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Ausgabe:

Februar/2013

Spalte:

187–189

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Transl. and ed. by J. Patout Burns Jr. with Father C. Newman.

Titel/Untertitel:

Romans. Interpreted by Early Christian Commentators.

Verlag:

Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2012. XXVII, 428 S. 25,3 x 17,8 cm = The Church’s Bible. Geb. US$ 46,00. ISBN 978-0-8028-2575-9.

Rezensent:

Martin Meiser

Dem Anliegen der Reihe »The Church’s Bible«, den Reichtum antiker Bibelauslegung für eine spirituelle Bibellektüre in religiösen Gemeinschaften und in Bibelgesprächs- und Gebetskreisen fruchtbar zu machen, wird auch dieser zweite neutestamentliche Band gerecht. Texte von Origenes, Augustinus, Chrysostomus, Theodoret von Kyros, Kyrill von Alexandria, Ambrosiaster, Pelagius (Diodor und Theodor von Mopsuestia sind nicht berücksichtigt) werden in englischer Übersetzung geboten. Die Texte sind im Wesentlichen den Kommentaren bzw. Homilienreihen der betreffenden Autoren entnommen. Bei Augustinus berücksichtigt Burns sachbedingt neben den beiden dem Römerbrief gewidmeten Werken auch andere Texte verschiedener Gattungen (u. a. Briefe, Predigten, dogmatische und polemische Werke, die Auslegungen zum Johannesevangelium und den Psalmen, Quästionenliteratur); der ehemalige Präsident der North American Patristic Society (1992/93) ist in der Augustinusforschung ja hinlänglich bekannt durch sein Buch »Development of Augustine’s Doctrine of Operative Grace« (Paris 1980).
In der »Introduction to Romans« gibt Burns u. a. Auskunft über die Kriterien der Auswahl. Bevorzugt werden Zitate, die auch für die christliche Gegenwart adaptierbar sind, gegenüber Passagen, die nur für die Erklärung antiken Christentums etwas austragen; bevorzugt werden Zitate, die die Divergenzen der Kommentierung hervortreten lassen; antijüdische Polemik tritt um der Zielsetzung der Reihe willen zurück (XXVI f.). In Anbetracht der anvisierten Leserschaft und der expliziten Zielsetzung der Reihe ist das angemessen.
Der Hauptteil des Buches beginnt mit ausführlicher Zitation der jeweiligen argumenta und ist im Folgenden nach den Kapiteln des Römerbriefes gegliedert; jedem Kapitel wird eine sehr kurze Einführung vorangestellt. Die ausgewählten langen Zitate werden erst im Anhang belegt, der auch eine kurze Vorstellung der altkirchlichen Exegeten sowie Indizes zu Namen (hier ist S. 416 fälschlich der »Sabbath« hereingerutscht), Stichworten und Bibelstellen bietet.
Die Einführungen tragen dem oben angegebenen zweiten Kriterium zumeist durchaus Rechnung, z. B. zu Röm 3 (61) und zu Röm 7 (154): Zu Recht wird hinsichtlich der Verwendung des Begriffs νόμος zwischen Origenes und den übrigen Auslegern differenziert; zu Röm 7,14–25 wird die entscheidende Differenz zu der seit W. G. Kümmel vorherrschenden Interpretation zwar nicht expliziert, aber dem Kenner doch deutlich (154). Differenzierungen lässt auch die Einleitung zu Röm 12 erkennen (289), z. B. in der Frage, ob persönliche Verdienste wie etwa der Glaube als Basis für die Verleihung von Geistesgaben anzunehmen sind (u.a. Origenes) oder nicht (Johannes Chrysostomus; Augustinus). Innerhalb der Textdarbietungen werden gelegentlich textkritische Probleme (18.271) und Kontexte einzelner Auslegungen benannt (57) oder Hilfestellungen zum Verständnis gegeben (z. B. 95.113.118.189).
Das Anliegen des Bandes ebenso wie das der Reihe ist insgesamt durchaus zu begrüßen. Der Wissenschaftler wird dankbar sein für die verlässlichen Übersetzungen und darüber hinaus wahrnehmen, dass manche neuzeitliche Fragestellung und Auslegungsrichtung ihre Vorläufer hat (z. B. das Verhältnis zwischen Röm 3,28 und Jak 2 betreffend, vgl. 79). Der Laie wird die Anregungen zur eigenen geistlichen Lektüre aufgreifen. Einige Anregungen bzw. Anfragen seien gestattet: Die erste ist eher editorischer Natur: Nützlich wären Hinweise auf bereits vorhandene englische Übersetzungen sowie eine wenigstens kurze Auswahlbibliographie zur Paulusexegese der behandelten Autoren (vgl. schon Markschies, ThLZ 134 [2009], 819 f., hier 820). Die zweite betrifft das Gesamtbild, das hier geboten wird: Es ist ein Gesamtbild, das m. E. etwas zu harmonistisch ausfällt.
Noch zu verschmerzen ist, dass zu Röm 5,1 in der Einleitung auf die Differenz der Lesarten ἔχομεν und ἔχωμεν nicht verwiesen wird – diese Differenz wird in antiker Exegese selbst meines Wissens nicht thematisiert. Dass »die Kirchenväter« Paulus für den Verfasser des Hebräerbriefes hielten (25, Fußnote 3), sollte aber mit Hinblick auf Hieronymus, ep. 129,3 etwas differenzierter dargestellt werden. In der Einführung zu Röm 13 (314) müsste zu Röm 13,1–7 der Unterschied der Zeiten zwischen nichtchristlichen und christlichen Kaisern expliziert sowie vermerkt werden, dass manche der genannten Autoren auch mit christlichen Kaisern durchaus unterschiedliche Erfahrungen machen mussten.
Im einleitenden Aufsatz zeichnet Robert Louis Wilken, der gener­al editor der Reihe und ebenfalls ehemaliger Präsident der North American Patristic Society (1985/86), patristische Schriftauslegung als einen exegetischen Zugang, der, eingebettet in die fraglos bejahte kirchliche Tradition, die Heilige Schrift als geistgewirkte (nuancierte) Einheit betrachtet und nach der Wirklichkeit und Wahrheit des im Schriftwort Gesagten für das eigene geistliche Leben fragt. Als Generallinie trifft dies zweifellos zu; in ergänzender Nuancie< /span>rung dazu sei jedoch angemerkt: 1. Biblische Aussagen dienten immer auch zur Begründung höchst unterschiedlicher theolo­gischer Standpunkte und kamen unterschiedlichen theologischen Strömungen unterschiedlich zu statten, wie u. a. anhand der Wirkungsgeschichte von Prov 8,22–25, Mk 13,32 par., Mt 24,36 und 1Kor 15,28 unschwer nachzuweisen ist. 2. Methoden und Gattungen der Schriftauslegung haben ihre Analogien in der damaligen paganen Philologie (Burns verweist S. 394 zu Recht auf Ambrosiasters Quaestiones Veteris et Novi Testamenti) ebenso wie in zeitgenössischer jüdischer Exegese. 3. Biblische Aussagen mussten vor antiken Chris­tentumskritikern wie Kelsos, Porphyrios und Julian Apostata ge­rechtfertigt werden, woraus sich übrigens auch manches erklärt, was heute als allzu harmonisierend empfunden wird. All dies sollte man aber auch gegenüber Laien eingestehen bzw. benennen.
Trotz der genannten Anfragen ist diese Anthologie zur altkirchlichen Auslegung des Römerbriefes ein Gewinn, nicht nur für den anvisierten Leserkreis.