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Ausgabe:

Juli/August/2012

Spalte:

791–792

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Pfeiffer, Stefan

Titel/Untertitel:

Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr. – 217 n. Chr.).

Verlag:

Stuttgart: Steiner 2010. 378 S. 24,4 x 17,8 cm = Historia. Einzelschriften, 212. Geb. EUR 67,00. ISBN 978-3-515-09650-8.

Rezensent:

Peter Herz

Die Erforschung des römischen Kaiserkultes hat Konjunktur, wo­bei die Zahl der Publikationen, aber nicht immer ihre Qualität fast überwältigend zu nennen ist. Trotzdem fand das römische Ägypten lange Zeit nur wenig Beachtung. Wenn sich die Forschung überhaupt diesem gern als Sonderfall deklarierten und daher an den Rand geschobenen Territorium zuwandte, dann konzentrierte man sich eher auf die Anfänge der römischen Herrschaft (Herklotz) oder die Rezeption des Kaisers in der einheimischen Kulttradition (Hölbl). Die Studie von Stefan Pfeiffer unternimmt nun den verdienstvollen Versuch, das reiche Material bis zum Tode Caracallas zusammenzutragen und möglichst aufzubereiten. Leider blieb aus für den Rezensenten nur schwer nachvollziehbaren Gründen (211 ff.) die letzte Phase bis zum Ende der Tetrarchie unberücksichtigt, obwohl es auch dort noch genügend lohnendes Material geben würde. Dies betrifft u. a. die Nachrichten zu den sicherlich mit dem Kaiserkult zu verknüpfenden Agonen des 3. Jh.s.
Die Gliederung selbst ist übersichtlich. Nach zwei einführenden und eher knapp ausgefallenen Kapiteln zu »Kaiserkult und Kaiserverehrung im römischen Reich« (19–30) und zur multikulturellen Gesellschaft Ägyptens (31–40) folgt der 1. Hauptteil »Der Kaiser, Alex­-andria und Ägypten« (41–216). Hier arbeitet sich P. in einer kleinschrittigen Vorgehensweise beginnend mit Augustus und der Er­oberung Ägyptens (30 v. Chr.) durch die einzelnen Regierungs­perioden bis zum Todes Caracallas, wobei Augustus (41–61), Claudius (74–88), Hadrian (145–168) und Septimius Severus (184–199) auch materialbedingt gewisse Schwerpunkte bilden. Die Sonderrolle der Stadt Alexandria, die zwar auf dem Territorium der Provinz lag, aber unter rechtlichen Gesichtspunkten stets als eine griechische Polis behandelt wurde, wird klar angesprochen, obwohl die Materialien zum Kaiserkult in dieser Stadt recht ungleichmäßig verteilt sind.
Bei Claudius wird auch ganz zu Recht der wichtige Papyrus CPJ II 153 = P.Lond. VI 1912 ausführlich (74–87) besprochen. Dem Rezensenten scheint allerdings der politisch entscheidende Grund, warum die Claudius angebotene Einrichtung eines archiereus und die Errichtung von Tempeln vom Kaiser nicht akzeptiert wurden, etwas untergegangen zu sein. Es dürfte weniger eine bewusste Abgrenzung von der Politik Caligulas gewesen sein als vielmehr die Abwehr eines Versuches der Alexandriner, durch die Hintertür eine die gesamte Provinz integrierende Kultorganisation zu etablieren. Der künftige archiereus wäre sicherlich ein Alexandriner gewesen und hätte dann in Analogie zu den archiereis etwa von Asia als offizieller Sprecher der gesamten Provinz fungieren können. Nach den alexandrinischen Unruhen unter Caligula wäre dies ein kaum zu vertretendes politisches Risiko gewesen. 78: Die Techniten ehrten Claudius nicht wegen seines Germanensieges, sondern wegen des Sieges in Britannien (richtig Anm. 251).
Der 2. Hauptteil »Strukturen, Institutionen und Ausdrucksweisen von Kaiserkult und -verehrung in Ägypten« (217–315) weicht von der chronologischen Ordnung ab und versucht, einen eher systematischen Zugang zu dem Material zu eröffnen. Das dabei verwendete Ordnungsprinzip (Kaiser als Basileus und Pharao, der Kult in den Metropolen, der Kaiser in den ägyptischen Tempeln, Kaiserkult und Verehrung durch die Bevölkerung) ist übersichtlich und einleuchtend, obwohl das Fehlen des römischen Heeres in Ägypten etwas verwundert. Hier hätte man sicherlich auf der Basis des außerägyptischen Materials noch einiges sagen können. Dies gilt auch für die Kaiserfeste (313–315), deren Behandlung etwas dünn ausgefallen ist.
»Protome« kann entgegen P. kaum als allgemeine Bezeichnung für ein Kaiserbild angesehen werden. Die in den Quellen überlieferten Gewichtsangaben für solche Protomen sichern zweifelsfrei, dass es sich bei den Protomen um Kaiserbüsten aus dünnem Gold- oder Silberblech gehandelt hat. Diese sind eindeutig von den lebensgroßen statuarischen Darstellungen (agalma oder andrias) und den ikonenähnlichen gemalten Kaiserbildern (vgl. den Berliner Tondo) zu unterscheiden.
Leider ist die Forschungsdiskussion nur ungleichgewichtig berücksichtigt worden. Während die speziell auf Ägypten ausgerichtete Forschung in der Regel angemessene Berücksichtigung fand, wurde die außerägyptische Diskussion eher ekletisch herangezogen. Hier wäre noch einiges an Arbeit zu leisten. Daher ist das Buch sicherlich eine wichtige und wertvolle Zwischenbilanz, aber gewiss nicht das endgültige Werk zum Kaiserkult in Ägypten.
Das Material wird durch eine Bibliographie der wichtigsten (im Text abgekürzt zitierten) Literatur (321–355) und Indizes für epigraphische, papyrologische und literarische Quellen (357–367) sowie für Personen, Orte und Sachen (368–378) erschlossen.