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Ausgabe:

Februar/2012

Spalte:

199–200

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Berger, Michael

Titel/Untertitel:

Eisernes Kreuz – Doppeladler – Davidstern. Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen. Der Militärdienst jüdischer Soldaten durch zwei Jahrhunderte.

Verlag:

Berlin: trafo Wissenschaftsverlag 2010. 467 S. 21,5 x 13,5 cm. Geb. EUR 49,80. ISBN 978-3-89626-962-1.

Rezensent:

Ulrich Oelschläger

Michael Berger, Historikeroffizier im Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr und Gründungsvorsitzender des Bundes jüdischer Soldaten sowie Herausgeber der Zeitschrift »Der Schild«, legt nach mehreren Veröffentlichungen zum gleichen Thema eine überarbeitete und um die Darstellung der Verhältnisse in österreichisch-ungarischen Armeen sowie um die jüdischer Soldaten im spanischen Bürgerkrieg erweiterte Fassung seiner Monographie aus dem Jahre 2006, »Eisernes Kreuz und Davidstern. Die Geschichte Jüdischer Soldaten in Deutschen Armeen«, vor. B. gliedert seine Studie sowohl chronologisch als auch nach thematischen Kriterien. So legt er im »Teil A: Von der Epoche der Emanzipation bis zum Ersten Weltkrieg« in einem ersten mehrfach untergliederten Abschnitt durch die Darstellung der Verhältnisse in deutschen Armeen ein historisches Fundament. Dabei dient als Einführung zunächst eine Beschreibung der Emanzipation zu Beginn des 19. Jh.s und ihrer Auswirkungen auf den Militärdienst der Juden.
In der Monographie wird deutlich, dass die jüdische Bevölkerung um ihre »Wehrwürdigkeit« bemüht war. B. stellt schon in der Einführung und später wiederholt fest, dass die Berücksichtigung der Juden für den Dienst in der Armee in Österreich-Ungarn, im Vielvölkerstaat, der unter dem ständigen Druck stand, heterogene Bevölkerungsgruppen zu integrieren, selbstverständlicher erfolgte und auch der Zugang zu Offizierskarrieren leichter war als in Preußen. Waren die Juden in Bayern bereits 1804 wehrpflichtig, so in Preußen aufgrund des Wehrgesetzes vom 3. September erst 1814. Eindrucksvoll allerdings sind diejenigen Beispiele, in denen sich Juden freiwillig zum Einsatz in den Befreiungskriegen vor 1814 meldeten, 561 Männer in den Jahren 1813–1815. Rechnet man die 170 nach 1814 ausgehobenen dazu, so haben 731 Juden gegen Napoleon auf preußischer Seite gekämpft. Charakteristisch für die Studie ist, dass B. im Zusammenhang der Teilnahme von Juden an den Befreiungskriegen und als Abschluss dieses Kapitels diese Zeit durch Quellen dokumentiert, durch einen Auszug aus den Me­moi­ ren des »Löser Cohen« und durch eine Rede und ein Gebet aus dieser Zeit der Freiheitskriege.
Die folgende Darstellung der Zeit nach den Freiheitskriegen steuert schnell auf den Zeitabschnitt des Ersten Weltkriegs zu. Dabei ist festzustellen, dass bereits in der Zeit nach den Freiheitskriegen die Situation für jüdische Soldaten schwieriger wird, eine Order des preußischen Militärkabinetts von 1822 z. B. jegliche Beförderung jüdischer Soldaten untersagt. Die Beispiele des Bankiers Max Warburg, der in den 1880er Jahren als Einjährig Freiwilliger in einem Bayerischen Kavallerieregiment diente und dessen Bewerbung um die Beförderung zum Offizier ebenso abgelehnt wurde wie die Wal­-ther Rathenaus, des späteren Reichsaußenministers in der Weimarer Republik, sind bezeichnend. Interessant ist die Beschreibung der Zeit des Ersten Weltkriegs, und hier besonders die Darstellung der jüdischen Militärseelsorge. Die Feldrabbiner (wie Leo Baeck) hatten einen großen Bereich zu betreuen und mussten ihr Amt ehrenamtlich versehen. Auf der einen Seite war ein Bemühen um die religiösen Bedürfnisse der jüdischen Soldaten erkennbar, etwa bei Zugeständnissen in der Verpflegung oder der Begehung von Feiertagen, zahlreiche Eingaben in dieser Beziehung wurden aber auch aus Kostengründen abschlägig beschieden. Einen Einschnitt bildete sicher die von antisemitischen Kreisen initiierte und durch das Kriegsministerium angeordnete Judenzählung von 1916.
