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Ausgabe:

Mai/2015

Spalte:

479–480

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Eck, Werner

Titel/Untertitel:

Judäa – Syria Palästina. Die Auseinandersetzung einer Provinz mit römischer Politik und Kultur.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2014. XIV, 307 S. = Texts and Studies in Ancient Judaism, 157. Lw. EUR 119,00. ISBN 978-3-16-153026-5.

Rezensent:

Michael Tilly

Der Band enthält insgesamt 24 Beiträge des emeritierten Kölner Althistorikers Werner Eck zu methodischen und thematischen Aspekten der epigraphischen Überlieferung aus dem Bereich Judäas und der Geschichte der Provinz.
Ein erster Teil der (für ihre erneute Drucklegung überarbeiteten und ergänzten) Aufsätze befasst sich mit Inschriften als Objekt und als Subjekt einer umfassenden Provinzgeschichte. Zuerst angesprochen wird dabei die Notwendigkeit, den Kontext und die Pragmatik antiker Dokumente differenziert zu betrachten (3–24), wobei E. den funktionalen Unterschied zwischen der eigentlichen Publikation politisch-administrativer Anordnungen und ihrer späteren öffentlichen Präsentation akzentuiert. Einer differenzierten Darstellung der verschiedenen Funktionen unterschiedlicher epigraphischer Quellen (25–46) folgt eine Betrachtung ihrer besonderen Bedeutung als Symbol imperialer Herrschaft (47–65). Verneint werden sowohl die Verbindung Flavius Silvas, des Eroberers von Masada, mit einem Jerusalemer Inschriftenfragment (66–73) als auch der Ausschluss Syria Palaestinas aus dem Prozess der Integration autochthoner Aristokraten in die reichsweite Führungsschicht (74–82). Ein Beitrag legt dar, dass die Rasuren auf vier Inschriften aus Gerasa (unbeschadet der Tatsache, dass immer wieder Namen von missliebigen Statthaltern eradiert wurden) nichts mit dem am Kampf gegen Bar Kochba beteiligten römischen Legaten T. Haterius Nepo zu tun haben (83–91), ein anderer Beitrag stellt Verbindungslinien zwischen einer fragmentarischen lateinischen In­schrift aus Jericho und römischen Infrastrukturmaßnahmen in der Provinz her (92–97). Ein kurzer Aufsatz thematisiert eine (wohl aus politischen Gründen erfolgte) Rasur des Namens eines hohen Amtsträgers oder eines Kaisers auf einer Statuenbasis aus Jerusalem (98–101), ein weiterer Aufsatz die außergewöhnliche Ehrung des Statthalters Iulius Tarius Titianus mit Statuen sowohl in Caesarea Maritima als auch in Hippos (102–107). Zwei Beiträge widmen sich sodann dem Verständnis einer im südlichen Negev entdeckten lateinischen Militärinschrift (108–115) sowie eines Epitaphs aus Askalon, das die hohe Bedeutung der Hafenstadt für den antiken Weinhandel reflektiert (116–122).
Ein zweiter Teil der Aufsätze nimmt Eigenheiten und Wandlungen in der römischen Provinz in den Blick. Eine ausführliche Untersuchung hebt die geringe Verbreitung und die besonderen kommunikativen Funktionen bzw. Kontexte der lateinischen Sprache in den östlichen Provinzen hervor (125–149): »Only within the immediate circle of the administration itself, among the officiales of the procurators and the subalterns of the governors, is Latin the norm« (149). Eine Reihe von Beiträgen betont die Intensität der lateinisch-römischen Tradition gerade in Caesarea Maritima (150–162), die unsachgemäße Abfolge von Gentile und Cognomen in dem »Geisternamen« (165) »Iosephus Flavius« (163–165), den durchweg parteiischen Charakter der Darstellung römischer Repräsentanten in Judäa bzw. ihrer Amtsführung im Werk dieses jüdischen Schriftstellers (166–185), die Aufgaben und Kompetenzen der römischen Provinzadministration im Spiegel des Babatha-Archivs (186–203) und den besonderen Charakter der bei Plinius (Nat. hist. 12,123) begegnenden römischen Perspektive auf Balsamproduktion und -handel in Paläs­tina (204–211).
E. macht auf die (angesichts des nahezu vollständigen Fehlens zeitgenössischer literarischer Quellen) besonders hohe Bedeutung epigraphischer Texte für die Rekonstruktion des Bar Kochba-Aufstandes aufmerksam (212–228) und skizziert den Verlauf und die Folgen dieser jüdischen Erhebung gegen Rom (229–244). Zwei Untersuchungen befassen sich mit römischen Militärdiplomen, mittels derer u. a. verdienten Legionären das Bürgerrecht verliehen wurde (245–255; 256–265), eine Untersuchung mit P. Berol. 21652 als Zeug-nis des administrativen Zusammenwirkens des ritterlichen Finanzprokurators einer Provinz mit seinem Stellvertreter, einem kaiserlichen Freigelassenen (266–274), eine Untersuchung mit der Konfis-kation jüdischen Grundbesitzes zwecks Abfindung der Veteranen nach dem Bar Kochba-Aufstand (275–283) und eine Untersuchung schließlich mit den inhaltlichen Entsprechungen zweier bei Aquincum ausgegrabener poetischer Sarkophaginschriften einerseits und lateinischer Epigramme aus Syria Palaestina andererseits (284–295). Letztere können, so E., als Belege für einen (insbesondere durch Le- gionsangehörige beförderten) »Kulturtransfer« gewertet werden (293 f.). Beigegeben sind ein Verzeichnis der Orte der Erstpublika-tion (297 f.) sowie Register der Namen (299–302), Orte (303 f.) und Sachen (305–307).
Die in dem instruktiven Sammelband enthaltenen Aufsätze des profilierten und international renommierten Experten für die römische Kaiserzeit und für lateinische Epigraphik stellen allesamt gründliche und beachtenswerte Beiträge zur althistorischen Forschung dar, die auch für die Erhellung der Lebenswelt des antiken Judentums und des frühen Christentums von überaus hohem Wert sind.