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Ausgabe:

Februar/2013

Spalte:

225–227

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Höhn, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Gott – Offenbarung – Heilswege. Fundamentaltheologie.

Verlag:

Würzburg: Echter 2011. 365 S. m. Abb. 22,5 x 14,0 cm. Kart. EUR 24,80. ISBN 978-3-429-03447-4.

Rezensent:

Hartmut Rosenau

Nahezu unbeeindruckt von den aufklärerischen Einwänden und negativen Prognosen der klassischen wie aktuellen Religionskritik ist Religion auf vielfältige Art und Weise in der Öffentlichkeit wie im Privatleben erstaunlich lebendig und präsent. Allerdings werden hier – was den christlichen Glauben betrifft – oft Wege und Ausdrucksformen außerhalb der etablierten Möglichkeiten, Traditionen und Angebote von Theologie und Kirche(n) gesucht und gefunden, so dass die Theologie meist ratlos zurückbleibt. So ist gerade auch die akademische Theologie, sofern sie ihr Selbstverständnis aus ihrer Funktion für ein kirchenleitendes Handeln (Schleiermacher) ableitet und sich als Selbstreflexion des Glaubens versteht, seit geraumer Zeit angesichts einer zunehmenden Diskrepanz zwischen »gelehrter« und »gelebter« Religion in eine Krise geraten. Diese Krise verschärft sich noch zusätzlich durch eine permanente Selbstrelativierung, die sich konsequent aus den Ergebnissen der eigenen wissenschaftlichen Forschung ergibt. Weder eine sog. »natürliche« Theologie noch eine alternative Offenbarungstheologie kann noch verbindlich und lebensrelevant auf die Frage »Was soll ich (noch) glauben?« antworten, wenn man wissenschaftlich-redlich Theologie nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ betreiben will.
In einer solchen Situation sind verstärkt religionsphilosophische oder auch fundamentaltheologische Überlegungen gefragt, um einem Begründungsnotstand abzuhelfen. Solche bedenkenswerten Überlegungen hat H., Professor für (katholische) Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Universität Köln, mit seinem Buch vorgelegt, um nach einer ausführlichen Klärung seines leitenden Theologieverständnisses (Kapitel I) am Beispiel dreier ebenso zentraler wie umstrittener Themenkreise (Gott, Offenbarung, Heilswege) auszuloten, »was man vernünftigerweise glauben kann« (6) und wie zwischen »Unvernunft, Willkür und Aberglaube« zu unterscheiden ist (40). Dabei handelt es sich bei dem Themenkreis »Gott« (Kapitel II) nicht nur um eine dogmatische Gotteslehre im engeren Sinne, sondern es geht letztlich um Fragen der Möglichkeit oder gar Notwendigkeit von Metaphysik und (relationaler) Ontologie, die dann auch »vernunftkompatibel« (37) religiös ausgelegt und theologisch interpretiert werden kann. Unter »Offenbarung« erörtert H. wiederum nicht nur erkenntnistheoretische Probleme eines vernunftkritischen Verhältnisses zwischen dem Unbedingten und Bedingten, sondern diese Überlegungen stehen im Dienst einer prüfenden Klärung christologischer Dogmen und Traditionsbestände (Kapitel III). Und schließlich verbindet das Stichwort »Heilswege« dezidiert soteriologische und ekklesiologische Fragen mit aktuellen Problemen des gesellschaft lichen Pluralismus und einer entsprechend perspektivischen (»transversalen«) Theologie der Religionen (Kapitel IV). Eine repräsentative und weiterführende Auswahlbibliographie rundet diese aus dem universitären Unterricht entstandene und für diesen auch als Studien- und Lehrbuch gut geeignete Monographie ab.
Nun reagiert H. auf die gegenwärtigen Herausforderungen der Fundamentaltheologie nicht so, dass er den Weg einer inhaltlich neu ansetzenden Dogmatik anbahnt. Vielmehr trägt er ein umfassendes apologetisches »Plädoyer« (32) überkommener Glaubensinhalte unter der freilich problematischen Voraussetzung vor, dass »der Gegenstand der Theologie Gott und die Weise, wie Menschen an ihn glauben« sei (5). Problematisch ist diese Voraussetzung deswegen, weil in dieser gegenständlichen Einstellung und Orientierung an vermeintlichen Sachverhalten weder die neuzeitliche »kopernikanische Wende« (Kant) zur Subjektivität noch der moderne »linguistic turn« (Wittgenstein) innerhalb der Subjektivität aufgenommen zu sein scheint. So aber kommt es letztlich contra in­tentionem zu einer auffälligen Diskrepanz zwischen sprachlich wie thematisch ebenso sensiblen wie erfreulich klaren theologischen Problembeschreibungen