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Ausgabe:

Oktober/2013

Spalte:

1113–1114

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bullinger, Heinrich

Titel/Untertitel:

Werke. Abt. 2: Briefwechsel. Bd. 15: Briefe des Jahres 1545. Hrsg. v. R. Bodenmann, A. Kess, J. Steiniger.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2013. 746 S. Lw. EUR 138,00. ISBN 978-3-290-17664-8.

Rezensent:

Stefan Michel

Der 15. Band des Bullinger-Briefwechsels (HBBW) ist mit 259 Briefen (68 von B.; 191 an ihn) mit 80 Korrespondenten der bisher um­fangreichste. Eine differenzierte Einleitung von Reinhard Bodenmann (15–41) informiert eingangs zuverlässig über wichtige Themen und Ereignisse des Jahres 1545, die in den edierten Briefen zur Sprache kommen. Daneben verweist er z. B. auch auf interessante Details zum Thema Brief im 16. Jh.
Das Jahr 1545 ist überschattet von der Auseinandersetzung mit Martin Luthers »Kurtz[em] Bekenntnis« (1544), das den Abendmahlsstreit mit den Zürchern neu anfachte, und der Zürcher Entgegnung in Deutsch und Latein (»Warhaffte Bekanntnuß«). Die Briefe offenbaren z. B., dass B. die Entgegnung auf Luther planvoll an Fürsten (Ottheinrich von der Pfalz; Philipp von Hessen; Ulrich von Württemberg) und Theologen versendet hat, um seine Position deutlicher zu machen und zu zeigen, dass der Streit nicht von Zürich ausging. Viele Reaktionen waren positiv und brachten Unterstützung oder Anteilnahme für die Zürcher zum Ausdruck. Martin Bucer hingegen bedauerte die Zürcher Entgegnung, weil er befürchtete, dass Luther dadurch zu neuen Ausbrüchen gereizt werden könnte. – 1545 konnte auch die vierbändige Zwingli-Werkausgabe beendet werden, deren erste Bände 1544 erschienen. Das apologetische Moment dieser Ausgabe ist nicht zu leugnen, weil dadurch der theologische Standpunkt der Zürcher »aller Welt« nachprüfbar ge­macht werden sollte. Gelegentlich tauchen in diesem Zusam­menhang auch Pläne für eine Ausgabe der Werke des Johannes Oekolampad (265) auf, die jedoch nicht zustande kam.
Am Rande spielt weiterhin das Konzil eine Rolle, das von den Zürchern aber abgelehnt wird. Die Furcht vor einem Krieg ist in manchen Briefen zu finden, zumal Kaiser Karl V. den Krieg mit Frankreich beendet hatte und sich nun der Frage nach einem Religionsfrieden im Reich zuwendete. Deshalb wurden die Nachrichten vom Reichstag in Worms mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Der Fortgang des Wormser Religionsgesprächs wurde ebenfalls intensiv verfolgt.
Interessant sind zwei Briefe im Zusammenhang mit B.s Auseinandersetzung mit Johannes Cochläus (von B.: Nr. 2078 vom 1.2.; an B.: Nr. 2095 vom 11.3.). Die beiden Theologen schickten sich gegenseitig ihre Streitschriften und versuchten noch einmal durch einige persönliche Worte, den Gegner vom jeweils eigenen Standpunkt zu überzeugen. Der Brief B.s ist deshalb von besonderem Interesse, weil darin biographische Details mitgeteilt werden.
Intensiven brieflichen Austausch pflegte B. 1545 wieder mit Am­brosius Blarer in Konstanz (27 von ihm und 18 an ihn), indem sich beide u. a. über Bündnispläne zwischen Zürich und Konstanz auf dem neusten Stand hielten. Mit Johannes Gast in Basel (23 Briefe von ihm) tauschte sich B. über aktuelle Bücher aus. Oswald Myconius (14 Briefe von ihm und 9 Briefe an ihn) in Basel und Joachim Vadian in St. Gallen (11 von ihm und 7 an ihn) blieben ebenfalls bevorzugte Briefpartner. Zugleich ist der Einfluss Zürichs auf umliegende Städte und Landschaften wie Memmingen, Isny, Augsburg oder Bern deutlich zu erkennen.
Wie bei den vorherigen Bänden muss die sorgfältige Edition mit gründlicher Kommentierung anerkennend hervorgehoben werden. Seit seinem Beginn im Jahr 1973 hat der HBBW allerdings mehrfach seine Editionsrichtlinien modifiziert, was jeweils zu einer Erleichterung der Benutzungsmöglichkeiten führte. Auch dieser Band geht unter dem neuen Editoren-Team auf diesem Weg weiter. Diesmal wurde die Gestaltung der Regesten überarbeitet: Zum einen handelt es sich nun um »ausführlichere Zusammenfassungen«. Zum anderen wurden neue Sinnabschnitte in den Re­-gesten durch Gedankenstriche voneinander abgesetzt.
Ein freier Zugang auf der Internetseite des Instituts für Schweizerische Reformationsgeschichte zu den ersten 11 Bänden (Bd. 1 bis 10A) des HBBW, die den Zeitraum von 1524 bis 1540 abdecken, ist angekündigt (http://www.irg.uzh.ch/hbbw.html). Dies wird die Auswertung des HBBW nochmals erleichtern. Jedoch ermöglicht bereits bei diesem Band das sorgsam erstellte, umfangreiche Re-gis­ter (711–746) ein schnelles Auffinden gesuchter Informationen.
Der Mitteilung Fridolin Brunners aus Glarus vom 19. Januar 1545 (Nr. 2070), »dass Bullingers Werke [bzw. Bände der Briefausgabe] überall willkommen sind, also nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Italien«, kann auch heute noch aus reformationshistorischer Perspektive vorbehaltlos zugestimmt werden. Ein rascher Fortgang der Edition auf diesem hohen Niveau ist durchaus wünschenswert.