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Ausgabe:

Oktober/2015

Spalte:

1080–1082

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cole, Robert L.

Titel/Untertitel:

Psalms 1–2. Gateway to the Psalter.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Phoenix Press 2013. IX, 182 S. = Hebrew Bible Monographs, 37. Geb. £ 50,00. ISBN 978-1-907534-30-0.

Rezensent:

Bernd Janowski

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Gillingham, Susan: A Journey of Two Psalms. The Reception of Psalms 1 an 2 in Jewish and Christian Tradition. Oxford u. a.: Oxford University Press 2013. XX, 344 S. m. Abb. Geb. £ 35,00. ISBN 978-0-19-965241-9.


Im Folgenden sind zwei Publikationen vorzustellen, die sich eines für das Verständnis des Psalters und insbesondere seines Proömiums zentralen Themas annehmen. Denn Ps 1 und 2 stellen gleichsam die Überschrift des Psalters dar und bilden – mit Hieronymus gesprochen – das »Eingangsportal« (grandis porta) dieses »großen Hauses« (magna domus). Entgegen einer neueren These zu Ps 1–3 als »Ouvertüre des Psalters« (B. Weber) bleibt auch Robert L. Cole bei dem traditionellen Verständnis von Ps 1 und 2 als Proömium und von Ps 3 als erstem Psalm der Teilkomposition Ps 3–14 (151 f., vgl. F. Hartenstein/B. Janowski, BK XV/1, 5 f.). Wie aber hängen beide Texte zusammen, und was bedeutet ihre Kopfstellung am Eingang des Psalters?
Die Arbeit von C., Associate Professor für Altes Testament und Semitistik am Baptist Theological Seminary in North Carolina, versucht darauf eine Antwort zu geben, die ebenso einfach wie problematisch ist. Nach einer langatmigen Einleitung (1–45), die sich wie ein mäandrierender Fluss durch die Forschungsgeschichte schlängelt und hier und da harsche Urteile fällt, entwickelt C. seine These in drei analytischen Kapiteln – zu Ps 1 (46–78), Ps 2 (79–141) und Ps 3 (142–164) – und kommt dabei zu folgendem Ergebnis:
»The principal characters in the first psalm are described in the second. The man of Psalm 1 is portrayed in eschatological terms as an impeccable royal, sacerdotal, and all-conquering military figure. He appears again in Psalm 2 but as a heavenly-enthroned victorious priest and king. His opponents, the wicked in Psalm 1, are identifed in Psalm 2 as recalcitrant rulers and peoples who reject his rule and seek to do away with him. However, the calculated divins response to their plotting assures their ultimate defeat unless they submit to him« (zitiert nach der 4. Umschlagseite).
Neben zutreffenden und so auch immer schon gesehenen Aspekten enthält diese These zahlreiche Implikationen und Pointierungen, die durchaus fragwürdig sind. Das betrifft zum einen die Charakterisierung des »Manns« von Ps 1 als »an impeccable royal, sacerdotal, and all-conquering military figure« und zum anderen die Qualifizierung dieses Porträts als »eschatological«. Diese Behauptung lässt sich so nicht halten. Angemessener dürfte es sein anzunehmen, dass der masoretische Text von Ps 1,4 f. offen für eine eschatologische relecture ist, die dann deutlich in LXX zutage tritt bzw. die von ihr vereindeutigt wird. Auch der These, dass der »Mann« von Ps1 in Ps 2 als »a heavenly-enthroned victorious priest and king« porträtiert wird, ist mit Zurückhaltung zu begegnen und demgegenüber anders zu votieren (s. dazu jetzt F. Hartenstein/B. Ja­nowski, BK XV/2, 2015). Dennoch enthält das Buch viel nützliches Material, auf das man dankbar zurückgreift, dessen Gebrauchswert durch steile Thesen allerdings relativiert wird.
Das Buch von Susan Gillingham, Reader in Old Testament an der Universität Oxford und Fellow and Tutor in Theology am Worcester College, Oxford, ist demgegenüber aus anderem Holz ge­schnitzt. Natürlich ist das Thema hier ein anderes, nämlich ein wirkungs- und rezeptionsgeschichtliches. »Anderes Holz« meint aber die Art des methodischen Zugriffs und die Umsicht der ma-terialen Durchführung. G. hat sich in den vergangenen Jahren mit gewichtigen Publikationen wie The Poems and Psalms of the Hebrew Bible, Oxford 1994, Psalms Through the Centuries, Vol. I, Malden, MA 2008 und Jewish and Christian Approaches to the Psalms. Conflict and Convergence, Oxford 2013 (s. dazu ThLZ 138 [2013], 944 f.) einen hervorragenden Namen in der Psalmenforschung gemacht. Die Monographie schließt mutatis mutandis an den zuletzt genannten Titel an, beschränkt sich aber auf die – außerordentlich reiche – Rezeptionsgeschichte beider Texte in der jüdischen und christlichen Auslegungsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. In Kapitel 1 (1–9) werden zunächst einige Voraussetzungen (Aufgabe der Rezeptionsgeschichte, Textanlage von Ps 1 und 2, Vergleich mit Ps 19A und 19B, »Tempel« als beide Psalmen übergreifendes Thema; für Ps 1 verweist G. dabei auf die Baummetapher von V. 3) geklärt, bevor in den Kapiteln 2 bis 5 (10–129) die Rezeptionsgeschichte vom Antiken Judentum bis ins Zeitalter der Reformation dargestellt wird.
Ab Kapitel 6 bis Kapitel 10 geht G. dann thematisch vor, indem sie die Rezeption von Ps 1 und 2 im Gottesdienst (130–156: von der Zeit des Zweiten Tempels bis zum 15. Jh. und vom 16. Jh. bis zur Gegenwart), in der Kunst (157–191: vom 9. bis zum 15. Jh., dazu 20.und 21. Jh.), in der Musik (192–233: jüdische und christliche Interpretationen), in der englischen Literatur (234–260) und in den modernen wissenschaftlichen Debatten (261–287: historisch-kritische Kommentare, exegetische Literatur) darstellt. Den Schluss bildet Kapitel 11 (288–298), in dem noch einmal das Thema des Tempels aufgegriffen und die psaltereröffnende Bedeutung von Ps 1 und 2 anhand einer systematisierenden Zusammenfassung herausgestellt wird. 21 Schwarz/Weiß-Abbildungen im Text, 38 Farbabbildungen auf Tafeln (in der Mitte des Buchs) und ausführliche Register (325–344) erschließen den Reichtum dieses vorzüglichen Buchs, zu dem G. zu gratulieren ist.