einerseits und unbefriedigend traditionellen Lösungsvorschlägen im Kontext einer demonstratio religiosa, christiana et catholica (19) andererseits, auch wenn sich H. »nicht hinter Bibel, Dogma und Lehramt« verstecken will (6). Das, was sich jedoch im Unterschied zu einer traditionellen Apologetik verändert hat, ist der Ton, der Modus, in dem Glaubenssätze formuliert werden: Es ist nicht (mehr) die apodiktische oder assertorische Behauptung im Modus eines dogmatischen Besserwissens mit Überbietungsanspruch gegenüber anderen (philosophischen, religiösen oder weltanschaulichen) Sichtweisen (27.30), sondern wohltuend bescheidener geht es nunmehr nur um den Nachweis einer in sich stimmigen Denkmöglichkeit des christlichen Glaubens in der Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Wahrheitsbewusstsein.
Dennoch wirken die gebotenen Lösungsansätze etwa in Bezug auf schöpfungstheologische Fragestellungen (67 ff.) oft thetisch und nicht argumentativ entwickelt, weil der Eindruck entsteht, es werde lediglich nach einer passenden Rahmentheorie (relationale Ontologie) gesucht, um bereits feststehende Glaubensinhalte plausibilisieren zu können (51), ohne dass diese Rahmentheorie als solche eigens begründet und bei aller berechtigten Kritik (131) entsprechende inhaltliche Konsequenzen für eine christliche Dogmatik unter den Bedingungen der Gegenwart gezogen werden. Doch unabhängig von diesem prinzipiellen Bedenken gegenüber H.s Ansatz sind viele Einzelüberlegungen in diesem Buch durchaus überzeugend und weiterführend, wie z. B. die unnötige Auseinandersetzungen vermeidende Klarstellung, dass der christliche Schöpfungsglaube keine kosmologische Theorie der Weltentstehung sein, sondern Antworten auf die Sinnfrage geben will, »was es mit der Welt letztlich auf sich hat« (71). Ob diese dann entsprechend zwar ohne Gott, aber Gott nicht ohne die Welt gedacht werden kann (67.109), bleibt wiederum weiter begründungsbedürftig (67), denn das Verständnis der Welt als »Schöpfung« lässt solche Asymmetrien eigentlich nicht zu.
Bei aller Wertschätzung, die H. der Logik und Rationalität entgegenbringt, leuchtet es in diesem Zusammenhang auch nicht recht ein, wieso das, »was von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, […] eigentlich sinnlos« und ein Leben nicht »annehmbar« sein sollte, »in dem man sich letztlich nur den Tod holen wird« (82). Von Kohelet im Alten Testament bis hin zur Existenzphilosophie des 20. Jh.s gäbe es hier genug Gegenbeispiele. Zumindest aber im Modus der offenen Frage ist sich H. dieser Unschlüssigkeit dann doch bewusst: »Was ist das Vorzugswürdige des Daseins im Vergleich zum Nichtsein?« (128)
Bedenkenswert sind auch die Überlegungen H.s zum Problem des christlichen Offenbarungsglaubens, das nicht nur, aber auch durch die Relativität seiner Zeugnisse (Historismusproblem) entsteht, sondern thematisch eng verbunden ist mit der Vorstellung von Gott als Person und der Offenbarung als Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus (161 ff.): »Wie soll sich das Unbedingte in den Horizont des Bedingten begeben können, ohne dabei die We­sensmerkmale des Bedingten zu verlieren?« (162) Zur Lösung dieses Problems hilft nun aber nicht unbedingt die wieder empfohlene relationale Ontologie weiter (171.177), die letztlich in die Falle einer petitio principii gerät (179/180), sondern eher eine kritische Klärung des Verständnisses von Personalität und der Anwendbarkeit personaler Vorstellungen auf Gott unabhängig von der sicherlich vorhandenen, aber als Kriterium christologischer Aussagen noch nicht ausreichenden menschlichen Sehnsucht nach Geborgenheit (215). Was jedoch mit H. auf jeden Fall aus der Christologie zu entwickeln wäre, ist die Betonung einer universalen Heilsperspektive des christlichen Glaubens im Kontext einer Theologie der Religionen (295.296).
Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, dass Christinnen und Christen in ethischer Konsequenz anders mit Unterschieden (zwischen Menschen) umgehen und dies die vielleicht entscheidende Meta-Differenz des Christentums als Profilmerkmal ausmacht – nämlich andere in ihrem Anderssein nicht ausschließen zu müssen, sondern im Geist der unbedingten tolerantia Dei annehmen zu können (310.315.340 f.). Nicht zuletzt in diesem Sinne ist das spürbar persönlich engagiert geschriebene Buch von H. mit großem Gewinn zu lesen.