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Ausgabe:

Februar/2013

Spalte:

171–172

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Peterson, Erik

Titel/Untertitel:

Heis Theos. Epigraphische, formgeschichtliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen zur antiken »Ein-Gott«-Akklamation. Nachdruck der Ausgabe von Erik Peterson 1926 mit Ergänzungen und Kommentaren v. Ch. Markschies, H. Hildebrandt, B. Nichtweiß u. a. Hrsg. v. Ch. Markschies.

Verlag:

Würzburg: Echter 2012. XIII u. VIII, 650 S. m. Abb. 22,5 x 14,0 cm = Ausgewählte Schriften, 8. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-429-02636-3.

Rezensent:

Eduard Lohse

Nach langen und intensiven Vorarbeiten, die Barbara Nichtweiß, die verdiente Herausgeberin der Ausgewählten Schriften von Erik Peterson, zusammen mit Christoph Markschies und seinen Mitarbeitern geleistet hat, liegt nun ein besonders gewichtiges Werk aus dem Jahr 1926, das lange Zeit vergriffen war, wieder vor, versehen mit ausführlichen Ergänzungen und Kommentaren. Die gelehrte Öffentlichkeit wird es dankbar begrüßen, dass diese Monographie, die sich der Tradition der Religionsgeschichtlichen Schule verpflichtet weiß, zugleich aber deutlich über sie hinausgeht, gründlich gestaltete Bearbeitung erfahren hat.
Die religionsgeschichtliche Untersuchung richtet ihr Augenmerk insbesondere auf sog. Kleinliteratur, Inschriften, archäolo­gische Befunde und andere überkommene Spuren aus vergangener Zeit, um der Frömmigkeit einfacher Leute bzw. volkstümlichen religiösen Überzeugungen auf die Spur zu kommen. In diesem Sinn hat P. die Thematik seiner Abhandlung bestimmt und zahlreiche spätantike Inschriften aus dem ganzen Mittelmeerraum zusam­mengetragen, die sich auf den einen Gott und sein Wirken beziehen. Den Einstieg nimmt er bei christlichen Fundstücken, weitet dann aber den Blick sowohl auf die Vorgeschichte sowie auf ihre breiten Nachwirkungen aus. Markschies hat diese Ausrichtung in eindrucksvoller Weise weitergeführt, indem er eine breite Fülle von Inschriften aus der Spätantike, wie sie seither gefunden wurden, ergänzend hin zugefügt hat. Damit zeigt er an einem gewichtigen Beispiel, dass gelehrte Arbeit nie zu einem endgültigen Abschluss gelangt, sondern ständig im Fluss zu bleiben hat.
P. ist nicht dabei stehengeblieben, eine stattliche Materialsammlung darzubieten, sondern hat die Texte auch zu deuten ge­sucht. Dabei gibt er zu erkennen, dass religionsgeschichtliche Forschung durch formgeschichtliche Untersuchung zu ergänzen ist. So kann er darlegen, dass die »Heis-Theos«-Formel in unterschiedlichen Formen Verwendung gefunden hat: in Akklamation, Doxologie, Hymnus, Litanei, Exorzismus, Fluch und Bekenntnis (vgl. B. Nichtweiß, Erik Peterson, Freiburg 1992, 287). Unter diesen Gattungen rückt P. die Akklamationen in den Vordergrund seiner Betrachtung. »Akklamationen sind die Rufe einer großen Menge, die sich bei verschiedensten Gelegenheiten äußern konnten. Bei dem Erscheinen des Kaisers oder eines hohen Beamten, um sie zu feiern, aber auch in Versammlungen oder An­sammlungen […], wenn es galt, Beschlüsse zu fassen oder bestimmte Forderungen auszudrücken.« (620)
Christliche Überlieferung hat sich in vielfältiger Weise der »Heis Theos«-Akklamation bedient. Solche Akklamationen sind jedoch schwerlich auf dem Boden des frühen Christentums entstanden, sondern müssen eine Vorgeschichte gehabt haben, die auf ein synkretis­tisch beeinflusstes hellenistisches Judentum zurückgehen wird (302. 305.371 u. ö.). P. vermutet, »dass die Formel im späten 3. Jh. von Juden geschaffen worden sei, dann von Anhängern Julians (d. i. Apostata) aufgegriffen worden sei und schließlich von Juden wie Christen in Syrien, Palästina und Ägypten verwendet worden sei« (371).
Akklamationen werden bei ganz unterschiedlichen Anlässen laut: als Antwort auf ein Wunder, als Exorzismus, zur Herstellung herbeizuführender Rechtsentscheide u.a. Da Volksfrömmigkeit sich bei vielen verschiedenen Gelegenheiten Ausdruck zu geben sucht, finden sich in kaum zu überblickender Fülle Inschriften aus dem weiten Bereich des gesamten Mittelmeerraumes. Dabei ist die »Heis-Theos«-Wendung nicht einfach in monotheistischer Weise zu verstehen, sondern es ist von dem Einen Gott die Rede, der »sowohl der Gott der Juden als auch das Weltprinzip der Hellenen ist« (600).
Für seine weit ausgreifenden Untersuchungen konnte P. sich kaum auf das Vorbild eines Lehrers stützen, sondern er musste sich »Heis Theos« »größtenteils autodidaktisch erarbeiten« (611). Um »sich durch rein historische Arbeit einerseits den zunehmend quälenden religiös-existentiellen Problemen zu entziehen, andererseits« aber »eine solide Qualifikation« für seine »weitere wissenschaftliche Laufbahn zu erlangen« (610), studierte er mit großem Einsatz hellenistische Religionsgeschichte – im weitesten Sinne. Gleichwohl blieb sein primäres Interesse auf die grundsätzliche Frage nach rechtem Verständnis christlicher Kirche gerichtet.
Mit Recht hebt Markschies hervor, dass das Buch von P. »zu den wertvollsten Monographien auf dem Grenzgebiet der antiken und christlichen Religionsgeschichte« gehört (367). Durch die hinzugefügte Sammlung von »Heis-Theos«-Inschriften soll alles zusam­mengetragen werden, »was seit Peterson zum Thema geforscht wurde«, und »sollen insbesondere die epigraphischen Belege der Formel möglichst vollständig« erfasst werden (368). Dadurch soll am Thema interessierten Lesern der Zugang zur nach wie vor aktuellen Arbeit P.s erleichtert werden (ebd.).
Dieses Ziel ist durch den nunmehr vorgelegten stattlichen Band auf das Beste erreicht worden. Einerseits wird dem Fortgang ge­lehrter Forschung bis in die Gegenwart in eindrucksvoller Weise Rechnung getragen. Andererseits aber werden durch eine Reihe fragmentarischer Ausführungen P.s, die aus der Zeit nach Ab­schluss seiner großen Monographie stammen, wertvolle Verstehenshilfen gegeben. Durch einführende Erläuterungen sowohl von Markschies als auch von Nichtweiß wird dem Leser nicht nur P.s bewundernswerte Leistung, sondern auch das Verständnis religionsgeschichtlicher Arbeit – sowohl im Blick auf das Neue Testament und Urchristentum als auch frühe Kirche und Patristik – förderlich nahegebracht. Die Fülle gelehrter Forschung, die hier zusammengefasst ist, wird allen denkbaren Wünschen auf das Beste gerecht. Daher verdient nicht nur P., sondern verdienen auch die Herausgeber hohe Anerkennung und großen Dank.