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Ausgabe:

Dezember/2012

Spalte:

1382–1384

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Asmuth, Christoph

Titel/Untertitel:

Bilder über Bilder, Bilder ohne Bilder. Eine neue Theorie der Bildlichkeit.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011. 194 S. 24,0 x 16,5 cm. Geb. EUR 49,90. ISBN 978-3-534-24181-1.

Rezensent:

Malte Dominik Krüger

Angesichts der lebensweltlich und wissenschaftlich vielfach diagnostizierten Bilderflut und der auch von ihr angestoßenen Revision des linguistic turn, der einseitig auf das logische Vermögen ab­zustellen scheint, hat sich eine Bildtheorie etabliert. Vor dem Hintergrund einer Spätmoderne, welche die sinnlich wahrnehmbare und kulturell kommunizierbare Erfahrung in den Mittelpunkt rückt, kommt es auch protestantisch zu einem Interesse für die entsprechenden Theorieangebote der Bildtheorie. Insbesondere in ihrer symboltheoretischen und phänomenologischen Spielart scheint die Bildtheorie dem Bedürfnis nach Erfahrung entgegenzukommen, wenn Bilder ausgezeichnet auf die Intersubjektivität der Konvention und die Sinnlichkeit der Wahrnehmung verweisen sollen.
Die Studie des Berliner Philosophen Christoph Asmuth er­weitert dieses Spektrum von Bildtheorien. Demnach basiert die Bildlichkeit auf einer gedanklichen Operation, die der sinnlich fokussierte Vollzug konkreter Negation ist. Die in der Einleitung (10–18) vorgestellte Leitthese lautet entsprechend: Die Bildlichkeit der Bilder kann man im strengen Sinn nicht sehen. Dafür beruft sich A. »realgeschichtlich« auf bestimmte Bildverständnisse und »ideengeschichtlich« auf bestimmte Bildtheorien. Was die Bildverständnisse (19–44) betrifft, so geht A. gegenwartsorientiert den Diagnosen der Bilderflut nach, die ein Ertrinken oder Schwimmen in dieser Bilderflut nahelegen. Geschichtlich zeichnen sich gegenüber dieser scheinbaren Übermacht der Bilder drei entscheidende Bilderstürme ab, nämlich die Ausbildung des biblischen Bilderverbots, der byzantinische Bildersturm und der reformatorische Bildersturm. Infolgedessen wird das zunächst magische und dann realpräsentische Verständnis des Abgebildeten im Bild problematisiert. Dies führt zur Freisetzung der Eigenständigkeit des Bildes und zur Ausdifferenzierung insbesondere theologischer und ästhetischer Diskurse. Zudem wird deutlich, dass das Bildverständnis keineswegs nur um visuelle Phänomene kreist. Die Er­kundung der Geschichte der Bildtheorie (45–91) verstärkt diese Einsicht. Von der Bildtheorie Platons, die am Leitfaden des im Bild Abgebildeten die hermeneutisch notwendige Annahme einer positiven Negativität zeigt, führt der Weg über die neuplatonisch inspirierten Bildtheorien Plotins und Augustins zu den Bildtheorien Meister Eckharts und Johann Gottlieb Fichtes. Insbesondere die Bildtheorien der letzteren beiden sind für A. der Ausgangspunkt der eigenen Bildtheorie, worauf auch der Meister Eckhart entliehene Titel der Studie verweist.
Den Aufbau der eigenen Bildtheorie vollzieht A. dekonstruktiv und konstruktiv. Zunächst wird die gegenwärtige Diskussion der Bildtheorie (92–109) kritisch durchgemustert. Die symboltheoretische Spielart rechnet das Bild unter den Begriff des funktional kaum einschränkbaren Zeichens, so dass theoretisch die Besonderheit des Bildes unfassbar wird; die phänomenologische Spielart verortet die Besonderheit des Bildes in einer letztlich unerklärbaren Differenzerfahrung, die zur theoretischen Erklärung des Bildes nicht ausreicht. Demgegenüber vertritt A. eine Bildtheorie (110–151), deren Kern eine Doppelunterscheidung darstellt: Es gibt zum einen die Differenz von Bildträger und Bildgehalt (»funktionale Differenz«) und zum anderen die Differenz von Bildgehalt und Abgebildetem (»eikonische Differenz«). Die erste Differenz ist funktional, insofern sie deutlich macht, dass ein Bild selbst ein in den Kausalzusammenhang der Wirklichkeit eingespanntes Ding ist und zugleich etwas zeigt, was darüber hinausgeht. Diese Differenz teilt das Bild mit jedem Ding, das als Zeichen funktional auch für etwas anderes als es selbst stehen kann. Die zweite Differenz ist hingegen bildspezifisch und besteht zwischen dem Bildgehalt und dem Abgebildeten: Ein Bild ist genau dasjenige nicht, was es abbildet. Die entsprechende Verneinung (»eikonische Negation«) schließt den realen Zusammenhang zwischen dem Bild und Abgebildeten aus. Damit werden Gleichheit und Ungleichheit verbunden und eine relationale Negation beansprucht, die man denken muss, um sie sehen zu können. Konsequenterweise sind Bilder, die nichts abbilden, nicht als Bilder, sondern als Gemälde anzusprechen.
Die gut lesbare, inhaltlich gehaltvolle und intellektuell ansprechende Studie von A. plausibilisiert meines Erachtens insbesondere zweierlei. Erstens wird deutlich, dass die gegenwärtige Bildtheo­rie um eine negationstheoretische Spielart bereichert werden kann. Diese ist zweitens für eine bildtheoretische Lesart des Christlichen in protestantischer Perspektive anschlussfähig. Anzufragen wäre meines Erachtens insbesondere eines: Wie steht es um den kategorialen Status der Identität der beiden Differenzen des Bildes, und zwar insbesondere unter dem Aspekt der Produktivität negativer Selbstbezüglichkeit in sinnlicher Hinsicht? Anders gesagt: Gilt das letztlich an dem Fall des materiellen Bildes entwickelte Verständnis auch uneingeschränkt für das Bild, das innerhalb der Einbildungskraft verbleibt?