Ein Problem der Monographie ist, dass die konzipierte Gliederung nicht immer konsequent durchgehalten wird, manches be­reits einem späteren Kapitel vorweggenommen wird und so Wie­derholungen bis in die Formulierung hinein etwas stören. Der Ausblick auf »Wehrmacht und nationalsozialistische Gewaltherrschaft« wird bereits innerhalb des ersten Teils geboten. Im Zusam­menhang damit wird auch behauptet, die Namen jüdischer Gefallener des Ersten Weltkriegs seien von den Ehrenmalen entfernt worden (67.258). Das stimmt in dieser pauschal festgestellten Weise sicher nicht. Als eines von sicher mehreren Gegenbeispielen sei das Ehrenmal des Friedhofs von Fürfeld in Rheinhessen genannt, auf dem der Name des 1918 gefallenen Salomon Kahn (vgl. S. 377 der Monographie) bis heute zu lesen ist.
Den einzelnen Kapiteln sind jeweils Fallbeispiele angefügt, so dem ersten Teil der Fall des Meno Burg, der es aufgrund seiner Leis­tungen, vor allem in den theoretischen und mathematischen Grundlagen der Artillerie, zum Stabsoffizier der Artillerie bringen konnte und seinem Glauben im Gegensatz zu manchem anderen treu blieb. Eindrucksvoll ist vor allem der Fall des im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Sozialdemokraten Dr. Ludwig Frank, der sich für eine Völkerverständigung einsetzte, nach Ausbruch des Krieges sich jedoch freiwillig meldete, unmittelbar an der Front eingesetzt wurde und fiel. In einem zweiten Teil der ersten Phase beschreibt B. die Verhältnisse in der k.u.k.-Armee, wo, wie gesagt, der Dienst für jüdische Soldaten selbstverständlicher war und bessere Beförderungsmöglichkeiten bestanden bis in die Generalsränge, wofür Beispiele genannt werden.
Teil B behandelt die Zeit der Republiken und zeigt, dass insbesondere in Deutschland beim 100.000-Mann-Heer, aber auch in dem nun kleinen deutschen Österreich die Situation für Juden schwieriger wird. Der Kampf um Anerkennung der Leistungen und Opfer, die man im Weltkrieg gebracht hatte, wurde vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten aufgenommen, der 1919 ge­gründet wurde, eine vergleichbare Vereinigung in Österreich erst 1932.
Teil C widmet sich dem jüdischen Widerstand und der Teilnahme jüdischer Kämpfer im spanischen Bürgerkrieg, die Zahl der jüdischen Kämpfer im Heer der spanischen Republik wird auf ca. 500 geschätzt. Im Zusammenhang dieses Teils ist der Umgang mit diesem Aspekt deutscher Geschichte in der Tradition der Bundeswehr besonders aufschlussreich, erfolgte doch z. B. die Umbenennung einer nach dem Jagdflieger der Legion Condor Werner Mölders benannten Einrichtung erst 2005.
Schließlich widmet sich B. in einem letzten Teil D den bedrü­-ckenden Schicksalen jüdischer Frontsoldaten in der Shoah. Dieser Teil enthält einen Ausblick auf die Juden in der Bundeswehr und dem österreichischen Bundesheer. Grundsätzliche Ausführungen auf die Vereinbarkeit von Militärdienst und Einhaltung der Halacha sowie eine weitere Darstellung über die Verhältnisse in der Gegenwart in beiden Armeen in Form einer Dokumentation verschiedener Reden anlässlich von Würdigungen schließen die Studie ab. B. fügt neben dem ausführlichen Literaturverzeichnis noch drei Anhänge an, vor allem die Liste der 12.000 jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs und das Andachtsbüchlein für jüdische Krieger von Moses Löb Bamberger.
Insgesamt bietet B. einen guten und lesenswerten Überblick über ein zum Teil gut erforschtes Kapitel jüdischer Emanzipation und ihrer Verweigerung.