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Ausgabe:

Juni/2015

Spalte:

632-633

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Flynn, Shawn W.

Titel/Untertitel:

YHWH is King. The Development of Divine Kingship in Ancient Israel.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2014. XII, 207 S. = Vetus Testamentum. Supplements, 159. Geb. EUR 103,00. ISBN 978-90-04-26303-1.

Rezensent:

Thomas Wagner

Die Veröffentlichung basiert auf einer am Trinity College Dublin begonnenen und an der University of Toronto unter der Begleitung von J. Glen Taylor 2012 abgeschlossenen Dissertation. In ihr wendet sich Shawn W. Flynn einem zentralen Motiv alttestamentlicher Theologie und vielfach untersuchten Thema zu.
Die letzten Publikationen zum Thema zeigen, dass ein methodischer Neuansatz nötig erscheint, da die Argumente weitgehend genannt und ausgetauscht sind. Einen solchen Neuansatz versucht der Vf. in zweifacher Weise: Im ersten Schritt (Kapitel 2) greift er auf Ergebnisse sprachgeschichtlicher Untersuchungen zurück, um die JHWH-König-Psalmen (Ps 93; 95–99) sowie die Texte, in denen das göttliche Königtum mit JHWH als Chaoskämpfer verbunden wird (Ex 15,1–12.18; Num 22; Dtn 33,5; Ps 29), zu datieren. Zwar geht der Vf. mehrfach darauf ein, dass rein sprachgeschichtliche Untersuchungen methodische Schwächen aufweisen, doch prüft er an keiner Stelle, ob die Ergebnisse, die er aus derartigen Untersuchungen zu den von ihm behandelten Texten entnimmt, redaktionsgeschichtlichen Argumenten standhalten. Stattdessen setzt er eine Datierung der JHWH-König-Psalmen in das 8. Jh. v. Chr. und der JHWH-Chaoskämpfer-Texte in das 12.–10. Jh. v. Chr. voraus. Vor allem in Bezug auf die zweite Textgruppe wäre zu klären, wie derart frühe Stoffe in Kontexte eindrangen, die späteren Zeiten entstammen.
Ziel der Untersuchung ist es, die motivischen Differenzen für die Begründung des göttlichen Königtums (Chaoskampf und universale Schöpfungsherrschaft) als Entwicklungsprozess vom begrenzten, auf dem Kampf basierenden Königtum hin zur universalen Herrschaft, die auf der Schöpfung und damit auf der Macht über die anderen Götter gründet. Die erste Ausprägung sieht der Vf. auf einer Entwicklungsstufe mit kanaanäischen Vorstellungen, wie sie in den ugaritischen Mythen greifbar werden (28). Die JHWH-König-Psalmen, in denen das Kampfmotiv nur noch am Rande erscheint, begründen das göttliche Königtum mittels der Schöpfung. Darin erkennt der Vf. eine Neuausrichtung des Motivs, die er als Fortentwicklungsprozess begreift. Dieser Prozess wurde s. E. durch Außeneinflüsse bewirkt, so dass es zu einer Veränderung des Motivs durch eine Anlehnung an Vorstellungen göttlichen Königtums bei anderen altorientalischen Völkern kam ( Cultural Translation).
Um diesen Prozess beschreiben zu können, wählt er einen weiteren methodischen Neuansatz. Dazu lehnt er sich an Methodik und Ergebnisse ethnologischer Forschung an (Kapitel 3). Als Cul-tural Translation versteht der Vf. im konkreten Fall die Übernahme von Motiven und Vorstellungen göttlichen Königtums, die zu einer Veränderung der eigenen Auffassung führen. Den Mehrwert ethnologischer Forschung für die Untersuchung derartiger Prozesse erkennt der Vf. darin, dass anders als in traditions- und religionsgeschichtlich aufweisbaren Prozessen Cultural Translation als Übernahme von Konzepten ohne direkte inhaltliche oder sprachliche Parallelen zu verstehen ist. Um einen derartigen Prozess sichtbar zu machen, leitet der Vf. aus den ethnologischen Studien vier Kriterien ab: 1. Motivation zur Veränderung, 2. Ursache der Motivation, 3. Kohärenz und Erneuerung und 4. Gewinn durch die Übertragung (87–89). Um die Veränderungsprozesse von der Kriegs- zur Schöpfer-Tradition verständlich zu machen, greift der Vf. zurück auf eine vermeintliche Parallele, die Entstehungsgeschichte des Enuma elisch und die Ausprägung des göttlichen Königtums Marduks. Die redaktionelle Endfassung des Enuma elisch – erst in ihr wird Marduks Herrschaft postuliert – datiert der Vf. in die Zeit kassitischer Oberherrschaft über Babylon (13. Jh. v. Chr.) und versteht das Postulat von Marduks Königtum als Teil babylonischen Widerstands gegen die Herrschaft Tukulti-Ninurtas I. In der Transformation der JHWH-König-Vorstellung in Israel sieht er insofern eine Parallele, als dass JHWH in der Transformation das Königtum Els wie Marduk das Königtum Enlils an sich zog. Als Anlass für die Veränderung der judäischen JHWH-Verehrung erkennt der Vf. schließlich die Weltherrschaftspolitik Tiglat-Pileser III., unter dessen Einfluss sich die JHWH-Königstheologie dergestalt veränderte, dass JHWH zum universalen Herrscher aufstieg. Dies wird in kultischen Texten sichtbar, da der assyrische Machtdruck auf Juda vor allem religionspolitischer Natur war (vgl. 2Kön 16). Die Transformation des Königsbildes bringt es mit sich, dass JHWH nicht als Kontrahent des assyrischen Königs, sondern als sein Herr erscheint. Dies legt der Vf. abschließend an Jes 10 dar. Erneut verpasst er es in seiner Analyse, die Datierung des Textes (8. Jh. v. Chr.) redaktionsgeschichtlich zu überprüfen. Eine solche Datierung ist nach Stand der heutigen Jesajaforschung kaum mehr zu vertreten. Doch erst durch den Nachweis der Datierung der Texte wird sich das vom Vf. dargelegte Bild von der Entwicklung des göttlichen Königtums verifizieren lassen.