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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

75–76

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Otte, Hans [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Evangelisches Klosterleben. Studien zur Geschichte der evangelischen Klöster und Stifte in Niedersachsen

Verlag:

Göttingen: V & R unipress 2013. 394 S. m. 39 Abb. = Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens, 46. Geb. EUR 54,99. ISBN 978-3-8471-0066-9.

Rezensent:

Reinhold Rieger

Nachdem der Mönch Martin Luther heftige Kritik am Mönchtum seiner Zeit und generell geübt hatte und andere Reformatoren das monastische Klosterleben nicht mehr dulden wollten, ist es erstaunlich, dass dennoch in von der Reformation geprägten Ländern viele Klöster nicht aufgehoben wurden, sondern unter neuen Bedingungen weiterbestanden oder weitergepflegt wurden. Be­sonders in Niedersachsen bestehen noch heute viele Klöster, so »dass es in Niedersachsen geradezu eine evangelische Klosterlandschaft gibt« (12). Der vorliegende Band dokumentiert die Vorträge einer Tagung von 2009 im Kloster Medingen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Geschichte der evangelischen Klöster in Niedersachsen unter verschiedenen Aspekten aufzuhellen. Die 19 Beiträge behandeln in einer ersten Gruppe die reformatorischen Voraussetzungen, in einer zweiten das innere, geistliche und soziale Leben in den Klöstern, drittens Einzelbeispiele und schließlich das kultu-relle Erbe der Klöster. Die hauptsächlichen Aspekte, unter denen die Geschichte der Klöster betrachtet werden, sind der ökonomische (vor allem Beiträge von Boettichers und Hesses), der soziale (vor allem Beiträge von Düselder und Graf), der spirituelle (vor allem Beiträge von Oldermann, Dösinger, Talkner) und der kulturelle Aspekt (vor allem Beiträge von Stork, Pfeiffer, Brandis, Talkner). Der Hauptschwerpunkt liegt auf Frauenklöstern, nur der Beitrag von Christof Römer behandelt die benediktinischen Männerklöster Northeim, Reinhausen und Bursfelde.
In der Einleitung berichtet der Herausgeber, der welfische Herzog habe in der Reformationszeit wegen des Widerstandes darauf verzichtet, die Frauenklöster aufzulösen, ihnen aber einen evangelischen Prediger verordnet und ihr Vermögen zum fürstlichen Kammergut gezogen. Im Fürstentum Wolffenbüttel, das mit Hilfe des Tübinger Universitätskanzlers Jakob Andreä reformiert wurde, war die Kirchenordnung Württembergs auch für die Klöster vorbildlich.
Der den Band wegen der Orientierung an Württemberg eröffnende Beitrag von Immo Eberl über die evangelischen Klosterschulen in Württemberg und angebliche »katholische Klostertraditionen in evangelischer Theologenausbildung« ist merklich aus einer römisch-katholischen Perspektive geschrieben. So behauptet Eberl: »Der Protestantismus hatte seit seinem Entstehen Schwierigkeiten, das Wesen des Mönchtums zu verstehen.« (21) Wie kann das sein, wenn er auf den Mönch Martin Luther zurückgeht, der von sich erzählt, er sei ein besonders gewissenhafter Mönch gewesen? Hat nicht vielleicht die Reformation das Mönchtum besser verstanden als dieses sich selbst? Auch die Bewertungen des Autors erfolgen vom katholischen Standpunkt aus, für den das evangelische Klos­terleben »von außen her quasi künstlich am Leben erhalten wird« (23). Die Traditionen, die in den zu Klosterschulen umgewandelten Klöstern in Württemberg aus der Zeit vor der Reformation übernommen wurden, als katholisch zu bezeichnen, ist insofern anachronistisch, als das Katholische im Gegensatz zum Evangelisch-Protestantischen sich erst nach der Reformation herausbilden konnte, während vorher die Kirche eben vorreformatorisch war.
Die folgenden beiden Beiträge von Manfred von Bötticher und Andreas Hesse berichten über die wirtschaftliche Überführung der Klöster Niedersachsens in die fürstlichen Kammern und darüber, dass sie im 19. Jh. durch Klosterkammern und Klosterfonds verwaltet wurden. Walter Jarecki stellt die Kritik von Verdener Dompredigern am Leben im Kanonikerstift vor. Renate Oldermann und Franziska Dösinger berichten vom geistlichen Leben und pädagogischen Wirken in evangelischen Frauenklöstern im Jahrhundert nach der Reformation und im 18. Jh. Heike Düselder zeigt die Be­deutung der Frauenklöster für die Versorgung von Töchtern des Adels. Henrike Anders und Inge Mader stellen bedeutende evan-ge-lische Äbtissinnen vom Ende des 17. Jh.s und vom Anfang des 18. Jh.s vor. Das klösterliche Leben schildern Ida-Christine Riggert-Mindermann und Birgit Hoffmann an wichtigen Beispielen zweier Frauenklös­ter. Die kulturellen Aktivitäten in evangelischen Frauenklöstern erstreckten sich auf Liedmusik (Katharina Talkner), auf die Pflege von Klosterarchiven (Wolfgang Brandis), auf den Verkauf von mittelalterlichen Handschriften (Hans-Walter Stork), auf den Erwerb von Kunstwerken (Götz J. Pfeiffer).
Einige Beiträge sind mit Schwarz-Weiß-Abbildungen ausgestattet. Leider fehlen eine Karte mit den Klosterstandorten und ein Ortsregister. Auch werden manche ein Autorenverzeichnis vermissen.
Insgesamt bietet der Band ein facettenreiches Bild des evange-lischen Klosterlebens in Niedersachsen seit der Reformation.