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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1083–1084

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Stenz, Udo

Titel/Untertitel:

Dem Logos zuhören. Anregungen für eine Theologie des Dialogs.

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 2013. 290 S. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-3-429-03615-7.

Rezensent:

Wolfgang Beinert

Die 2009 an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom angenommene theologische Dissertation des Ludwigshafener Pfarrers Udo Stenz (begleitet von einem freundlichen Vorwort seines Bischofs) ist angeregt worden durch eine Bemerkung Joseph Ratzingers im Blick auf das »Himmelskonzil« des Nikolaus von Kues (»De pace fidei«): Dort sammeln sich die bedeutendsten Männer der Welt um den göttlichen Logos, um die Wahrheit der Religionen herauszufinden. Demnach ist Dialog ein Beziehungsgeschehen, das sich vom Logos her mit den anderen Teilnehmern ergibt. Dass und wie die Partner zur Wahrheit kommen können, wenn und indem sie auf den Logos als den Dritten hören, ist das Thema der Schrift. Sie beginnt mit den philosophischen Grundlagen der These: Eignet sich der Dialog grundsätzlich dazu, wahre Aussagen auch darüber zu machen, was an sich den Menschen und seine Welt übersteigt – kann man mit anderen Worten überhaupt Theologie treiben?
Anhand der neueren religionsphilosophischen Diskussion von Husserl bis Buber auf dem Hintergrund der Philosophie Kants und Hegels arbeitet sich S. im ersten Kapitel zu einer positiven Antwort vor. Im zweiten Kapitel kann er dann die fundamentaltheologischen Grundlagen dieser Antwort legen. Der Ruf des Menschen nach dem Heiligen bleibt nicht ungehört. Gott selber teilt sich ihm mit. Daher konstituiert sich die Möglichkeit nicht nur mit, sondern auch dialogisch über ihn zu sprechen. Weil dieser Gott trinitarisch ist, ist auch der Dialog unter Menschen grundlegend trinitarisch strukturiert. Stenz lässt sich in diesem Abschnitt unter anderem von Klaus Hemmerle und der tschechischen Philosophin Jolana Poláková leiten.
Der eigentliche Zielpunkt all dieser langwierigen, nicht immer leicht zu lesenden Untersuchungen ist das Abschlusskapitel mit dem Titel »Kirche, die sich zum Dialog macht – kompetitive und relationale Perspektiven«. Hier geht es nicht mehr um scheinbar reine akademische Subtilitäten, sondern um die höchst praktisch orientierte Grundausrichtung der Kirche schlechthin. Im Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils hatte Papst Paul VI. in seiner Antrittsenzyklika »Ecclesiam suam« (1964) als neue Weise der Mission den Dialog herausgestellt. Er erblickte in ihm die Möglichkeit, die Menschheit näher an die Wahrheit heranzuführen. S. unterscheidet zwei Beziehungsweisen menschlicher Begegnung: Die kompetitive Beziehung fragt nach den Konsonanzen und Differenzen bei einem Gedankenaustausch, während die relationale oder dialogisch geführte Debatte nach den Möglichkeiten der Begegnung von der je eigenen Position aus sucht. Auf dem Hintergrund des päpstlichen Dokumentes wird durch die zweite Weise eine Theologie der Religionen ermöglicht, die ganz christologisch und damit auch genuin christlich bleibt (also kein reiner Diskurs mit offenem Ausgang werden kann), die aber die Chance hat, das Positive in den anderen Religionen zu erkennen, zu orten und fruchtbar für die ganze Menschheit, damit auch für die eigene Glaubensgemeinschaft, zu machen. Abschließend heißt es: »Das Sein in der Wahrheit wird nicht abgesprochen oder zuerkannt, sondern ver sucht, von Jesus Christus her zu erleuchten. In dieser Hinsicht kann jeder Dialog zum Hören auf den Logos werden.« Die Kirche ist so gesehen der »Schnittpunkt derjenigen Linien […], in denen der Logos sich der Welt und den Menschen untereinander mitteilen möchte« (263). S. greift, ohne es eigens zu betonen, auf Einsichten zurück, die schon in der Patristik gewonnen wurden, wenn die Väter von den spermata logiká, den Samenkörnern der Wahrheit in den anderen menschlichen Denksystemen sprachen. Er macht diese Einsichten aber auf dem Hintergrund des modernen Denkens verstehbar.
Die Einstellung offener Zuwendung der Christen zur sogenannten Welt ist in den letzten 50 Jahren seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils erheblich reduziert worden. Man zieht dem Dialog das »Schärfen der Profile« vor. Die prekäre Lage der Christenheit heute sollte uns allerdings zur schleunigen Besinnung verhelfen, dass nicht Kompetition, sondern Relation allein den dräuenden Gefahren für den allgemeinen Frieden wehren kann. Das gilt für die innerkirchlichen Auseinandersetzungen, das trifft zu für die ökumenischen Gespräche, für das Zusammenleben der Religionen und nicht zuletzt für den modus vivendi mit den Nichtglaubenden. Eine vorzügliche Grundlagenhilfe für diese weiß Gott außerordentlich komplizierte und manchmal auch angstbesetzte Aufgabe kann die hier vorliegende Untersuchung leisten.