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Ausgabe:

Oktober/2012

Spalte:

1077–1079

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Moawad, Samuel

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zum Panegyrikos auf Makarios von Tko-ou und zu seiner Überlieferung.

Verlag:

Wiesbaden: Reichert 2010. XIV, 346 S. mit Tab. 24,0 x 17,0 cm = Sprachen und Kulturen des christlichen Orients, 18. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-89500-780-4.

Rezensent:

Hans Förster

Die Arbeit von Samuel Moawad wurde im Jahr 2005 in Münster bei Stephen Emmel als Dissertation vorgelegt und erschien – fünf Jahre später – als Veröffentlichung. Sie wird vor allem durch ein sorgfältig gegliedertes Inhaltsverzeichnis (VII–IX) erschlossen, auf Indizes wurde aber leider verzichtet, so dass jeder, der dieses interessante Werk verwenden möchte, etwas Zeit und Mühe aufwenden muss, über das erwähnte Inhaltsverzeichnis zu dem zu gelangen, was er sucht. Eine kurze Einleitung (XIII–XIV) führt an das Werk heran, das sich in sechs Teile gliedert, die von ihrem Umfang her recht unterschiedlich ausfallen (1–285). Es folgen drei Anhänge, die neben zwei Texteditionen auch Korrekturen zur bohairischen Edition von Amélineau enthalten (287–313). Zwischen diesen Anhängen und dem Literaturverzeichnis finden sich noch mehrere Tabellen. Das Literaturverzeichnis (325–346) ist in Abkürzungen, Quellen und Sekundärliteratur aufgeteilt.
Grundsätzlich führt der Vf. den potentiellen Leser durch die Wahl des Titels leider etwas in die Irre. Hinter der Formulierung »Untersuchungen zum Panegyrikos auf Makarios von Tko-ou« versteckt sich das dritte Kapitel mit dem Titel »Die arabische Version des Panegyrikos auf Makarios: Handschrift de-gn arab. 114«, das wohl für die meisten Leser das zentrale Kapitel sein dürfte (63–153). Mit anderen Worten: Es handelt sich bei den »Untersuchungen« im eigentlichen Sinn nicht nur um Untersuchungen zu einem bereits aus der Überlieferung bekannten Text, sondern um die Edition der arabischen Version nach einer Göttinger Handschrift, die mit mehreren anderen arabischen Handschriften verglichen wird. Und mit einer derartigen Edition wird ein weiterer interessanter Text aus der Kirchengeschichte für einen breiten Leserkreis erreichbar, der mitten in die Auseinandersetzung der koptischen Tradition in ihrer antichalkedonensischen Prägung mit dem Konzil von Chalkedon hineinführt: Der besagte Makarios, Bischof einer oberägyptischen Stadt namens Tk ōou, stirbt anlässlich seiner Weigerung, den Tomus Leonis zu unterschreiben, den Märtyrertod, wobei die Art der Tötung nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt (XV.8/fol. 90v): »Als der verwerfliche Gesandte Sargīūs dies gehört hatte, stand er voller Wut auf und trat mit dem Fuß in seinen Genitalbereich. Er stürzte zu Boden und starb sofort.« Zur Einordnung des Werkes bemerkt der Vf. (39): »Der Panegyrikos auf Makarios von Tkōou hat seine Be­sonderheiten, die vor allem seine Klassifizierung erschweren. Er ist eine Mischung von Hagiographie, Kirchengeschichte und theologischer Abhandlung.«
Eine in manchen Punkten sehr kurz formulierende Einleitung über die historischen Hintergründe bzw. die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in der Zeit zwischen dem Konzil von Ephesus und dem Konzil von Chalkedon führt in die Edition ein (Kapitel 1: Die historischen Hintergründe des Panegyrikos auf Ma­karios; 1–38). Wegen der Kürze geraten manche Formulierungen etwas pauschal.
Das sich daran anschließende Kapitel führt in den Panegyrikos auf den ägyptischen Märtyrer Makarios ein (Kapitel 2: Der Panegyrikos auf Makarios von Tkōou; 39–62). Es wird die verwickelte textliche Überlieferung (die Zeugen in den zwei wichtigsten koptischen Dialekten Bohairisch und Sahidisch sowie die arabische Überlieferung) dargelegt, wobei der Versuch unternommen wird, die verschiedenen Versionen in ein Verhältnis zueinander zu setzen. Die Tabellen veranschaulichen dabei sehr deutlich, warum der Vf. ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis sieht. Ein wenig vermisst man in diesem Kontext jedoch das klassische Stemma, anhand dessen die Textgeschichte – und gerade auch eine sehr verwickelte Textgeschichte – deutlich gemacht werden kann. Den dahinterliegenden Fragen hat sich der Vf. ja gestellt, der bezüglich einer nur auf Sahidisch bezeugten Passage am Ende des Textes bemerkt (61): »In diesem Fall stimmen die arabischen Versionen mit der bohairischen Version gegenüber den sahidischen Versionen wieder überein. Das spricht für die Vermutung, dass die arabische Übersetzung aus einer bohairischen Version entstand, oder dass beide auf eine ältere (sahidische?) Version zu­rück­gehen.«
