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Ausgabe:

April/2015

Spalte:

348–350

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Münnich, Maciej M.

Titel/Untertitel:

The God Resheph in the Ancient Near East.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2013. XIV, 320 S. m. Abb. = Orientalische Religionen in der Antike, 11. Lw. EUR 114,00. ISBN 978-3-16-152491-2.

Rezensent:

Judith Filitz

Der Gott Rešef (R.) hat in letzter Zeit zunehmend wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten, Beispiel dafür ist die Monographie von Maciej M. Münnich. Es handelt sich um seine Habilitation, die – zunächst auf Polnisch verfasst – 2012 von der Katholischen Universität Lublin angenommen wurde. Anders als ältere Werke geht M. nicht von den ikonographischen, sondern nur von den schriftlichen Belegen aus, die er vollständig präsentieren will. Dafür gliedert er die Arbeit in drei Abschnitte, in denen er das 1.–3. Jt. v. Chr. betrachtet. Einzelne Regionen werden separat behandelt und alle Belege R.s mit Übersetzung als Katalog aufgelistet. Bei hoher Anzahl der Texte unterscheidet M. zwischen Nennung des Gottes und theophoren Namen. Daran schließt er jeweils eine Deutung an, wobei einzelne Texte kurz vorgestellt werden und auf verschiedene Aspekte R.s und seines Kultes eingegangen wird. Einzig das Kapitel zu Israel analysiert die Belege ausführlicher. Gerahmt wird die Arbeit von einer Einleitung, etymologischen Überlegungen sowie einem abschließenden Fazit. Ferner beinhaltet die Arbeit eine Liste über Opfergaben in Ebla, eine Übersicht zur Erwähnung R.s in den Quellen, ein Literaturverzeichnis, sechs Abbildungen und fünf Register.
Im Vorwort beschreibt M. sein Ziel: »to depict an incredible portrait of a widely worshipped deity« (1). Dafür will er die regional wie zeitlich unterschiedlichen Vorstellungen von R. und seinem Kult zu einem Bild zusammenfügen. Die Philologie wird zugunsten der Religionsgeschichte vernachlässigt. M. stellt kurz wichtige Überblicksliteratur ab der Mitte des letzten Jh.s vor. Seine eigene Arbeit scheint er in Anlehnung und Abgrenzung zu Lipiński (2009) zu verorten, was an vielen Stellen deutlich wird.
Im 3. Jt. beginnt M. mit Ebla (13–68), wofür er 215 Belege für den Gott und 60 Namen anführt. R. war dort ein wichtiger Gott, der auch in ortsgebundenen Hypostasen auftrat. Dabei wurden ihm heilende und kriegerische Eigenschaften zugeschrieben. Die Identifikation mit Nergal kann nicht für den angeblich chthonischen Charakter R.s herangezogen werden: Nergal war zu dieser Zeit kein Unterweltsgott. Für Elam (69) lassen sich kaum Belege finden. Gleiches gilt im 2. Jt. für Babylon (79), Byblos (120 f.), Alalach (122 f.), Anatolien (200) und Kanaan (201–205) sowie im 1. Jt. für Ammon (238 f.) und den punischen Bereich (257 f.).
Im Abschnitt zum 2. Jt. werden zuerst Texte aus Nordmesopotamien angeführt (73–78), in denen R. 21 Mal vorkommt, davon 17 Mal als theophores Element. R. wurde hier vermutlich als Schutzgott wahrgenommen. Ägypten (80–119) bietet mit 45 Erwähnungen R.s und elf Namen weitere Zeugnisse. Während in der 13. Dynastie der Kult primär in der semitischen Bevölkerung bekannt war, förderte Amenhotep II. (18. Dynastie) die Verehrung R.s. In den zwei folgenden Dynastien breitete sich der Kult auch in der privaten Frömmigkeit über ganz Ägypten und Nubien aus, nahm dann aber im 1. Jt. wieder rapide ab. Man assoziierte ihn mit Krieg und Pferden, im privaten Kontext war er für Schutz und Heilung zuständig. Hierher gehört auch die Triade von Qud šu, Min und R. Noch breiter ist R. in Ugarit bezeugt (124–169): M. nennt 52 Belege für den Gott und 129 Personennamen. Letztere verweisen auf eine starke Verwurzelung im privaten Kult. Insgesamt war R. ein wichtiger Gott für die elitäre und einfache Bevölkerung und wurde mit Krankheit und Krieg assoziiert. Man identifizierte ihn mit Nergal, jedoch geht M. davon aus, dass bei gleicher Schreibung zuerst an R. gedacht wurde. Es spricht auch hier nichts eindeutig für einen chthonischen Charakter. Auffällig ist, dass R. in mythischen Texten keine Rolle spielt. Auch in Ugarit gab es örtliche Hypostasen von R., die Frage nach dem Tempel bleibt aufgrund der Quellenlage jedoch unbeantwortet. Für Emar (170–199) zählt M. 164 Personennamen und 29 Nennungen R.s, wobei Letztere keine syllabische Schreibung aufweisen und so die Abgrenzung zu Nergal erschweren. M. kommt dennoch zu dem Schluss, dass R. zwei Tempel hatte und eine Nähe zum Handel aufwies. Er geht daher von einer breiten Verehrung in der Bevölkerung aus.
