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Ausgabe:

Oktober/2014

Spalte:

1168–1169

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Neuheuser, Hanns Peter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Bischofsbild und Bischofssitz. Geistige und geistliche Impulse aus regionalen Zentren des Hochmittelalters.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2013. VIII, 238 S. = Archa Verbi. Subsidia, 9. Geb. EUR 39,80. ISBN 978-3-402-10223-7.

Rezensent:

Hubertus Lutterbach

Der Kunsthistoriker und Theologe Hanns Peter Neuheuser legt einen Sammelband vor, dessen Beiträge zu einem großen Teil auf eine 2007 in Bamberg organisierte Tagung zur Bedeutung hochmittelalterlicher Bischofssitze als geistige Zentren und Orte der Verkündigung zurückgehen. Die Autoren der acht Aufsätze wollen die »Kirchengeschichtsforschung als genuin theologische Forschungsdisziplin« profilieren und berücksichtigen dabei die Wechselwirkungen von Theologie- und Sozialgeschichte.
Der entwicklungsgeschichtlich argumentierende Beitrag von Frank G. Hirschmann, Bischofssitze und Bildungszentren im hohen Mittelalter (1–27), arbeitet die Hochzeit der Bischofssitze als Bildungszentren um die Jahrtausendwende heraus, bevor sie ab dem 13. Jh. aufgrund der Bettelorden an Bedeutung einbüßten. Der Aufsatz von Markus Schütz, Neue Bistümer, neue Bücher? Die Erstausstattung der Dombibliotheken in Bamberg und Merseburg als Indikator für zugedachte Zentralfunktionen (29–61), macht plausibel, dass die Bischofssitze in Bamberg und Merseburg schon bald nach ihrer Gründung über eine komplette Bibliothek verfügten. Die exegetischen, patristischen oder kanonistischen Schriften entstammten Altbeständen; liturgische Bücher stellte man als neue Abschriften ein. Ulrike Siewert, Die Bedeutung des Kollegiatstiftes St. Stephan in der Bischofsstadt Bamberg von der Bistumsgründung bis zum ausgehenden Mittelalter (63–88), erläutert die Schlüsselrolle des wissenschaftlich bislang kaum gewürdigten ältesten Bamberger Kollegiatstiftes als Brücke zwischen sakraler und säkularer Welt, da die Kanoniker in Diensten geistlicher und weltlicher Herren standen sowie bei St. Stephan über eine Schule mit guter Ausstattung verfügten. Die Darstellung von Hanns Peter Neuheuser, Hierarchia. Zur Auszeichnung von Bischof und Bistumssitz mit dem Rationale. Das spätottonische Bischofsbild des Regensburger Uta-Kodex in der Deutung des Hebräerbriefs (89–133), setzt sich die kunstgeschichtliche Erschließung des hochmittelalterlichen Bischofsbildes anhand der ikonographischen Darstellung von Bischof Erhard aus Regensburg († 715/717) zum Ziel. Domenico Parducci, Bischöfe und Bischofssitze in der hochmittelalterlichen Toskana (135–146), erhellt die sozio-religiöse Rolle und die institutionelle Präsenz der Bischöfe innerhalb der toskanischen Bürgerschaften und erweitert damit die Perspektive der für diese Thematik bislang maßgeblichen verfassungsgeschichtlichen Un­tersuchungen. Daniel Baumann, Stephen Langton und sein Bi­schofssitz Canterbury (147–172), zeigt, dass Stephen Langton zwar nur selten in Canterbury residierte, allerdings seine Autorität von diesem Bischofssitz her bezog und ihn dadurch stärkte, dass er den Kult um Thomas Becket († 1170), einen seiner Amtsvorgänger, signifikant ausbaute. Ludwig Vones, Bischofssitze als geistige Zentren eines katalanischen Kulturraumes im 10. Jh.: Barcelona, Vic und Girona (173–203), zeigt am Beispiel von Oliba († 1046), Bischof von Vic, wie dieser hochgebildete Mann und Förderer von Skrip-torien und Bibliotheken sein Bischofsamt verstand und seine Einwirkungsmöglichkeiten auf Friedensversammlungen ebenso nutzte wie bei kirchenpolitischen Entscheidungen oder voranweisenden Klostergründungen. Der Beitrag von Jürgen Bärsch, Der Bischof im Licht seiner Ordinationsliturgie im Mittelalter. Liturgiehistorische und liturgietheologische Anmerkungen zum Ritus der Bischofsweihe im Pontificalis ordinis liber des Wilhelm Durandus d. Ä. (1293/1295) (205–229), argumentiert entwicklungsgeschichtlich, wenn er das hochmittelalterliche Bischofsbild mit Hilfe liturgiegeschichtlicher Zugänge konturiert. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er der Haupt- und der Händesalbung bei der Bischofsweihe, denn diese Akte wiesen den Bischof als ›Gesalbten des Herrn‹ aus und akzentuierten seine hohepriesterliche Funktion. Insgesamt werde im hochmittelalterlichen Bischof »mehr die einzelne Amtsperson, denn der Teilhaber am universalen Episkopat« betont, wie Bärsch unter Berücksichtigung auch religionsgeschichtlicher Interpretamente resümiert.
Im Ergebnis überzeugt der vorgelegte Sammelband aufgrund seines Perspektivenreichtums, in dessen Rahmen die Autoren der Theologie(-geschichte) eine wichtige Rolle für das Verständnis des Bischofs im Hochmittelalter zuweisen. Auch wenn die Beiträge zeitlich zwischen dem 11. und 13. Jh. sowie räumlich zwischen England und Spanien ausgespannt sind, stehen sie aufgrund des von allen Autoren aufgenommenen Leitmotivs »Bischofsbild und Bischofssitz« in einem klaren inhaltlichen Zusammenhang. Theologisch hervorhebenswert ist erstens der in vielen Beiträgen durchklingende Tenor, dass die hochmittelalterlichen Bischofssitze als besondere Orte der Bildung und des Kulturtransfers – gewissermaßen als hochmittelalterliche Kulminationspunkte der Buchreli-gion Christentum – ausgewiesen waren. Zweitens kommt dem Beitrag von Jürgen Bärsch eine Schlüsselbedeutung für das Ge­samtensemble der Beiträge zu, weil er das hochmittelalterliche Bischofsbild vielschichtig vom Bischofsbild früherer Epochen ab­grenzt.