der Wissenschaften betreut.
Ein chronologisches Verzeichnis der Briefe, ein Verzeichnis der Korrespondenzen und eine Beilage über den offenbar recht erheblichen Vermögensetat J.s (1788–1791) sind dem Band beigegeben. Neu ist, dass das chronologische Verzeichnis aller Briefe und das Verzeichnis der Korrespondenten für alle im Druck vorliegenden Bände online abrufbar sind.