Ein schlecht erhaltenes Stelenfragment aus Tell Sifr (209) eröffnet das 1. Jt.: M. vermutet den Götternamen und so die Verehrung in höheren Bevölkerungskreisen. Für Kilikien (210–214) führt er vier Belege aus dem 8. bis 7. Jh. an, allerdings ohne Personennamen. Vermutlich ist R. zu einem deus otiosus geworden und wurde kaum noch aktiv verehrt. Ähnlich sieht es M. bei den phönizischen Zeugnissen (zwei Orts- und sechs Personennamen, 240–245). Interessant sind die biblischen Belege (215–237), wobei hervorzuheben ist, dass M. auch den Namen in 1Chr 7,25 analysiert. M. sortiert die Texte absteigend nach dem Grad der Eigenständigkeit R.s. Eine solche erkennt er in Hab 3,5 und Dtn 32,24 bei gleichzeitiger Unterordnung unter Jhwh. Beide Texte sind laut M. vorexilisch (wobei das Alter von Hab 3,5 mit dem 10.–8. Jh. sehr hoch angesetzt wird). Gleiches gelte für 1Chr 7,25, allerdings ist die Datierung unsicher und hierin den Beleg für einen bekannten R.-Kult zu sehen erscheint optimistisch. In nachexilischer Zeit wurde der Name ein »common noun« (224–236; Ps 76,4; 78,48; Hi 5,7; Hoh 8,6; Sir 43,18) mit Bezug zu Hitze, was in der Verbindung mit Krankheiten begründet sein kann. Im hellenistischen Alexandria assoziierte man R. mit Vögeln. Bekannt war R. auch auf Zypern: Hier liegen 13 Erwähnungen R.s und sieben Personennamen vor. R. gelangte wohl über die semitische Bevölkerung auf die Insel und wurde vom 2. Jt. bis in die hellenistische Zeit verehrt, besonders in sozial höheren Kreisen. Auch hier gab es verschiedene örtliche Typen, wobei seine Verbindung zu Krieg und Krankheit im Vordergrund stand. Darüber hinaus wurde R. auf Zypern mit Apollo identifiziert. Die zwei jüngsten Belege für R. stammen aus dem Palmyra der Zeitenwende (259 f.). Auch hier sieht M. keine eindeutige Verbindung zur Unterwelt.
Das Fazit bietet eine kurze Geschichte des Kultes (261–267): Das Zentrum lag in Syrien und der Kult breitete sich vor allem im 2. Jt. aus. Nach M. fiel der Gott den Veränderungen am Ende der Bronzezeit zum Opfer und wurde u. a. vom phönizischen Gott Ešmun beerbt. Für das 1. Jt. gibt es daher kaum Belege, wobei die isolierte Insel Zypern eine Ausnahme darstellt. Sichere Hinweise auf eine Verbindung mit der Unterwelt gibt es nicht.
M.s Argumentation setzt zuweilen eine hohe Kenntnis der Sachlage voraus, so dass weitere Hinweise hilfreich wären. Auch bei der Zusammenfassung fehlen Erläuterungen, insofern als z. B. die Erklärung für den Rückgang des Kultes nachvollziehbar ist, in der Argumentation aber überrascht und kaum ausgeführt wird. Darüber hinaus zieht M. zwar nicht unbegründete, aber bisweilen spekulative Schlüsse, so beispielsweise zur Verbreitung des Kultes in der Bevölkerung.
Die kanaanäischen Texte könnten auch Teil des Israel-Kapitels sein, um die Vorstellung zu vermeiden, Zeugen für ein wie auch immer zu verstehendes »Israel« würden sich auf biblische Texte beschränken. Die Datierung dieser Texte ist darüber hinaus nicht immer nachvollziehbar. Hervorzuheben ist die Herausarbeitung des nichtchthonischen Charakters von R., was gerade in der älteren Literatur anders dargestellt wird. Insgesamt handelt es sich um eine übersichtliche und gut lesbare Zusammenstellung der schriftlichen Zeugnisse über R. und seinen Kult. Gerade die Vollständigkeit der Quellen hebt die Monographie von anderen Werken über R. ab. Inhaltliche Abgrenzungen erfolgen oft in Detailfragen. Für ein ganzheitliches Bild, wie es M. zeichnen will, ist aber auch ein detaillierter Blick auf die Ikonographie R.s wichtig, was M. zwar an einigen Stellen, aber leider nicht durchgehend anbietet.