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Ausgabe:

Mai/1999

Spalte:

489–501

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gleis, Matthias

Titel/Untertitel:

Die Bamah.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1997. IX, 291 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 251. Lw. DM 168,-. ISBN 3-11-015690-3.

Rezensent:

Wolfgang Zwickel

Angesichts einer zunehmenden Anzahl von Untersuchungen zur Volksfrömmigkeit während des 1. Jt.s v. Chr. ist es mehr oder weniger zwangsläufig, daß nun auch eine Untersuchung zu den sog. Kulthöhen und den damit verbundenen Textstellen vorgelegt wird. Die Tübinger katholische Dissertation aus dem Jahre 1996 wurde von Prof. Niehr betreut. Mit einer Forschungsgeschichte (2-26) will der Autor aufweisen, daß es bis lang "verschiedene, z. T. gegensätzliche Deutungen von bmh" gibt (21).

Ob die Auswahl der von ihm dabei herangezogenen "Kronzeugen" recht günstig gewählt war, mag zumindest bezweifelt werden. Die maschinenschriftliche Dissertation von G. B. Brousseau wurde bisher mit gutem Grunde kaum rezipiert, die These von W. F. Albright, Höhen- und Totenkult zu verbinden, ist längst widerlegt, mit T. Oestreichers kleiner Schrift greift Gleis zwar einen wichtigen, aber immerhin bald 70 Jahre alten Beitrag auf, und S. Daniel beschäftigt sich vorwiegend mit der LXX-Interpretation der biblischen Texte. Die wichtige Arbeit von P. H. Vaughan, die sich vereinzelt in Fußnoten findet, wird dagegen nicht behandelt. G. gelingt es zudem nicht, forschungsgeschichtliche Entwicklungen und prägende Forschungsansätze, die zu neuen Erkenntnissen geführt haben, aufzuzeigen. Die Forschungsgeschichte bleibt so ein Sammelsurium von irgendwann irgendwo vertretenen Forschungsmeinungen.

Für seine eigene Untersuchung setzt G. einen diachronen Zugang zu den Texten voraus, der eine mögliche Begriffsveränderung des hebr. bmt im Laufe der Zeit aufzeigen soll. Ausgehend von der These, das AT sei nur eine Sekundärquelle, beginnt er mit einer Besprechung der Meschastele, die die einzige außerbiblische Quelle für eine kultische bmh darstellt (Z. 3 f.: "Und ich machte diese bmh für Kamosch in QRHH als Zeichen der Rettung ..."). Sein Ergebnis faßt G. folgendermaßen zusammen: "Im Unterschied zu den alttestamentlichen Belegen, die die bmwt dem Lokalkult zuordnen, handelt es sich hier um ein königliches Heiligtum. Dieses Heiligtum ist eher mit einem Tempel, vielleicht sogar mit der königlichen Kapelle in Jerusalem zu vergleichen. Moab. bmt entspricht deshalb hebr. bt [sic!, gemeint ist, wie an zahllosen anderen Stellen auch, jeweils byt] oder hebr. hykl (in der Bedeutung ,Staatsheiligtum’)."

Methodisch ergeben sich hier jedoch einige Einwände. Ein in einer anderen Sprache überliefertes singuläres Wort wie bmt sollte im Kontext benachbarter semitischer Sprachen, in diesem Fall durch Heranziehung des Hebräischen gedeutet werden. Die Deutung als Staatsheiligtum ist zwar richtig. Weil hier ein königlich finanziertes Heiligtum gemeint ist, kann man jedoch nicht eine offene Kultstätte von vornherein ausschließen und den Bau eines Tempels postulieren. Wir wissen bislang über den Kult in Moab noch sehr wenig. Trotz intensiver Grabungstätigkeit in Dibon wurde die Kultstätte bislang nicht erfaßt. Daher ist es schlechterdings unmöglich, Aussagen allein aus den dürftigen Angaben der Meschainschrift über die konkrete Gestalt der moabitischen bmh zu machen.

