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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1019–1021

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Weckwerth, Andreas

Titel/Untertitel:

Ablauf, Organisation und Selbstverständnis westlicher antiker Synoden im Spiegel ihrer Akten.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2010. XI, 271 S. = Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsbände. Kleine Reihe, 5. Geb. EUR 39,00. ISBN 978-3-402-10912-0.

Rezensent:

Hanns Christof Brennecke

Seit seiner 2004 erschienenen Bonner theologischen Dissertation über die Synode von Toledo im Jahr 400 ist Andreas Weckwerth als Kenner der westlichen spätantiken und frühmittelalterlichen Synodalgeschichte ausgewiesen. In seiner hier anzuzeigenden Bonner latinistischen Dissertation will er die überlieferten Konzilsakten als eigenes Genus der spätantiken christlichen Literatur analysieren und Abläufe, Organisation und das Selbstverständnis der Synoden zu rekonstruieren versuchen.
Die zeitliche Eingrenzung bis 700 erscheint sinnvoll, die Be­schränkung auf die abendländische Überlieferung ist angesichts der Fülle des Materials zwar verständlich, für das Verständnis der synodalen Prozesse aber problematisch. Außerdem ist eine scharfe Trennung zwischen westlicher und östlicher Überlieferung vor allem für das 4. Jh. kaum möglich, wie die überaus komplizierte lateinische und griechische Überlieferung z. B. der Synode von Serdica (343) deutlich macht. Und durch die Beschränkung auf den Westen ergibt sich das Problem, die Synoden im weströmischen Reich und dann in dessen germanischen Nachfolgereichen, in denen es während ihrer unterschiedlichen »arianischen« (ho­möischen) Phasen auch homöische Synoden gegeben hat, von denen bis auf wenige Andeutungen aber keine Texte überliefert sind, je gemeinsam zu behandeln.
In Anlehnung an ältere Versuche definiert W. verschiedene Ty­pen von Synoden, was jedoch für das 4. und 5. Jh. nicht recht zu überzeugen vermag (besonders problematisch die sogenannte »Diözesansynode«). Überzeugend zeigt er dagegen, dass der nicht unproblematische Begriff »Akten« eine Fülle literarisch völlig un­terschiedlicher Textsorten umfasst und für alle überlieferten Do­kumente benutzt werden soll. Zu Recht stellt er fest, dass die Überlieferung eine Rekonstruktion des Ablaufes einer Synode kaum zulässt. Als besonders schwierig erscheint es vor allem, den Ort der Kanones im Ablauf einer Synode zu bestimmen. Nicht deutlich ge­nug wird auch das Zusammenwirken von Kaiser (dann im Westen Königen) und Synoden vor allem bei der Exekution von Synodalbeschlüssen. Seit Konstantin war die Synode zum wichtigsten institutionalisierten Bindeglied zwischen Kirche und weltlicher Macht geworden. Die weltliche Macht hatte die Pflicht (Kan. 5 von Antiochien), Beschlüsse der Synoden zu exekutieren. Wo der Kaiser das nicht tat, wie z. B. 345 bei der Absetzung Photins auf einer Mailänder Synode, waren Synodalbeschlüsse nicht durchführbar.
Der umfangreiche und überaus materialreiche zweite Hauptteil analysiert alle überlieferten Synoden in Spanien, Gallien, Nord-Afrika und Rom/Italien. Der Versuch, ein mehr oder weniger einheitliches Synodalschema zu erstellen, kann eigentlich nicht gelingen, aber die Untersuchung bietet eine Fülle interessanter Einzelbeobachtungen, auf die hier leider nicht eingegangen werden kann. Sehr deutlich sieht W. die mit einer Synode von Elvira verbundenen Probleme, wobei sich die Frage stellt, ob man überhaupt noch von einer Synode von Elvira zu Beginn des 4. Jh.s sprechen sollte. Eine wichtige Frage ist, welche Funktion eigentlich der Kaiser und dann die Könige auf einer Synode haben. Kann man den Kaiser bzw. die Könige als Laien bezeichnen? Konstantin sah das bekanntlich anders! Noch mehr als die spanischen entziehen sich die gallischen Synoden einer Systematisierung. Die Synode von Arles beruft 314 der Kaiser dorthin ein; es geht aber um das afrikanische Problem des Donatismus. Auch die 353 von Constantius II. nach Arles einberufene Synode ist keine gallische. Es geht ausschließlich um die Absetzung des Athanasius. Außerdem muss sie im Zusammenhang mit der Mailänder Synode von 355 gesehen werden.
