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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1072

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Plieth, Martina

Titel/Untertitel:

Tote essen auch Nutella. Die tröstende Kraft kindlicher Todesvorstellungen.

Verlag:

Freiburg i. Br.: Kreuz Verlag 2013. 159 S. m. Abb. Geb. EUR 16,99. ISBN 978-3-451-61200-8.

Rezensent:

Erhard Holze

Als Martina Plieth im Jahre 2001 ihre Studie »Kind und Tod. Zum Umgang mit kindlichen Schreckensvorstellungen und Hoffnungsbildern« vorgelegt hatte, war das ein Durchbruch in der Enttabuisierung. Ihr Buch liegt inzwischen in der fünften Auflage vor und hat vielen Menschen in der Religionspädagogik von Schule und Gemeinde geholfen, sich auf das Gespräch mit Kindern über Sterben, Tod und Trauer offen und unbefangen einzulassen. P. selbst erlebt ihre mehrjährige Arbeit mit vielen hundert Kindern in Kindertagesstätten und Grundschulen als einen Lernprozess, bei dem sie keineswegs ausschließlich Lehrerin ist, sondern auch »Schülerin im Gegenüber zu den wahren Lehrmeisterinnen und Lehrmeistern. In dieser Konstellation gelang es mir zunehmend besser, über den Horizont des hier und heute Möglichen hinauszudenken und mich in Zukunftswelten einzufühlen, die außerhalb unserer sinnlichen Wahrnehmung liegen […] Ich habe dabei unerwartete und überraschende Einsichten erlangt, die mich bereichern, und konnte meine Sensibilität für Hoffnungszeichen im Umfeld von Sterben, Tod und Traurigkeit erheblich stärken.« (8)
Das authentische Material in Form von Kinderzeichnungen und -zitaten und die Erkenntnisse dieses Lernprozesses stellt sie in ihrem neuen Buch auch anderen Erwachsenen zur Verfügung, damit »Menschen, deren Kindheit schon länger zurückliegt, dazu angeregt werden, sich mit sich selbst und dem eigenen Todeskonzept auseinanderzusetzen«; dabei findet sie »kritische Fragen« und »produktive Antworten, […] die den eigenen Glauben auf Hoffnung hin neu entwerfen helfen« (8).
In sieben Kapiteln (»Symbole der Vergänglichkeit«, »Gräber und Friedhöfe«, »Die (geliebten) Verstorbenen«, »Die trauernd Hinterbleibenden«, »Der Tod als Gestalt«, »Das brutale Sterben«, »Das Leben nach dem Tod«) präsentiert P. Bilder und Aussagen von Kindern im Alter zwischen fünf und elf Jahren und widmet ihnen einfühlsame, nachdenkliche und tiefsinnige Interpretationen. Während für jüngere Kinder der Tod oft eine Sonderform geminderten Lebens ist, bedeutet er für ältere eher das Ende oder die Abwesenheit von Leben. In den Ausführungen zeigt sich, mit welch unglaublicher Vorstellungskraft und Ernsthaftigkeit Kinder über das Sterben, den Tod und das Danach denken: »Alle sterben nicht; dann wäre die Erde ja ganz leer«, »Wer kocht mir dann Kakao, wenn alle tot sind?«, »Wenn der Tod kommt, dann wird es ganz dunkel«, »Den Friedhof finde ich ganz gut. Ich geh da immer mit meiner Oma hin – den Opa harken«. Oder im Blick auf die »Transzendenz-Hoffnungen« (155): »Im Himmel darf man dann für immer bleiben«, und zwar »ohne Krieg, ohne Streit«, der Himmel ist »das Paradies von Gott«, wo Gott einen schon »erwartet«¡
Das Verdrängen des Todes ist »nicht lebensförderlich«: Wer nicht mit dem Tod umgeht »und alles, was auf ihn hindeutet, furchtsam ausblendet, nimmt sich selbst die Chance, die Kostbarkeit der nur begrenzt vorhandenen Ressource Leben zu erfassen, sich an ihr zu freuen und sie sinnvoll einzusetzen« (41). In dieser Überzeugung präsentiert und deutet P. viele eindrückliche Bilder von Tod und Leben. Aus der intensiven und authentischen Arbeit mit den Kindern zieht sie »Sinnlinien, die nach vorne führen« (44).