Die Edition der in Göttingen aufbewahrten Handschrift (Kapitel 3: Die arabische Version des Panegyrikos auf Makarios: Handschrift de-gn arab. 114; 63–153) bietet den arabischen Text mit einem kritischen Apparat (69–102), der in der Form von Anmerkungen zum arabischen Text gestaltet ist und Bemerkungen zu allfälligen textlichen Unterschieden gegenüber anderen Handschriften und ähnlichen Fragen enthält. Zur Edition könnte man anmerken, dass formal eine Zeilenzählung mit klassischem kritischen Apparat vielleicht günstiger gewesen wäre. In dieser Edition samt ihrem Apparat steckt viel sorgfältige Arbeit, die dann durch die Übersetzung (103–153) auch für alle, die des Arabischen nicht mächtig sind, erschlossen wird. Gerade deswegen ist der Vf. noch einmal dafür zu kritisieren, dass er dem potentiellen Leser dies alles nicht bereits im Titel ankündigt.
Während der hagiographische Bericht in Bezug auf die historische Zuverlässigkeit der berichteten Ereignisse um das Konzil von Chalkedon sicherlich nicht als Quelle ersten Ranges angesehen werden kann – dies gilt aber wohl für fast alle hagiographischen Berichte –, sind es gerade die Details, die diesen Text ungemein spannend machen. Sei es die Tatsache, dass die Designierung des Nachfolgers durch den amtierenden Abt des sog. »Weißen Klosters« in Oberägypten, Schenute, einfach nur berichtet wird (IV.1/fol. 61v). Sei es auch – dies aus der Sicht der Genderforschung genauer zu beleuchten, wäre sicherlich nicht uninteressant –, dass im Rahmen der Erzählung auch die Vergewaltigung von Frauen als Repressalie gegenüber Vertretern anderer Traditionen thematisiert wird (VIII. 11–16/fol. 73r–73v).
An die Edition schließt sich ein Kommentarteil an (Kapitel 4: Kommentar zum Panegyrikos auf Makarios; 155–212), der sehr stark von der koptologischen Sicht des Vf.s geprägt ist. Dies muss ja auch so sein. Und so wird diese Arbeit hoffentlich Ausgangspunkt für weitere Forschungen sein. Ein spannender Bereich wäre zum Beispiel das Verhältnis von Christentum und vorchristlichen Traditionen (183): »Die alexandrinische Kirche bekämpfte die altägyptische Religion […] Sie versuchte, die Christen vom Besuch der Tempel und insbesondere der Pilgerstätten abzubringen. Im Rahmen dieser Verbote wurden auch der christliche Märtyrer- und Heiligenkult von der Kirche untersagt. Trotzdem hielten die Christen Ägyptens an bestimmten altägyptischen (heidnischen) Sitten und Bräuchen fest.« Es wäre wahrscheinlich ein lohnenswertes Unterfangen, diese Frage einmal stärker aus theologischer Sicht zu beleuchten. – Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Verwendung des vorliegenden Textes in anderen Quellen der koptischen Überlieferung und in den verschiedenen Sprachen, die zu dieser Überlieferung gehören (Kapitel 5: Das Nachleben des Panegyrikos auf Makarios; 213–240).
Das abschließende Kapitel ordnet den Panegyrikos in das Genre der Kirchengeschichtsschreibung der Antike ein (Kapitel 6: Kirchengeschichtsschreibung am Beispiel des Panegyrikos auf Makarios; 241–285). Auf eine abschließende Zusammenfassung des Werkes wird verzichtet. Es bleibt zu hoffen, dass das Werk auch außerhalb der eher begrenzten Disziplin der Koptologie vor allem von der Theologie rezipiert wird. Immerhin werden genügend Details geschildert, die für unterschiedliche Teildisziplinen der Theologie von Interesse sind, sei es die Erforschung von Mönchtum, Brauchtum oder auch die Erforschung der Frage einer religiös motivierten Anwendung von Gewalt gegenüber Vertretern anderer Traditionen (sei es innerhalb unterschiedlicher christlicher Traditionen oder zwischen Christen und Nichtchristen; dies wird gleich an mehreren Stellen thematisiert).