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Ausgabe:

Januar/2013

Spalte:

116117

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bryant, Scott

Titel/Untertitel:

The Awakening of the Freewill Baptists. Benjamin Randall and the Founding of an American Religious Tradition.

Verlag:

Macon: Mercer University Press 2011. XII, 228 S. 22,8 x 15,0 cm. Lw. US$ 35,00. ISBN 978-0-88146-216-6.

Rezensent:

Erich Geldbach

Das Buch ist aus einer Dissertation hervorgegangen, die Scott Bryant unter William H. Brackney an der Baylor University in Waco (Texas) 2007 erfolgreich abgeschlossen hat. Der Baptismus war von Anfang an keine einheitliche Bewegung. Vor allem die Erwählungslehre Calvins war oft der Zankapfel, der strenge von weniger strengen, offene von strikten, missionarische von anti-missionarischen Baptisten trennte. Wenn sich eine Gruppe selbst als freewill bezeichnet, wird deutlich, dass sie sich von strikten (oder old school oder primitive) Baptisten abgrenzt. Die freewill-Gruppe ist im ländlichen Raum Neu-Englands entstanden, hatte bald ein zusammenhängendes Programm entwickelt und berief sich vor allem auf Benjamin Randall (1749–1808), der auch im Mittelpunkt des Buches steht. Aber es ist keine Hagiographie entstanden. Vielmehr wird das seit den 1980er Jahren bekannt gewordene und von der American Baptist Historical Society verfilmte umfangreiche Quellenmaterial ausgewertet.
Randall wurde durch George Whitefields Erweckungsfeldzug 1780 in Portsmouth (NH) erweckt, allerdings erst, nachdem er die Nachricht vom plötzlichen Tod des Erweckungspredigers erfahren hatte. Von der lokalen Gemeinde der Congregational Church fühlte er sich wegen mangelnder Frömmigkeit abgestoßen, so dass er eine separate Gemeinde gründete. Wie viele andere Erweckungsprediger oder Kirchenorganisatoren betätigte er sich als itinerant preacher, der im Norden Neu-Englands die freie Gnade Gottes, den freien Willen des Menschen und die freie Gemeinschaft anbot und damit Erfolge hatte.
Die Mehrheit der Baptisten in Neu-England folgte jedoch calvinistischen Mustern. Sie hatten eine Association und das Rhode Island College (heute Brown University) gegründet und pflegten enge Beziehungen zur Philadelphia Association und zu britischen Baptisten. Daher erkannten diese Gemeinden Randall nicht an, der bereits 1775 einen Ruf Gottes zum Predigen verspürt hatte, dies dann seit 1777 auch ohne formale Bildung umsetzte. Aufgrund seiner Beschäftigung mit der Bibel verwarf er die Praxis der Säuglingstaufe und wurde im August 1776 von einem soeben ordinierten Prediger in einem Fluss getauft. Sein Weg führte ihn also von einem »toten« Christen durch Erweckung zur kongregationalistischen Gemeinde, von dort in die Separation einer eigenen Gruppe und dann zu den Baptisten, aber dort nicht zur Mehrheitsgemeinschaft, sondern zu einer »separaten« Form. Er wurde im April 1780 von zwei Pastoren, die wie er die Erwählungslehre ablehnten, ordiniert. Von da an bis zu seinem Tod 1808 stand er den durch sein Wirken gegründeten Gemeinden vor. Aus einer zunächst monatlichen »Versammlung« ( Monthly Meeting) wurde bei Zunahme der Zahl der Gemeinden ein connectionales System von vierteljährlichen und schließlich von jährlichen »Versammlungen« als Ausdruck der Einheit gebildet. In diesen Gremien wurden auch disziplinarische Maßnahmen gemeinsam beraten und beschlossen. Dieser Connectionalism als eine Art der Aufsicht über die Gemeinden gleicht eher der methodistischen Ordnung als der baptistischen Tradition der »Autonomie« der Ortsgemeinde. Seine extensive Reisetätigkeit in den Gemeinden förderte seine Autorität, die er jedoch mit großer Bescheidenheit ausübte. Außerdem wurde eine »Konferenz der Ältesten« (= der Prediger) als theologisches clearinghouse eingerichtet.
Im Einzelnen ist das Buch wie folgt aufgebaut: Die ersten beiden Kapitel beschreiben das Milieu, aus dem Randall hervorging. Das dritte Kapitel bietet biographische Einzelheiten. Bei seinem Bekehrungserlebnis stufte er sofort die Erlösung als »universal« ein, was zusätzlich durch ein »mystisches« Erlebnis verstärkt wurde. Als er sich nach Jahren des Schriftstudiums dem Baptismus zuwandte, war er überrascht, dass die meisten Baptisten calvinistisch dachten. Das vierte Kapitel schildert Randall als herumwandernden Erwe­-ckungsprediger, der Menschen anzieht, Gemeinden gründet und die Bewegung organisiert. Das folgende Kapitel untersucht die Theologie und die besondere Art der Kirchenleitung. Im sechsten Kapitel ist nachzulesen, wie sich die neue Bewegung verfestigt. Abschließend begründet der Vf., warum auch nicht-calvinistische Baptisten ein Teil der baptistischen Geschichte sind. Eine umfangreiche Bibliographie und ein Index beschließen das Buch.
Es ist zu begrüßen, dass mit dieser Untersuchung ein bescheidener Teilaspekt der baptistischen Geschichte gründlich beleuchtet wird. Dem Buch hätte es freilich gut getan, wenn die manchmal ermüdenden Redundanzen durch eine gute Lektorierung getilgt worden wären. Auffallend ist zudem, dass der Vf. bei Verweisen oft die akademische Stellung seines Gewährsmannes angibt, so als wolle er damit seine eigene Unsicherheit kompensieren bzw. die gemachte Aussage verstärken.
Nachzutragen ist noch für den deutschen Leser, dass sich diese Gruppe nach Randalls Tod ausbreitete und dann eine »Generalkonferenz« als oberstes Leitungsorgan schuf. Schließlich aber gingen die Free[will] Baptists 1911 in der Northern Baptist Convention (heute: American Baptist Churches) auf.