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Ausgabe:

Juli/August/2011

Spalte:

775-776

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Isele, Bernd

Titel/Untertitel:

Kampf um Kirchen. Religiöse Gewalt, heiliger Raum und christliche Topographie in Alexandria und Konstantinopel (4. Jh.).

Verlag:

Münster: Aschendorff 2010. VI, 267 S. gr.8° = Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsbd. Kleine Reihe, 4. Lw. EUR 38,00. ISBN 978-3-402-10910-6.

Rezensent:

Frauke Krautheim

In der Umbruchzeit der Spätantike markierte die konstantinische Wende den Beginn eines christlichen Kirchenbauprogramms, das die Topographie der Städte des Imperium Romanum maßgeblich veränderte. Funktionale Zweckbauten wichen monumentalen Kirchengebäuden, Dokumenten der Christianisierung spätantiker Metropolen, die das Selbstverständnis der wachsenden christlichen Gemeinden und zugleich den Einfluss des Kaisers in den urbanen Zentren repräsentieren. Als Indikator innerchristlicher Auseinandersetzung, Manifestation und Inszenierung religiöser Konflikte im 4. Jh. sind Kirchengebäude in Konstantinopel und Alexandria Gegenstand der von Bernd Isele verfassten Monographie, einer leicht überarbeiteten Fassung seiner Dissertation, die im Rahmen des Spätantikenprojekts des SFB 493 Kampf um Kultstätten. Sakraler Ort und religiöser Konflikt in der Spätantike entstanden ist.
Der Wechselwirkung zwischen innerchristlichem Konflikt und der Genese christlicher Topographie in Konstantinopel (15–111) und Alexandria (113–192) legt I. drei miteinander korrelierende Aspekte zugrunde: den Wandel der Mechanismen innerstädtischer Konflikte durch Auseinandersetzungen mit der Sakraltopographie (reli­-giöse Gewalt), die sich im Konflikt verändernde Wahrnehmung umkämpfter Kirchen als Bedeutungsträger konkurrierender Identitäten (heiliger Raum) und die Einwirkung innerchristlicher Auseinandersetzungen auf die Transformation der Stadtlandschaften (christliche Topographie). Für beide Metropolen ent­faltet er die These, dass die Wahrnehmung von Kirchenbauten ein bestimmender Parameter für die innerchristlichen Auseinandersetzungen ist. Der Wechselwirkung zwischen religiösem Konflikt und der Wandlung der christlichen Sakralarchitektur ordnet er eine veränderte Wahrnehmung der umkämpften Kirchenbauten zu.
Im ersten Teil fokussiert I. die Mechanismen des innerchristlichen Konflikts in Konstantinopel als Impulsgeber für die Formierung einer christlichen Topographie innerhalb des urbanen Raums (15–32). Am Beispiel des Todes des Arius skizziert er die aus dem Konflikt resultierende semantische Aufladung eines Ortes als Erinnerungsort. Der Hagia Eirene, Identifikationsmerkmal und Monument städtisch-christlicher Selbstständigkeit, stellt er die Hagia Sofia als bauliche Manifestation kaiserlicher Einflussnahme gegenüber und bestimmt die Sakraltopographie Konstantinopels als Spiegel der Auseinandersetzungen (33–50). Die Veränderung der Parameter des städtischen Konflikts und die Strategien der christlichen Eroberung des urbanen Raums veranschaulicht er an zwei Maßnahmen des Bischofs Makedonius, die die bestehenden städtischen Identifikationsmechanismen unterbanden und die lokalen Strukturen veränderten (51–79): der Verbringung des Sarkophags Konstantins aus der Apostelkirche, die den öffentlichen Kontrapunkt zu den von Makedonios monopolisierten Kirchen Konstantinopels und den Referenzpunkt seiner innerstädtischen Gegnerschaft darstellte, in die Akakioskirche. Diese Maßnahme plausibilisiert I. mit der Etablierung monastischer und asketischer Gruppen in Konstantinopel, die, in räumlicher Nähe zu der neuen Ruhestätte Konstantins, als »neue Stadt« die Transformation des urbanen Raums verdeutlichen. Die Aspekte dieses Wandlungsprozesses er­gänzt er durch den Blick auf einzelne Bausteine der christlich-städtischen Topographie: Am Beispiel der privaten Versammlungsräume der nicaenischen Gemeinde Gregors von Nazianz als Gegensatz zur offiziellen Sakraltopographie Konstantinopels und des aus dem innerstädtischen Konflikt mit Makedonios bedingten Transformationsprozesses der Kirche der Novatianer verdeutlicht I. die Genese des christlichen Kirchenraums und dessen Wechselbeziehung zu dem innerchristlichen Konflikt (80–106).
Ausgehend von der heterogenen christlichen Topographie Alexandrias (113–119) skizziert I. im zweiten Teil drei Konfliktebenen: Dem Konflikt um Arius entsprachen Auseinandersetzungen um den Besitz christlicher Versammlungsgebäude zur Behauptung der regionalen Dominanz: Das Kirchengebäude wurde Definitionsmerkmal und Argumentationsstrategie einer Gruppe (120–142). Den Wandel der Parameter innerstädtischer Auseinandersetzungen zum konkurrierenden Machtanspruch zwischen kaiserlicher Investitur und kirchlicher Souveränität verdeutlicht I. an der Theonaskirche, deren Bedeutungswandel mit dem Hergang des Konflikts um Athanasius korrelierte (143–166). An den Auseinan­dersetzungen um die Große Kirche veranschaulicht er die Bedeutung der Semantik des Kirchenbaus und deren Wirkung auf die städtische Sakraltopographie: In Wechselbeziehung zu den innerchristlichen Konflikten um Athanasius stellt sich die Sakralisierung und Profanisierung des Kirchengebäudes als ein dynamischer Prozess im Umgang mit heiligen Räumen dar (167–192).
Als Resultat (193–221) der Verhältnisbestimmung von religiösem Konflikt und der Genese christlicher Topographie hält I. fest, dass Konflikte und daraus erwachsende Erinnerungsorte Impulsgeber für eine Christianisierung der Städte waren: Er bestimmt den Konflikt als Indikator für die Sakralisierung eines Kirchengebäudes und weist heiligen Räumen die Funktion einer Plausibilisierungsstrategie im Konflikt zu.
Die Ergebnisse verortet I. in einer detailliert dokumentierten Auseinandersetzung mit Positionen der modernen Forschung. Er stellt überzeugend heraus, dass die Transformation des urbanen Raums in eine christliche Topographie im innerchristlichen Konflikt und nicht in Auseinandersetzungen um nichtchristliche Kultstätten ihre Voraussetzungen hatte. Mit dem Fokus auf christlicher Topographie, religiöser Gewalt und heiligem Raum arbeitet er bei sorgfältiger Auswertung einer breiten Quellenbasis und anschaulich präsentierten Fallstudien entscheidende Faktoren für die christliche Transformation des urbanen Raums heraus.