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Ausgabe:

Oktober/2014

Spalte:

1194–1196

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Nonnenmacher, Burkhard

Titel/Untertitel:

Hegels Philosophie des Absoluten. Eine Untersuchung zu Hegels »Wissenschaft der Logik« und reifem System.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2013. XI, 165 S. = Collegium Metaphysicum, 6. Kart. EUR 54,00. ISBN 978-3-16-152185-0.

Rezensent:

Christian Danz

Bei der hier anzuzeigenden Studie von Burkhard Nonnenmacher handelt es sich um eine »gekürzte und überarbeitete Version« einer Dissertationsschrift, welche »im Sommersemester 2005 von der Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München« (VII) als Dissertationsleistung angenommen wurde. Die Untersuchung ist bei Peter Reisinger und Stefan Büttner, zwei ausgewiesenen Kennern der Philosophie des Deutschen Idealismus, entstanden, und sie widmet sich der großen Logik Hegels. N. möchte einen Beitrag zur Rekonstruktion von dessen reifer Philosophie leisten, indem »Hegels Philosophie des Absoluten als eine maßgeblich am Verhältnis von Dargestelltem und Darstellung orientierte Philosophie des Absoluten« (7) entfaltet wird. Dieses Verhältnis von Ausgedrücktem und Ausdruck, von entfaltetem System und Absolutem wird anhand der Wesenslogik der Wissenschaft der Logik luzide auf eine argumentationsanalytische Weise von N. rekonstruiert.
Der Aufbau der Studie in drei Teilen und insbesondere das Verhältnis der Teile 2 und 3 (vgl. 139) resultieren aus deren Argumentationsziel. Auf eine Einleitung (1–27), welche in die Themenstellung, die Methoden sowie leitende Grundgedanken einführt, folgt im 1.Teil: Der Weg zum Programm einer absoluten Einheit von Ausgedrücktem und Ausdruck (29–37) eine Einordnung des Hegelschen Programms einer spekulativen Philosophie in den debattengeschichtlichen Kontext. Er wird durch Leibniz und Spinoza (29 f.), die Kantische Transzendentalphilosophie sowie deren Weiterführung durch Fichte und Schelling (31–34) repräsentiert. Vor diesem problemgeschichtlichen Hintergrund konzipiert Hegel seine Philosophie des Absoluten als Einheit von Ausgedrücktem und Ausdruck, um ebenso einen Dualismus von Endlichem und Unend-lichem wie einen monistischen Pantheismus zu vermeiden.
»Denn Hegels Antwort im Blick auf eine zwischen Monismus und Dualismus abwägende Philosophie ist schlicht, daß einerseits dualistische Positionen, in einem absoluten Sinne betrachtet, insofern Ungedanken sind, als sie notwendig eine monistische Position voraussetzen müssen, und daß andererseits monistische Positionen aber das Viele und Differente nicht einfach von sich ausschließen können.« (35)
Hegels Philosophie des Absoluten kommt damit als ein systema-tischer Umgang mit dem Problem von Identität und Differenz in den Blick, welches seine Lösung in einer differenzierten Zuordnung von Erscheinendem und Erscheinung findet. So sehr das Absolute momentan von seiner Erscheinung unterschieden ist, so wenig ist es ohne diese. Diese Konstellation erfordert eine systematische Entfaltung des Absoluten in Gestalt des Systems. Dessen Begriff zu entfalten, ist die Aufgabe des zweiten Teils der Studie – Hegels Logik und System des Absoluten (39–96). Er soll »den Gehalt der Idee absoluter Selbstbezüglichkeit« entwickeln und »Hegels im System-Ganzen konstruierten Begriff absoluter Selbstbezüglichkeit in seinen Grundzügen« (12) skizzieren. Entfaltet wird in diesem Teil der Studie von N. im Ausgang von den Paragraphen 14 und 15 der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften die absolute Idee in der Abfolge von Seins-, Wesens- und Begriffslogik. »Die absolute Idee ist damit die am Ende der Logik absolut entwickelte ›Einzelnheit‹, d. i. das absolut entwickelte sich auf sich beziehende Gesetztsein des Begriffs, die absolute Einheit von Allgemeinem und Besonderem.« (80) Die klare Rekonstruktion des Weges zu diesem Resultat kann auf dem knappen Raum einer Besprechung nicht im Detail vorgestellt werden.
Aufschlussreich und sehr erhellend sind die Ausführungen von N. zu Hegels Begriff des Systems als Konstruktion des Absoluten als System. Es wird von dem Berliner Philosophen mit der Metapher Kreis beschrieben. N. nimmt die Metapher beim Wort. Für sein Vorgehen heißt das, »daß der Anfang des Endes in der Tat aus dem Ende hervorgeht oder das Ende zu seinem Anfang wird, nicht nur zu seinem Anfang in modifizierter Form« (53). Die argumentationslogische Rekonstruktion dieser Figur in der gedanklichen Entfaltung des Systems – einschließlich der freilich nur angedeuteten Realphilosophie (vgl. 87–95) – arbeitet das differenzierte Verhältnis von Ausgedrücktem und Ausdruck heraus. Die begriffliche Systementfaltung begreift sich in der Begriffslogik selbst als Ausdruck des Absoluten, d. h. »als absolute und selbstbestimmte Selbstvermittlung, in der sich das Ende als Begriff dasjenige selbst bestimmt, als dessen Wahrheit er sich selbst begreift und hierin allererst für sich konkret wird« (73).
Der entfaltete Begriff der absoluten Idee, Selbstexplikation an der Stelle seines Andersseins zu sein, wie er im zweiten Teil skizziert wurde, fungiert gleichsam als das Allgemeine, dessen Besonderheit der dritte Teil – Die Durchführung des Entwickelten in den wesenslogischen »Reflexionsbestimmungen« (97–138) – anhand des zweiten Teils des ersten Abschnitts der Wesenslogik argumentationsanalytisch rekonstruiert. N. widmet sich in diesem Teil seiner Studie den Reflexionsbestimmungen der Identität, des Unterschieds und des Widerspruchs und geht am Ende auf das Sichübersetzen des Widerspruchs in den Grund ein. N. möchte auf eine argumentativ ausgewiesene Weise zeigen, »wie die Entwicklung vom ›absoluten Unterschied‹ in den ›Grund‹ die Notwendigkeit der Frage nach der Einheit von Ausgedrücktem und Ausdruck begründet und hierin bestimmte Begriffe absoluter Selbstbezüglichkeit präsentiert« (105). Dieser Grundgedanke wird zunächst auf der Reflexionsebene des Grundes erreicht. Auf ihr konkretisiert sich das absolute Selbstverhältnis »als Einheit von Wesen und Erscheinung« (137), dessen entfalteten Begriff der zweite Teil der Studie entwickelte.
Mit seiner dichten und gedanklich klaren Untersuchung zu Hegels Philosophie des Absoluten als Einheit von Ausgedrücktem und Ausdruck hat N. einen wichtigen Beitrag zur argumentativen Erschließung von Hegels Logik, insbesondere der Wesenslogik, vorgelegt. Auffällig ist allerdings vor dem Hintergrund seiner – durchaus zutreffenden – Einschätzung, »daß der Übergang der ›Reflexionsbestimmungen‹ in den ›Grund‹ in der Hegel-Forschung bislang unterbestimmt geblieben ist« (101), dass N. die einschlägigen Untersuchungen Falk Wagners zur Wesenslogik nicht herangezogen hat.