Im ersten mit biblischen Texten sich beschäftigenden Abschnitt (32-112) will G. den engen Bezug von Stadt und bmh belegen. Zunächst untersucht er dabei 1Sam 9 f. Dabei beobachtet er, daß in der Grundschicht dieses Textes (9,1-2a.3-8.10-12a. bab’*.13aa’b’*.b.14a.18*.19*.22a*.23a*.24b*.25-27*; 10,2-4.7.9) die bmh eines nicht näher genannten Ortes in Zuf entweder in der Nähe des Tores außerhalb der Stadtmauern oder aber in einem speziellen Heiligtumsbezirk in der Stadt selbst, in der Ergänzungsschicht sogar auf jeden Fall im Stadtgebiet liegt.

G. stützt sich dabei vor allem auf 9,14b. Da Samuel aber Saul und seinem Begleiter in der Stadt begegnet, um "zur bmh zu gehen bzw. hinaufzusteigen (hebr. ’lh)", ist es keineswegs gesichert, daß die bmh innerhalb der Stadtmauern lag. Auch aus 1Sam10,5.13 ist nicht zwingend zu entnehmen, daß die bmh von Gibea wirklich in der Stadt lag. Es heißt dort, daß Saul beim Betreten des Ortes, der wohl am ehesten mit Tell el-Ful identifiziert werden kann, einer Prophetenschar begegnen wird. Traut man dem Autor dieses Textes Ortskenntnisse zu, so ist es durchaus möglich, daß Saul, von Norden (Rama = Ramallah) kommend, erst am Tor auf eine Gruppe stößt, die von der einzigen naheliegenden Kuppe (Koord. 1724.1364) zum Eingang der Stadt kommt. Da diese Kuppe im Südosten Gibeas und damit jenseits des Reiseweges Sauls liegt, ist es angesichts der geringen Größe dieser Ortslage durchaus vorstellbar, daß man im Torbereich Musikanten hört, die soeben um die nur wenige Meter entfernte Ecke herumkommen. Gerade wenn Archäologie als Primärquelle angesehen wird, darf die Topographie, die einen wichtigen Teilbereich der Archäologie umfaßt, nicht geringgeachtet werden. Hiermit soll nicht gesagt werden, daß es keine bmwt in Städten gab; aber gerade aus den beiden für G. zentralen Stellen läßt sich dies nicht zwingend entnehmen.

Die einmal aufgebrachte These, daß eine bmh in einer Stadt liegen müsse, führt G. dann dazu, daß er die Formel "auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum", die er durchgehend (entsprechend neuer literarkritischer Versuche zum Hoseabuch auch Hos 4,13) der dtr Redaktion zuschreibt, nicht als Bezeichnung der Umgebung einer bmh versteht, sondern als Formel für alle Heiligtümer außerhalb des Jerusalemer Tempels, die mit der Jahwereligion nicht vereinbar sind. Die Formel "will die bmwt nicht lokalisieren, sondern unvereinbar mit der Jahwereligion beschreiben". Weder in ihrer Baugestalt noch in ihrer Ausstattung können die bmwt von Tempeln unterschieden werden.

Eine Formel macht allerdings nur dann Sinn, wenn sich die damit verbundene bildliche Vorstellung wenigstens in etwa mit der Realität deckt (die ja manche Israeliten in der Exilszeit noch durchaus aus eigener Anschauung kannten). Unberücksichtigt läßt G. in diesem Zusammenhang auch eine Vielzahl von Belegstellen, die z. T. nicht-dtr sind und die- völlig unverdächtig - von einem Baum an einer Kultstätte sprechen (Gen 12,6; 13,18; 14,13; 18,1; 21,33; 35,4.8; Dtn 11,30; Jos 19,33; 24,26; Ri 4,5.11; 6,11.19; 9,6.37; 1Sam 10,8; 22,6). Man sollte daher den Baum als ein (nicht das) wesentliches Kennzeichen für eine typische bmh nicht einfach negieren. Vielmehr scheint es mir angemessen, bmh als eine offene Kultstätte (u. U. mit Nebengebäuden) zu verstehen, die in der Regel erhöht (entweder auf einem natürlichen Hügel oder auf einem Podium) lag und zumindest teilweise an einem heiligen Baum lokalisiert war. Für diese Annahme spricht auch, daß in judäischen oder israelitischen Städten (nicht Festungen!) bisher kein Kultgebäude archäologisch nachgewiesen werden konnte. Dieser auffällige Befund macht nur dann Sinn, wenn die Kultstätten, von den Staatsheiligtümern in Jerusalem, Bethel und Dan abgesehen, außerhalb der Orte lagen und aus einfachen Kulteinrichtungen bestanden, die heute nur noch schwer aufzufinden sind.

