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Ausgabe:

Oktober/2012

Spalte:

1119–1120

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Tsopurashvili, Tamar

Titel/Untertitel:

Sprache und Metaphysik. Meister Eck­harts Prädikationstheorie und ihre Auswirkung auf sein Denken.

Verlag:

Amsterdam/Philadelphia: Grüner (John Benjamins Pub­-lishing) 2011. XI, 188 S. 24,0 x 16,0 cm = Bochumer Studien zur Philosophie, 52. Geb. EUR 105,00. ISBN 978-90-6032-385-4.

Rezensent:

Udo Kern

Dieses Buch ist eine bei Burkhard Mojsisch erarbeitete philosophische Dissertation der Georgierin Tamar Tsopurashvili. Es besteht aus drei Kapiteln: 1. Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter, 2. Die Bedeutung von negatio negationis und 3. Die Satzstruktur von »Unum est negatio negationis«. Bibliographie, Sachregister und Na­menregister beschließen den Band.
Mit Recht sagt die Vfn.: »Die Vernunft ist ein zentraler Begriff in Meister Eckharts Werken.« (1) Eckharts intelligere qualifiziere die Bedeutung des Denkens selbst und die Sprache als deren Medium. Auch betont die Vfn. richtig Eckharts spekulatives Anliegen. Unzureichend sind ihre zu knappen Hinweise zur Mystikdebatte hinsichtlich Eckharts. Die Absicht ihrer Untersuchung besteht darin, Eckharts Metaphyik unter Systematisierung seines Sprachmodells darzustellen. Hierbei seien insbesondere die Prädikationssätze, die Eckhart betreffs Gottes gebrauchte, relevant. Mit Bezug auf Jan Pinborg (Logik und Semantik im Mittelalter, Stuttgart 1972) unterscheidet die Vfn. zwei mittelalterliche »Prädikationstheorien, die die funktionale Bedeutung der Kopula est behandeln: die Inhärenz- und die Identitäts-Theorie« (18). In der Inhärenztheorie werde das Prädikat extensional, in der Identitätstheorie werde sowohl das Prädikat als auch das Subjekt extensional interpretiert. Das heißt exemplarisch auf Eckharts Transzendentaliengebrauch an­gewandt: Stehen Transzendentalien bei dem Thüringer Meister anstelle des Prädikats, werden sie als Hauptwörter gebraucht. Also in Eckharts »Aussage ›deus est unum‹ oder ›deus est esse‹ wird […] das Prädikat unum bzw. esse nicht als etwas Sekundäres, sondern als etwas genauso Bedeutungsvolles betrachtet wie das in der Position des Subjektes stehende Hauptwort (… deus)« (45 f.).
Gegenüber Thomas von Aquins Metaphysik spricht die Vfn. mit ihrem Lehrer Burkhard Mojsisch zu Recht – mit Bezug auf die berühmte Eckhartstelle in den Quaestiones Pariensis I (LW V n. 4, 40,5–7) – von dessen neuer Metaphysik: Der eckhartsche Satz, »in Gott sei das Erkennen Fundament des Seins«, bedeutet nun: »Gott ist ganz Intellekt und Erkennen, und das begründet sein Sein und Seiend-Sein.« (99 f.) Gut wäre es gewesen, das »Seiend-Sein« metaphysisch eindeutiger philosophisch zu profilieren. Das Selbsterkennen Gottes realisiere sich univok im Erkennen. Es ermögliche sich unter der Aufhebung der bestimmten Seinsmodi qua negatio negationis.
Richtig interpretiert die Vfn. den Stellenwert der causa essentialis bei Meister Eckhart. Wenn der Thüringer Meister »den Grundsatz der causa-essentialis-Theorie ens in sua causa non est ens durch die These causa est in suis causatis ergänzt, schafft er damit den gedanklichen Horizont, in dem sich seine Univozitätstheorie entwickelt. Das univoke Kausalverhältnis macht gerade das In-ihrer-Ursache-Sein der Wirkung aus. Dies führt dazu, dass die univoken Relata sich aufgrund ihrer Entgegensetzung unterscheiden […], sich in ihrer Relationalität jedoch wechselseitig setzen« (133 f.).
Wird etwas seiend, eines, wahr oder gut genannt, dann »ist jedes von ihnen Prädikat des Satzes und wird in seinem eigentlichen Sinne und als Hauptwort« verwandt. Wird aber gesagt, »etwas sei dieses Seiende, dieses Eine, etwa ein Mensch, oder dieses Wahre oder dieses oder jenes Gute, so ist jede der vorgenannten Bestimmungen nicht das (eigentlich) Ausgesagte, sondern Kopula oder nähere Bestimmung zum Ausgesagten«. Im metaphysischen Grundsinne ist »Gott allein […] im eigentlichen Sinne das Seiende, Eine, Wahre und Gute« (130). Durch die Gnade werde der Mensch dazu gebracht, aber nicht mit ihm geeint. Das »vermag allein die Vernunft, die den Menschen durch das Erkennen mit Gott eint« (170). Das Verhältnis Gnade und Vernunft bei Eckhart hätte die Vfn. profilierter ausarbeiten können.
Zu Recht profiliert die Vfn. ihren metaphysischen Ausgang bei Meister Eckhart in dessen semantischer Prämisse: »aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc« (171). Von hier aus interpretiert sie das inhärente Sprachmodell Meister Eckharts in seinen Lateinischen und Deutschen Werken. Das unterscheide sich von dem der negativen Theologie, für die Prädikate allein nomina ohne Subjektrelationen seien, also keine intensionalen relata zum Subjekt hätten.
Eine interessante und sehr lesenwerte Arbeit hat die Vfn. ge­schrieben.