Besondere Probleme ergeben sich auch hinsichtlich der afrikanischen Synoden, von denen eine überaus reiche Überlieferung nur für einen sehr kurzen Zeitraum von ca. 390–425 vorliegt. Für die Zeit davor und danach ist die Überlieferung sehr spärlich und lässt kaum Schlüsse zu. Es stellt sich die Frage, ob man die für Afrika bezeugten »Religionsgespräche« als Synoden verstehen kann. Hier geht es nicht um Debatten in der Kirche, sondern um Auseinandersetzungen zwischen einander als häretisch ansehenden ge­trennten Kirchen.
Die römischen und italischen Synoden sind zum Teil sehr schlecht bezeugt und stellen angesichts der besonderen Rolle des römischen Bischofs vor besondere Probleme. Jeder Versuch einer Typologie macht nur deutlich, wie fließend gerade hier die Grenzen sind. Die Mailänder Synode von 355 wird man kaum als interprovinziale italische Synode ansehen können. Es handelt sich ausschließlich um eine kaiserliche Initiative zur Verurteilung des Athanasius. Völlig aus dem Rahmen fällt auch die westliche Reichssynode von Rimini im Jahre 359, die nur zusammen mit ihrer östlichen Parallele in Seleucia und den sich unmittelbar aus beiden ergebenden Folgesynoden in Nike und Konstantinopel gesehen werden kann. An diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass die schon aus der Spätantike überkommene Klassifizierung der Synoden nach geographischen Räumen ihre sehr deutlichen Grenzen hat.
Anschließend diskutiert W. in einem vergleichsweise kurzen Teil die verschiedenen theologischen Begründungsmuster der Synoden hinsichtlich ihrer Entscheidungen. Zu Recht konstatiert er die geringen biblischen Bezüge in den Synodaltexten. Allerdings kann hier die griechische Synodalüberlieferung, vor allem die zum Teil sehr umfangreichen Synodalbriefe, das Bild korrigieren. Außerdem ist davon auszugehen, dass gerade die knappen Be­schlüsse in aller Regel nur epitomiert überliefert sind. Auch hinsichtlich der Berufung auf frühere Synoden und generell die Autorität der Väter bietet die griechische Überlieferung ein differenzierteres Bild.
Schwierig scheint es, generelle Aussagen über die Konsensgewinnung auf einer Synode und über die Geltung von Synodalbeschlüssen zu machen. Wo kein Konsens erreicht wurde, haben Synoden sich auch gespalten, wie vor allem in Serdica und Rimini deutlich wird. In Rimini hat der Kaiser dann einen Konsens mehr oder weniger erzwungen, indem die Teilnehmer vorher nicht abreisen durften. Völlig zu Recht macht W. darauf aufmerksam, dass gerade spanische und gallische Synoden nirgendwo sonst rezipiert wurden. Der Rezeptionsprozess muss wohl für jede Synode gesondert untersucht werden und ist oft spät erfolgt.
Die Arbeit bietet viele interessante Aspekte, hat aber ihr eigentliches Ziel nicht ganz erreicht bzw. m. E. auch gar nicht erreichen können. Die bruchstückhafte Überlieferung setzt hier deutliche Grenzen. Besonders bei der Synodalüberlieferung des 4. und 5. Jh.s ist zu kritisieren, dass hier nicht immer die aktuellen kritischen Editionen benutzt wurden und die Literatur nur selektiv herangezogen wurde. Aber die im Ganzen sehr anregende Arbeit lässt einen mit Spannung auf die von W. angekündigte Clavis der westlichen Synoden der Spätantike und des Frühmittelalters warten.