Die Höhen an den Toranlagen (vgl. 2Kön 23,8b), für die G. einige archäologische Beispiele anführt, versteht er als Statuen verstorbener Könige, die im Torbereich aufgestellt wurden. Setzt man dieses Verständnis voraus, muß es sich bei diesen bmwt jedoch um königliche Einrichtungen und nicht um die Kultstätten der Ortsgemeinschaft gehandelt haben. Dies widerspricht aber in gewisser Weise der im nächsten Kapitel (113-186) entwickelten These, daß der König keinen Einfluß auf die bmwt hatte, diese vielmehr von den Ortsbewohnern errichtet und erhalten wurden. Auch die biblische Darstellung, wonach erstmals Hiskia mit seiner Reform in den Lokalkult eingegriffen haben soll, läßt sich historisch nicht absichern. Erst Josia gelang es, den Lokalkult zugunsten des Jerusalmer Tempelkults abzuschaffen.

Im nächsten Kapitel (187-234) wird dann ausführlich der Kult auf den bmwt beschrieben. Dort wurden die lokalen Götterpanthea verehrt, denen Schlacht- und Räucheropfer dargebracht wurden, während Brandopfer in der Regel die Finanzkraft der Ortsgemeinschaft überstieg. Zwar wird die Tätigkeit von Priestern an den bmwt berichtet, doch ist nicht sicher, ob diese ständig anwesend waren und welche Aufgaben ihnen zufielen. In dem Kapitel über die alttestamentliche Bewertung der bmwt (235-244) zeigt G. schließlich auf, daß diese anfangs völlig neutral gesehen und erst unter dtr Einfluß abgewertet wurden. Die Chronik übernahm dann diese Perspektive; dort werden alle heidnischen Kultstätten als bmwt bezeichnet. Wie die Verfasser der Chronikbücher haben auch die Makkabäerbücher und die Übersetzer der LXX keine konkrete Vorstellung von bmwt mehr vor Augen. Eine Zusammenfassung (245-253) beschließt die Arbeit.

Das Buch fordert, gerade weil manche Thesen (von denen hier nur einige exemplarisch angesprochen werden konnten) sicherlich nicht allgemein Zustimmung finden werden, zu einer neuerlichen Auseinandersetzung mit der Kulthöhenproblematik und einer Klärung der bisher stark vernachlässigten Lokalreligionen in Israel heraus. Für ein tieferes Verständnis wird man sicherlich auch religionswissenschaftliche Erkenntnisse mit heranziehen müssen, was in der Arbeit von G. stark vernachlässigt wurde.

Bedauerlich ist, daß eine Vielzahl von Tippfehlern in der Druckfassung erhalten geblieben sind. Trotz eines umfangreichen Literaturverzeichnisses vermißt man folgende einschlägige Arbeiten: die religionsgeschichtlich interessanten Beiträge von S. Iykovidis, K. Bittel, T. Dothan, M. J. Mellink und V. Hankey in A. Biran (Ed.), Temples and High Places in Biblical Times (Jerusalem 1981); Y. Shiloh, Iron Age Sanctuaries and Cult Elements in Palestine, in: F. M. Cross (Ed.), Symposia (Cambridge 1979), 147-157 und I. Willi-Plein, Opfer und Kult im alttestamentlichen Israel (SBS 153; Stuttgart 1993). Leider wurde auf ein Bibelstellen- und Schlagwortregister verzichtet; beide hätten die Handhabbarkeit des Buches sehr gefördert.