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Ausgabe:

Juni/2013

Spalte:

677–679

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wiesehöfer, Josef, u. Thomas Krüger [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Periodisierung und Epochenbewusstsein im Alten Testament und in seinem Umfeld.

Verlag:

Stuttgart: Franz Steiner 2012. 155 S. = Oriens et Occidens, 20. Kart. EUR 42,00. ISBN 978-3-515-10114-1.

Rezensent:

Sebastian Grätz

Der Band geht zurück auf eine Tagung, die bereits 2004 in Zürich durchgeführt wurde, und enthält Beiträge, die das Thema aus der Perspektive fünf unterschiedlicher Disziplinen bearbeiten. Den Anfang macht der Ägyptologe J.F.Quack: »Reiche, Dynastien … und auch Chroniken? Zum Bewusstsein der eigenen Vergangenheit im Alten Ägypten«. Ausgehend vom Werk des Manetho fragt er im ersten Teil, »inwieweit es für Manethos Basisstrukturierung der ägyptischen Geschichte durch die Unterteilung in Dynastien im ägyptischen Material Vorläufer gibt« (18–31). Quack nennt hier zu­nächst Opferlisten sowie Königslisten auf Papyrus und zeigt, dass die Dynastiestruktur in einer einheimischen ägyptischen Tradition verwurzelt sei (22). Weiterhin untersucht er die auf Stelen niedergelegten Annalen, die im Wesentlichen die göttliche Zeit, die als eigene Epoche dargestellt wird, und diejenige der menschlichen Herrscher gegenüber stellen. So kann er folgern: »Eine Struktur auf höherer Ebene, die unserer modernen Einteilung in Reiche entspricht, ist allenfalls sehr unsicher auszumachen.« (31) In einem zweiten Teil (31–36) fragt Quack nach der Herkunft der ausführlichen narrativen Passagen bei Manetho. Hier werden zuvorderst »historische Romane«, konkret aus der Spätzeit, genannt, die auch das Ägyptenbild Herodots und Diodors geprägt haben.
Der zweite Beitrag des Bandes stammt von dem Altorientalisten M. van de Mieroop: »The Mesopotamians and their Past«. Er geht vor allem von Königslisten aus, die auch noch in Zeiten kopiert wurden, in denen die ideologischen Ansprüche der entsprechenden Dynasten längst vergangen waren. Die Durchsicht der Belege zeigt, dass lediglich die Vertreter zweier frühen Dynastien – Emmerkar, Lugalbanda und Gilgamesch sowie Sargon und Naram-Sin – Ge­genstände der längeren Überlieferung waren. Van de Mieroop porträtiert anschließend die Überlieferungslage bei Gilgamesch und Sargon (44–52) und resümiert, dass nur wichtige Gestalten der Tradierung für wert erachtet und mythisiert worden seien. Er fragt weiter: »How does this attitude link up with possible periodization of history by the Mesopotamians?« (ebd.) und zieht einen Vergleich mit Homer und dessen Helden in Betracht: die Gegenüberstellung eines vergangenen heroischen Zeitalters und des vorfindlichen, in dem der Autor lebte. Obwohl für die mesopotamische Tradition gelte, »the antediluvian period was not a golden age« (55), passe der Vergleich, insofern auch die mesopotamischen Autoren ihre Sujets von ihrem historischen Kontext losgelöst betrachtet hätten: »They were as much historians as Homer.« (56)
Der folgende Beitrag stammt von dem Althistoriker J. Wiesehöfer und dem Altorientalisten und Althistoriker R. Rollinger: »Periodisierung und Epochenbewusstsein in achaimenidischer Zeit«. Die Verfasser nehmen nach einer Darstellung der Quellenlage die achämenidischen Königsinschriften in den Blick, wobei seit Xerxes die Inschriften an historischem Informationsgehalt verloren hätten und danach »die zeitlose universelle Note zum allein bestimmenden Faktor der Inschriften« geworden sei (68). Gleichwohl sei ein unterschiedlicher Umgang mit der Vergangenheit zu beobachten, wenn die entsprechenden dynastischen Verhältnisse zwischen Darius I., Xerxes und Artaxerxes I. mit in Betracht gezogen würden. So wende sich der Vatermörder Artaxerxes I. bewusst von der Inschriftentypologie und -praxis seines Vaters Xerxes ab. Eine Darlegung der achämenidischen Königsideologie (71–81, hier ist beim Druck anscheinend eine Zwischenüberschrift verloren gegangen) und die Frage nach der Perserherrschaft in der griechisch-römischen Perspektive einer Abfolge von drei bzw. vier Weltreichen be­schließen den Beitrag.
Der vierte Artikel stammt von dem Althistoriker R. Bichler: »Über die Periodisierung griechischer Geschichte in der griechischen Historie«. Der Vf. teilt seinen Artikel in drei Teile, die den entsprechenden Epochen vor-/frühklassisch/archaisch, klassisch und nachklassisch zugeordnet sind. Unter Benutzung des von J. Assmann geprägten Begriffs des floating gap (mythische Vorzeit/trojanischer Krieg – rezente Erinnerungen) untersucht er die ge­schichtliche Darstellung bei den entsprechenden Autoren und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Darstellung einer Geschichte unter einem einheitlichen Leitthema, einem »globale[n] kohärente[n] Subjekt der Geschichte« (115) erst bei Polybios realisiert worden sei: »Trugen sich vormals bedeutende Taten und Ereignisse gleichzeitig an verschiedenen Orten der Oikumene zu, ohne miteinander in Zusammenhang zu stehen, so wird die Historie solcher Taten und Ereignisse jetzt […] zu einem geschlossenen Ganzen.« (Ebd.)
Der Beitrag von G. Knoppers, »Periodization in Ancient Israelite Historiography: Three Case Studies«, beschließt den Band. Die drei Fallstudien, die Knoppers nach einleitenden Bemerkungen unternimmt, betreffen das Deuteronomistische Geschichtswerk, die Bücher Esra/Nehemia und das Chronistische Geschichtswerk. In Bezug auf das Deuteronomistische Geschichtswerk stellt er fest: »History starts and ends with land.« (128) Dies gelte trotz aller jeweiligen Besonderheiten und Akzentuierungen letztlich auch für die anderen untersuchten geschichtlichen Darstellungen: »In composing their historical works, the authors of the Deuteronomistic History, Ezra-Nehemiah, and the Chronistic History creatively differed in their choices of periods and in their characterization of those periods, even though they agreed that possession of land was the key to the very definition of Israelite history.« (144 f.)
Der interessante Sammelband zeigt, wie wichtig kulturübergreifende Studien für das Verständnis eines jeweiligen Teilbereichs sind, da entsprechende Muster wie das Gegenüber von Vor- und Jetztzeit hier immer wieder begegnen und der Forschung damit einen Anreiz geben, ihre Fragestellungen weiter zu präzisieren.