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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1091–1092

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Üffing, Martin [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Mission seit dem Konzil.

Verlag:

Sankt Augustin: Steyler Verlag 2013. 224 S. = Studia Instituti Missiologici SVD, 98. Kart. EUR 22,90. ISBN 978-3-8050-0606-4.

Rezensent:

Michael Biehl

Das Steyler Missionswissenschaftliche Institut, St. Augustin, be­trachtet das Jahr 1962, den Beginn des 2. Vatikanischen Konzils, als sein Gründungsjahr. Acht Autoren und eine Autorin blicken aus Anlass dieser Jubiläen zurück auf 50 Jahre römisch-katholische missionstheologische Reflexion. Das Konzil wird als der Ausgangspunkt epochaler Erneuerungen vorgestellt: Die römisch-katholische Kirche wurde als Weltkirche sichtbar, seitdem versteht sie Mission als Daseinsgrund und Dimension von Kirche und als Kommunikation des Evangeliums in der Welt. Der letzte Aspekt bedeutete die Absage an eine geographisch orientierte »Heiden«-Mission und zog ein anderes Zugehen auf die Vielfalt der Religionen, Kulturen und die Moderne nach sich, was mehrere Beiträge aufgreifen.
M. Sievernich gibt zunächst einen Überblick über diese neuen Perspektiven und zeichnet nach, wie sie sich in der nachkonziliaren Zeit bewähren mussten, die von der Dekolonisation in den ehemaligen Missionsgebieten und einer Ablehnung von Mission geprägt war. Seit damals werden Mission und Evangelisierung als Nachdenken über das Wirken der Kirche in den Kulturen und Religionen verstanden, und das führt heute zum Schritt von der Inkulturation zur Interkulturalität. Die Verschiebung des Schwerpunktes des Christentums, die Vielfalt der missionarischen Situationen, die Rolle des Geistes in der Mission, auch im Gegenüber zur pfingstcharismatischen Bewegung, sowie die Suche nach Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt werden als neue Herausforderungen genannt.
Der evangelische Missionstheologe A. Feldtkeller skizziert protestantische Entwicklungen in der gleichen Epoche. Die Integration von Kirche und Mission forderte die Anerkennung der ehemaligen Missionsgemeinden als Kirchen, und besonders das spätere verheißungsgeschichtliche Modell betonte die Mission der (Orts-) Kirchen. Trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen scheinen Parallelen in den Missionstheologien auf, wie z. B. das Missio-Dei-Motiv oder die Suche nach dem gemeinsamen Leben mit allen Menschen, unabhängig von ihrem Glauben, was den Einspruch der evangelikalen Bewegung hervorrief. Die Betonung in den ka­tholischen Beiträgen der Beteiligung des ganzen, durch die Taufe berufenen Gottesvolkes an der Mission verstärkt den Eindruck solcher parallelen Entwicklungen.
Die Veränderungen seit dem Konzil werden in einem Durchgang durch die Großregionen der Welt aufgegriffen und ihre weitere kontextuelle Entwicklung dargestellt. Der Schwerpunkt des Beitrags von G. Collet zu Lateinamerika liegt auf der Weiterentwicklung der »Kirche der Armen« zur vorrangigen Option für die Armen in der Mission. Er erinnert besonders an den sogenannten Katakombenpakt für eine Kirche in Armut während des Konzils, der hier wiedergegeben wird. B. M. Bambu entwickelt im Dialog mit der Theologie von Jean-Marc Ela die Perspektive der Befreiung des christlichen Glaubens und der Kirche aus Machtstrukturen (Sklaverei, Kolonialismus). Befreiung aus Unterdrückung sowie die Sicherung der Fülle des Lebens für alle werden für Bambu jedoch nur gelingen, wenn die Kirche dazu mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeitet. G. Evers arbeitet für Asien die Bedeutung der Abkehr von der vorkonziliaren theologischen Verurteilung der »Heiden« heraus. Nachkonziliar mussten neue Formen des Kircheseins in der Begegnung mit Menschen anderen Glaubens entwi-ckelt werden, um authentische Ortskirche zu werden, die den Dialog des Lebens und des Glaubens pflegt.
Zwei Beiträge richten den Blick über die Regionen hinaus. U. Nothelle-Wildfeuer untersucht, wie gerade das erneuerte Missionsverständnis durch die Betonung des Dialogs mit Menschen und ihren Kulturen und der vorrangigen Option für die Armen die innere Verbindung von Mission und katholischer Soziallehre stärkt und prägnant verändert hat. P. Nawrot untersucht Kompositionen und Manuskripte geistlicher Gesänge in den jesuitischen Reduktionen. Die Aufnahme indianischer Melodien und Vorstellungen in geistliche Kompositionen der Zeit ist Beispiel einer In­kulturation, die geistlich und liturgisch und missionarisch weiterwirkte, selbst nachdem die Jesuiten aus Lateinamerika vertrieben worden waren.
M. Üffing, Direktor des Steyler Instituts, zeichnet vor diesem Panorama nach, wie die theologischen Neuansätze nach dem 2. Va­tikanum und die geschichtlichen Veränderungen Selbstverständnis und Aufgabe des Ordens verändert haben. Heute sei der Steyler Orden international und interkulturell und muss seine Ur­sprungsregion Europa als Missionsprovinz für den Orden ent-decken. Das zog Veränderungen nach sich, insbesondere einen prophetischen Dialog als Form der Mission in den missionarischen Situationen. Missionare müssen geistlich vielfältig und interkulturell ausgebildet sein, um diesen Dialog in den Kontexten führen zu können. Üffing konturiert die Aufgaben seines Ordens angesichts der Betonung des 2. Vatikanums, dass der Auftrag zum Zeugnis und zu Mission aus der Taufe erwachse, und damit eine Aufgabe der gesamten Kirche darstelle, nicht nur der Geistlichen oder der Missionare.
Der Rückblick auf 50 Jahre katholische Missionstheologie lohnt, vor allem durch die Verdichtung und die Zusammenschau von Regionen und Strömungen. Das ist erhellend, auch wenn vieles be­kannt ist. Aufschlussreich ist die Darstellung, welche Konsequenzen die Steyler für ihren Orden und das Institut daraus ziehen. Für ein Jubiläum ist einsichtig, dass das 2. Vatikanum als der Moment identifiziert wird, in dem die untersuchten epochalen Veränderungen bemerkt und in die Reflexion aufgenommen wurden, und dass vor allem nachgezeichnet wird, wie diese sich weiterentwickelt haben. Dadurch wird das 2. Vatikanum selbst zu wenig historisch betrachtet. Auch in der Darstellung der späteren Entwicklungen werden Gegenkräfte gegen die Veränderungen während und nach dem Konzil nur an wenigen Stellen angesprochen.