Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

November/2015

Spalte:

1225-1227

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Conway, Kevin P.

Titel/Untertitel:

The Promises of God. The Background of Paul’s Exclusive Use of ›epangelia‹ for the Divine Pledge.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2014. XVIII, 297 S. = Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, 211. Geb. EUR 119,95. ISBN 978-3-11-037507-7.

Rezensent:

Gerhard Saß

Die Arbeit von Kevin P. Conway entstand als Dissertation bei W. Horbury in Cambridge. Seit 2012 leitet C. das evangelikal geprägte Cru’s Institute for Biblical and Theological Studies in Budapest (Cru = ehem. Campus Crusade for Christ).
Die Arbeit verbindet bereits bestehende Auslegungsansätze zum Begriff ἐπαγγελία bei Paulus zu einer eigenen, weiterführenden These. Bereits seit Anfang der 90er Jahre ist der Begriff in Studien und Einzelauslegungen ausführlicher untersucht worden. C. selbst be­nennt vor allem die umfangreiche traditionsgeschichtliche Un­tersuchung von Saß, Leben aus den Verheißungen, Göttingen 1995, als ›Dialogpartner‹.
C.s zentrale Fragestellung, mit der er den Diskussionsstand weiterführen will, ist: »Warum gebraucht Paulus einen Terminus für Versprechen im Blick auf die atl. göttlichen Verheißungen, der in der LXX selbst kaum, wenn überhaupt, gebraucht wird?« Seine Antwort und Grundthese lautet: Der exklusive Gebrauch von ἐπαγγελία für das göttliche Versprechen bei Paulus ist singulär, ohne Vorläufer in der griechischen und frühjüdischen Literatur. Er ist zugleich eine bewusste rhetorische Wahl des Paulus. Denn ἐπαγγελία dient seiner kommunikativen Zielsetzung besser als jeder andere Begriff, weil er sowohl konzeptuell als auch linguis­tisch eng mit dem Begriff εὐαγγέλιον verbunden ist (durch die Verheißungen des abrahamitischen Bundes und linguistisch im gemeinsamen Stamm αγγελ …).
Darüber hinaus unternimmt es die Arbeit, die bisherigen lexikographischen Untersuchungen im Bereich der profangriechischen und frühjüdischen Quellen an verschiedenen Stellen auszuweiten.
Methodisch setzt C., wie er selbst sagt, bewusst induktiv und mehr konzeptuell als wort- und kontextbasiert an. Er geht (im Zu­sammenhang der methodischen Diskussionen seit Barr über Möglichkeiten und Grenzen begriffsgeschichtlicher Untersuchungen) davon aus, dass Wörter tatsächlich eine ›kontext-freie Bedeutung‹ haben und von daher Bedeutung nicht allein und nicht primär auf der Ebene des Satzes und des Kontextes entsteht.
Der erste Hauptteil der Arbeit dient dem Nachweis der Einzigartigkeit des exklusiven Gebrauchs von ἐπαγγελία für die göttliche Verheißung bei Paulus. Er beginnt mit der Untersuchung der profangriechischen Quellen. Über die Arbeit von Saß hinaus werden neben den Wortfeldern ἐπαγγέλλ- κτλ. und ὑπισχν- κτλ. auch ὀμνύω und ὅρκος berücksichtigt. Insgesamt werden über 4000 Belege des elektronischen Thesaurus Linguae Graecae (Stand 2011) ausgewertet. 59 davon (= 1,4 %) haben die Bedeutung ›göttliches Versprechen‹. Grundsätzlich wird der aktuelle Forschungsstand bestätigt, dass es zwar im Griechischen einen formalen Sprachgebrauch für göttliche Versprechen gab, dieser aber wohl kaum Einfluss auf Paulus hatte.
Das Kapitel zu den wenigen Belegen in der LXX beginnt mit einer Beschreibung der zentralen Verheißungstexte in der Abrahams-erzählung (besonders Gen 12,1–3.7; 22). In ihnen fehlt zwar eine geprägte Begrifflichkeit für »Verheißen« weitgehend. Sie sind jedoch nach C. für das paulinische Konzept von Verheißung zentral.
Kapitel 4 untersucht die ›pledge terms‹ in den Apokryphen und Pseudepigraphen und Kapitel 5 den Gebrauch bei Philo und Josephus, wobei die Zahl der Belegstellen gegenüber Saß jeweils ebenfalls ausgeweitet wird. Dieser erste Hauptteil umfasst mit gut 120 Seiten die Hälfte der Arbeit.
Im 2. Hauptteil entfaltet C. die konzeptuellen Gründe des Apos­tels für den exklusiven Gebrauch von ἐπαγγελία näher. Sein methodischer Ansatz führt dazu, dass die konkrete Behandlung der Textstellen in den paulinischen Briefen eher knapp gehalten ist. Sie umfasst nur ca. ein Viertel der Arbeit.
