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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

740–741

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Böhnke, Michael, u. Thomas Schüller [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Gemeindeleitung durch Laien? Internationale Erfahrungen und Erkenntnisse.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2011. 360 S. 23,3 x 15,7 cm. Kart. EUR 24,95. ISBN 978-3-7917-2313-6.

Rezensent:

Norbert Mette

Laut Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche besteht der Normalfall darin, dass für die verantwortliche Wahrnehmung der Seelsorge in einer Pfarrei vom zuständigen Diözesanbischof ein Priester bestellt und zum Pfarrer ernannt wird. Aufgrund des Mangels an Priestern kann dieser Normalfall allerdings immer seltener realisiert werden. Von daher drängt sich die Frage auf, warum nicht auch Laien mit der Leitung einer Pfarrei beauftragt werden können, auch wenn man konzediert, dass er bzw. sie keine Eucharistiefeier zelebrieren und die Sakramente der Versöhnung und der Krankensalbung nicht spenden kann. Besonders im deutschsprachigen Raum sind seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil viele Laien, Frauen und Männer, hauptamtlich im pastoralen Dienst tätig; zum großen Teil verrichten sie diesen in Pfarreien. Aber auch darüber hinaus gibt es Laien, die bereit wären, ehrenamtlich die Leitung einer Pfarrei auszuüben. Das hätte den Vorteil, dass das seelsorgerliche Personal nahe bei den Menschen bliebe und eine »Notlösung«, wie sie derzeit in vielen Diözesen betrieben wird, nämlich die bisherigen Pfarreien zu größeren pastoralen Einheiten zusam­menzuschließen, nicht notwendig wäre.
Nun sieht das Kirchenrecht für den Fall, dass dem Bischof nicht genügend Priester, die er zu Pfarrern bestellen könnte, zur Verfügung stehen, eine mögliche Regelung vor: Für diesen Fall, so besagt can. 517 § 2, kann er »einen Diakon oder eine andere Person, die nicht die Pries­terweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen an der Wahrnehmung der Seelsorgeaufgaben einer Pfarrei betei­-ligen«. Er hat dann »einen Priester zu bestimmen, der, mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet, die Seelsorge leitet«. Wohlgemerkt, dieser Priester wird nicht offiziell zum Pfarrer bestellt. Er kann jemand sein, der eine andere Aufgabe innehat und mit dieser auch hinreichend ausgefüllt ist. Er muss auch nicht in der Nähe wohnen und sich ständig vor Ort sehen lassen. Er kann ganz im Hintergrund fungieren und die praktische Verantwortung für die Seelsorge in einer Pfarrei weitgehend an die dort tätigen Personen, Diakone oder Laien (inkl. Ordensschwestern) delegieren. Er hat nur für die Letztverantwortung geradezustehen.
Welche Erfahrungen werden mit dieser Form der »Gemeindeleitung« gemacht? Dazu ist von den beiden Herausgebern dieses Sammelbandes eine Studie in zwei deutschen Bistümern durchgeführt worden. Über die wichtigsten dabei erzielten Ergebnisse informiert ein Beitrag in diesem Sammelband. Im Zusammenhang der öffentlichen Vorstellung dieser Ergebnisse haben sie eine Tagung zum Thema can. 517 § 2 durchgeführt. Es gelang, Fachleute aus der ganzen Weltkirche (Europa, Nord- und Südamerika, Afrika, Asien und Australien) zu versammeln, die jeweils über die Erfahrungen, die in ihrer Ortskirche mit dem genannten Kanon gemacht worden sind und werden, zu berichten. Dabei ergab sich ein vielfältiges Bild; das Spektrum reicht von einem zögerlichen Gebrauch des Kanons bis hin zu einer sehr weitgehenden Anwendung.
Es gilt nun, und das wurde auf der Tagung auch angesprochen, gerade die positiven Erfahrungen, die mit dieser Form der »Ge­meindeleitung« gemacht worden sind, weiterzudenken in Richtung der Möglichkeit einer eigenverantworteten Wahrnehmung der Leitungsfunktion von Pfarreien durch Laien, wie es der Aufwertung von Laien in der katholischen Kirche durch das letzte Konzil entspräche. Denn so viel ist deutlich: Can. 517 § 2 ist für eine bestimmte pastorale Notsituation vorgesehen worden und eignet sich nicht für eine Situation, in der die Not zum allgemeinen Zu­stand geworden ist.