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Ausgabe:

Januar/2012

Spalte:

61–62

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Dall’Aglio, Stefano

Titel/Untertitel:

Savonarola and Savonarolism. Transl. by J. Gagné.

Verlag:

Toronto: Centre for Reformation and Renaissance Studies 2010. 190 S. m. Abb. gr.8° = Essays and Studies, 24. Kart. US$ 24,50. ISBN 978-0-7727-2061-0.

Rezensent:

Joachim Weinhardt

Es vergeht wohl kein Jahrzehnt, in dem kein populärwissenschaftliches Buch über Savonarola (1452–1498) erscheint. Savonarola wurde schon als Märtyrer, Vorreformator, Revolutionär, Nationalist, Frührationalist dargestellt. Er war monastischer Reformer und intransigenter Sittenerneuerer in Florenz (nicht unähnlich Calvin in Genf), apokalyptischer Visionär im Wirkungsfeld joachimi­tischer Eschatologie, Vorkämpfer der Republikaner in der stürmischen Verfassungsgeschichte der Arnostadt, antipäpstlicher und antikaiserlicher Außenpolitiker, Erfinder einer rationalistischen christlichen Religionsphilosophie, um nur die wichtigsten Facetten seines Wirkens zu benennen. Das Buch handelt von Savonarolas äußerer Biographie im Rahmen der politischen Geschichte von Florenz, im zweiten Teil vom Beitrag seiner Anhänger zu dieser Geschichte bis 1599 (12).
Die äußere Biographie Savonarolas (1452–1498) ließe sich kurz fassen: Der Enkel des Ferraresischen Hofarztes Michele Sa­vo­narola kam 1490 endgültig nach Florenz, nicht ohne die Beteiligung von Lorenzo de’ Medici (1449–1492), dem ungekrönten Autokraten der Stadt (13 f.). Savonarola wurde Prior im Dominikanerkonvent von San Marco und initiierte eine monastische Re­formbewegung, die zu einer eigenständigen dominikanischen Reformkongregation führte. Im öffentlichen Gottesdienst verkündete er die Strafe Gottes für die Sünder und rief zur Buße angesichts des Jüngsten Gerichts auf (15–17). In der Fastenzeit 1494 predigte er von einem neuen Cyrus (Jes 44 f.), der nach Italien kommen und die Kirche von Korruption befreien werde. Im Herbst marschierte Karl VIII. von Frankreich gegen Rom an Florenz vorbei. Dort wurde Lorenzos Nachfolger Piero de’ Medici wegen mangelnden Verhandlungsgeschicks verjagt und die Republik wieder eingeführt. Als der König in der Stadt einzog und unter Savonarolas Mitwirkung eine Plünderung verhindert wurde, stand der Frate als Prophet und Retter des Staates da (17–19). Von nun an verkündete er außer der Reform der Kirche auch den Anbruch einer goldenen Zukunft für Florenz als dem Ausgangspunkt der Erneuerung der Welt (30). An dieser chiliastischen Verheißung wurde er gemessen (46). Bekanntlich traf sie nicht ein. Vielmehr machte der Papst seinen Kritiker stumm. Dies gelang jedoch erst nach langem taktischen Geplänkel zwischen der prosavonarolianischen Florentiner Regierung und der Kurie, als Alexander VI. Borgia Savonarola exkommunizierte und der Stadt das Interdikt androhte (25 f.28.32.52.57 f.). Merkantilistische Gründe und das Ausbleiben der besseren Zeiten führten zur Wahl einer antifratesken Regierung. Als auch noch die Herausforderung auf ein Gottesurteil durch Feuer von Savonarolas An­hängern zuerst angenommen, dann aber verschleppt wurde, stürmte der Mob San Marco. Il Frate und seine Getreuen wurden verhaftet, zum Teil gefoltert, exkommuniziert, erhängt und verbrannt (58 f.61 f.65–67).
Dass die inhaltlich recht enge Narration dieser Begebenheiten doch über 50 Seiten umfasst (13–67), liegt daran, dass der Vf. durchgängig sehr viele der zeitgenössischen Streitschriften pro und contra Savonarola paraphrasiert. Dadurch kann man sich zwar anhand des Namenregisters einen Überblick über die Savonarola unterstützenden und die gegnerischen Kombattanten machen, was für soziologisch interessierte Leser wünschenswert sein könnte. Dies hätte jedoch anders kürzer und besser erreicht werden können. Was dem Buch fehlt, ist eine theologische Profilierung Savonarolas und seiner Gegner und eine gesamtitalienische, besser jedoch eine gesamteuropäische Einordnung der Geschehnisse in Florenz.
Der zweite Teil des Buches (69–147) beschreibt analog die Haltung der Anhänger von Savonarola nach seinem Tod, bei der Wie­dereinsetzung der Medici-Herrschaft (1512), beim kurzen Wiederaufleben der Republik (1527) und bei der endgültigen Etablierung des mediceischen Herrscherhauses (1530).
Das Buch ist geeignet als Einführung in die Geschichte des Florentiner Staatswesens von 1490 bis 1600. Das Bild Savonarolas bleibt holzschnittartig.