Kapitel 6 erläutert die zentrale Bedeutung des Begriffs Evangelium für Paulus, seine Herkunft aus der dtjes Botschaft und der Verkündigung der frühen Kirche sowie die konzeptuelle Korrespondenz zwischen εὐαγγέλιον und ἐπαγγελία. – Eine um­fangreiche Zitatensammlung zu dieser Verbindung (152 f.) zeigt, dass C. letztlich auch hier doch vorgedachten Spuren folgt. Die Verbindung wird näher entfaltet mit einer allgemein gehaltenen Be­schreibung verschiedener Komponenten, die beide Konzepte teilen: Gott als die Quelle, Jesus als der Inhalt, Gottes Rettungshandeln, vom Tod zum Leben, Empfänger, Glauben. Ab­schließend benennt C. Elemente der Diskontinuität zwischen Verheißung und Evangelium, die ihren Grund im Geschehen von Kreuz und Auferstehung haben.
Kapitel 7 geht der Verbindung der beiden Begriffe (und Konzepte) im Römerbrief nach und urteilt, dass Paulus sie mitunter fast miteinander identifiziert.
Dies bestätigt Kapitel 8 im Blick auf Gal 3 und 4 sowie schließlich auch 2Kor 1,20 und 7,1. Daran schließt sich ein knapper Überblick über die Rede vom göttlichen Versprechen im übrigen Neuen Testament an (in Eph, 1Tim, 2Tim, Tit, Lk, Apg, Hebr, Jak, 2Petr, 1Joh), der ebenfalls bestätigen soll, dass der exklusive Gebrauch von ἐπαγγελία κτλ. für die göttliche Verheißung singulär bei Paulus zu finden ist.
Kapitel 9 stellt in den abschließenden Schlussfolgerungen die beiden durch die Arbeit hinweg immer wieder formulierten Grundthesen noch einmal zusammengefasst (abgemildert) dar als (wahrscheinliche) neue Möglichkeit der Auslegung.
Beigefügt sind, neben der Bibliographie, ein umfangreiches Stel­lenregister, ein Index ausgewählter griechischer und hebräischer Worte (ohne die untersuchten Lexeme für das göttliche Versprechen) sowie ein umfangreiches Themenregister. Ungenauigkeiten zeigen sich mehrfach bei Zitaten (Tippfehler, ungenaue sprachliche Anschlüsse bei deutschen Zitaten sowie eine falsche Seitenangabe). Ärgerlich ist, dass gleich zu Beginn (2, Anm. 12) das tradi-tionsgeschichtliche Resümee der Arbeit von Saß falsch angeführt und sogar in sein Gegenteil verkehrt wird. Insgesamt führt die Arbeit den Diskussionsstand zum Begriff Verheißung bei Paulus an verschiedenen Punkten anregend weiter. Zugleich regt sie an zu theologischen und methodischen Nachfragen.
So wird die These der Exklusivität des paulinischen Sprachgebrauchs relativiert, wenn man berücksichtigt, dass ὑπισχνέομαι κτλ. im ganzen Neuen Testament nicht vorkommt und ὀμνύω und ὅρκος als in der LXX vorherrschender Sprachgebrauch bei Lk und Hebr primär im Kontext ausdrücklicher Rückbezüge auf alt-testamentliche Überlieferungen begegnet. – Dadurch, dass die Überprüfung der These an den paulinischen Texten mit Röm be­ginnt und Gal und 2Kor in einem knappen Durchgang folgen lässt (wohl dem konzeptuellen Ansatz folgend und methodisch nicht näher begründet), bleibt offen, wann und durch welche Anstöße Paulus sein Konzept von Verheißung entwirft und ob es hier möglicherweise auch eine Entwicklung gegeben hat.
Dabei spräche für eine allmähliche Entwicklung u. a., dass der zentrale Begriff εὐαγγέλιον in allen Briefen des Paulus eine wichtige Rolle spielt (aber 1Thess, Phil und 1Kor in der Arbeit so gut wie nicht berücksichtigt werden), ἐπαγγελία aber nur in 2Kor, Gal und Röm begegnet. Zudem enthalten die beiden ältesten Be-lege in 2Kor keine ausdrücklichen Bezüge zur Abrahamsüberlieferung.
Schließlich bestimmt das traditionelle Konzept »Verheißung und Erfüllung« die Auslegung stark mit (vgl. das Stichwortregister zum Begriff »Erfüllung«), obwohl Paulus selbst ausdrücklich nicht von »Erfüllung« spricht. Zwar werden hier auch notwen-dige Differenzierungen zitiert. Aber deutlich häufiger beschreibt C. die Verheißungen pauschal als erfüllt. Theologisch bleibt da-mit vor allem das eschatologische Potential der Rede von der Verheißung auf der Strecke. Zudem wird eine theologisch angemessen reflektierte Bestimmung des Verhältnisses von Christen und Juden erschwert.