Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

November/2012

Spalte:

1192–1193

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tilly, Michael, u. Wolfgang Zwickel

Titel/Untertitel:

Religionsgeschichte Is­raels. Von der Vorzeit bis zu den Anfängen des Christentums.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011. 220 S. 24,0 x 16,5 cm. Geb. EUR 29,90. ISBN 978-3-534-15927-7.

Rezensent:

Martin Leuenberger

Die Religionsgeschichte Israels von Wolfgang Zwickel und Michael Tilly bietet einen klar strukturierten und gut lesbaren Abriss auf dem Stand gegenwärtiger Forschung. Dabei fließen die neueren religionsgeschichtlichen Erkenntnisse und die Einsicht in die kulturgeschichtlichen Rahmenbedingungen religiöser Zeugnisse mit vollem Recht konstitutiv in die Darstellung ein.
Der Aufbau des Buchs folgt grob der historischen Epochenabfolge, nimmt im Einzelnen aber mehrfach zusätzlich eine thematische Auffächerung bzw. Untergliederung vor, wobei Zwickel die mit der vorhellenistischen Zeit befassten Kapitel (1–17), Tilly die Abschnitte der hellenistischen Epoche bis zur Tempelzerstörung (18–22) verfasst hat.
1. Was ist Religion? – 2. Die Entwicklung der Religion vom Neolithikum bis zur Mittelbronzezeit – 3. Die Götterwelt der Mittel- und Spätbronzezeit in palästinischen Texten und Bildern – 4. Die Religion der Spätzeit – 5. Die Religion der Erzeltern – 6. Ugarit und Emar – wichtige Umwelttexte für die Spätbronzezeit und für das Alte Testament – 7. Die Religion der Nachbarn Israels und Judas in der Eisenzeit – 8. Kultstätten in Juda und Israel in der Eisenzeit I und II – 9. Die Religionen Palästinas während der Eisenzeit I/Richterzeit – 10. Der Gott Jahwe – 11. Die Aufgaben des Königs – 12. Der salomonische Tempel – 13. Die Grenzheiligtümer des Nordreichs – Stierbilder als Zeichen des Jahwekults – 14. Das 9. und 8. Jh. v. Chr. – Konsolidierung und theologische Reflexion – 15. Assyrischer Druck und Befreiung hin zur Monolatrie – 16. Die Zeit des babylonischen Exils – 17. Neuanfang unter persischer Oberhoheit – 18. Das Judentum von Beginn der hellenistischen Epoche bis zur Zerstörung des zweiten Tempels – 19. Die samaritanische Religionsgemeinschaft – 20. Religiöse Strömungen innerhalb des antiken Judentums – 21. Das Christentum – 22. Orientalische und griechisch-römische Religion.
Bei der Durchführung des skizzierten religionsgeschichtlichen An­satzes werden insbesondere die archäologischen Befunde – unter Einschluss von ikonographischen und epigraphischen Quellen – integral ausgewertet.
Dies ermöglicht es auf der einen Seite, bei den in jüngster Zeit intensivere Aufmerksamkeit erfahrenden Anfängen von Religion seit der Jungsteinzeit einzusetzen: Mit der neolithischen Verehrung von Ahnen und Erstrebung von Fruchtbarkeit (Kapitel 2) wird knapp eine auswertende Synthese gezeichnet, die sich insbesondere als Pendant zur Quellensammlung von O. Keel/S. Schroer, IPIAO 1–2, Freiburg 2005 ff., instruktiv liest und exemplarisch die langzeitigen Nachwirkungen in den Folgeepochen verdeutlicht. Leider bietet der Band hier wie sonst überhaupt keine Abbildungen der angesprochenen Artefakte und Befunde, so dass man mehr oder weniger umständlich in den angegebenen Referenzwerken nachschlagen muss.
Auf der anderen Seite bietet der Einbezug außerbiblischer Quellen die Chance einer kritischen Korrelation mit den biblischen Texten, was zurzeit eines der wichtigsten Desiderate bei der Rekonstruktion der israelitischen Religions- und Theologiegeschichte darstellt. Die konkrete Umsetzung dieser Aufgabe stößt dann allerdings aufgrund des begrenzten Umfangs an ihre Grenzen, was namentlich für die Königszeit (Kapitel 10–15) gilt. So wird man etwa in Kapitel 10 bei kritischer Auswertung sämtlicher Quellen fragen, ob der Aufstieg Jhwhs erst und wesentlich mit David zu verbinden ist (77), ob das Wettergottprofil Jhwhs nicht allzu einlinig erscheint (79) oder ob Jhwh tatsächlich »in der Königszeit nie bildhaft dargestellt« wurde (81).
Unbesehen solcher Einzelanfragen besteht die Stärke des Bu­ches als »einführendes Lehrbuch und […] Materialsammlung für das Studium der Religionsgeschichte« (1) gerade in der kompakten, auf die wichtigsten Grundzüge konzentrierten Darstellung; man liest sie vielleicht am gewinnbringendsten als einen aktuell revidierten und mit Recht die gesamte Ära des Zweiten Tempels or-ganisch abdeckenden Grundriss neben den umfassenden, aber schon etwas in die Jahre gekommenen Werken von Helga Weippert (Palästina in vorhellenistischer Zeit [HdA 2/1], München 1988) einerseits und Rainer Albertz (Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit [GAT/ATD.Erg 8/1–2], Göttingen 1992) ande­-rerseits. Denn dem fachfremden Leser wie dem Studienanfänger wird man eine Begleitlektüre oder besser noch vertiefende Erläuterungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen wünschen, wo sich Problemhorizonte, Argumentationslinien und Alternativpositionen erschließen lassen. Dafür kann auch das kommentierte Literaturverzeichnis wertvolle Dienste leisten, das die wichtigste Literatur übersichtlich geordnet aufführt und zur selbständig vertieften Ur­teilsbildung anregt – die edelste Aufgabe eines jeden Lehrbuchs.