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Ausgabe:

März/2011

Spalte:

299-301

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Brent, Allen

Titel/Untertitel:

A Political History of Early Christianity.

Verlag:

London-New York: T & T Clark International (Continuum) 2009. XVIII, 326 S. gr.8°. Kart. £ 25,00. ISBN 978-0-567-03175-4.

Rezensent:

Adolf Martin Ritter

Unter dem eher unglücklichen, weil missverständlichen Titel einer »politischen Geschichte« (was heißt das in diesem Falle?) schildert Allen Brent, lange Zeit Geschichtsprofessor an der James Cook University in Australien, gegenwärtig in Cambridge als Ruheständler und Senior Member von St. Edmund’s lebend und als Affiliated Lecturer an der dortigen Faculty of Divinity tätig, in Fortführung eines zeitweilig von der British Academy geförderten, langfristig angelegten Forschungsprojektes den Weg des frühen Christentums im politischen Kontext des Imperium Romanum. Diesem verdankten bereits mehrere Veröffentlichungen aus seiner Feder ihre Entstehung; genannt sei lediglich die Monographie über den »Kaiserkult und die Entwicklung der Kirchenordnung« von 1999 (rez. in: ThLZ 126 [2001], 61–63).
In acht Kapiteln (genau wie in der eben genannten Monographie) entfaltet B., was er sich in seinem neuen Werk vorgenommen hat. Die Kapitel sind überschrieben mit: 1. »Der Jesus der Geschichte, seine Bewegung und die Politik seiner Tage« (1–31); 2. »Erste Konfrontation mit dem Heidentum unter Nero und die Gemeinde des Markus[evangeliums]« (32–77); 3. »Die politische Theologie der au­gusteischen Revolution: die Wiederherstellung der Welt« (78–128); 4. »Die apokalyptische Antwort des Sehers Johannes: eine Attacke gegen die kosmische Rekonstruktion durch Augustus« (129–165); 5. »Frühchristliche Neuordnung der Welt: (Der Evangelist) Lukas, Klemens, Ignatius« (166–208); 6. »Die Apologeten und die Politik der Trinität: Logos und Kosmologie« (209–251); 7. »Cyprian gegen Decius: gegensätzliche Eschatologien und die Schaffung eines Staates im Staat« (251–276); 8. »Konstantin, die göttliche Ordnung des christlichen Reiches und dessen europäisches Vermächtnis« (277–291). Eine knappe Bibliographie (darunter kaum deutsche Titel, sie seien denn ins Englische übersetzt) und die üblichen Register (darunter ein Verzeichnis griechischer Termini voller Akzentfehler, worauf man allerdings, nach dem über den Textteil verstreuten »Griechisch«, gefasst sein musste) schließen das Ganze ab.
Hinter diesen (nicht immer auf Anhieb verständlichen) Kapitelüberschriften verbirgt sich der (von B. schon mehrfach unternommene) Versuch, Beziehungen zwischen dem frühen Christentum und seinem paganen Umfeld aufzudecken, und zwar in religiöser, politischer, sozialer wie kultureller Hinsicht: z. B. indem er den ›historischen Jesus‹ und seine Bewegung einem eindeutig apokalyptischen Kontext zuordnet und diesen wiederum in Beziehung setzt zu paganen politischen Theorien der Zeit (Kapitel 1) oder indem er das Markusevangelium in Verbindung bringt mit den tumultuösen Vorgängen im Rom und Judäa der Jahre 68/9 n. Chr. (Kapitel 2) etc. Dabei wird die Aussagekraft von »Parallelen« nicht selten überschätzt – so, wenn die Warnungen des 1Clem vor Zwie­-tracht innerhalb der korinthischen Gemeinde mit der Gefahr staatlicher Intervention (191) und die Ämtertheologie des Ignatius von Antiochien, mit dem Monepiskopat als Spitze, aus der Parallelität mit der Struktur von Mysterienvereinen ›monokausal‹ erklärt werden (195 ff.) –, wie das bereits zu früheren Veröffentlichungen B.s kritisch angemerkt wurde (vgl. ThLZ 133 [2008], 57 f.). Immerhin erfährt man in dem Buch vieles Interessante und manches Neue, was etwa den Einfluss gerade auch der stoischen Kosmologie auf das politische Denken der Zeit (96–108) oder den Zusammenhang zwischen dem augurium salutis, dem professionellen Ausschauhalten nach günstigen Vorzeichen für die Anrufung der Götter um die allgemeine Wohlfahrt, und der Namenwahl des ersten römischen Kaisers (Augustus), betrifft, eine Namenwahl, welche nach Meinung B.s ein Programm enthielt (vgl. dazu Kapitel 3, bes. 108–112).
Auch die »Botschaft« (message) der Ara Pacis Augustae, ur­sprünglich auf dem Marsfeld zu Rom errichtet, sei es gewesen, »dass Augustus, als Augur, das augurium pacis vollzog, welches republikanische Magistraten, unter einer republikanischen Verfassung mit der darin vorgesehenen zeitlich befristeten Ausübung von Ämtern, einschließlich der kultischen (ausgenommen desje­nigen des Pontifex Maximus), nicht erfolgreich hatten vollziehen können. So überschwenglich waren die Folgen dieses sakralen Ak­tes, dass der ›Friede zu Land und auf dem Meer‹ erlangt wurde und zugleich die Erde erblühte in all ihrer Fruchtbarkeit. Die pax deorum … wurde Wirklichkeit überall auf Erden, in der Natur wie in der neuen, kaiserlichen Ordnung der Gesellschaft … Augustus markierte die Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung, verankert in der Ordnung des Kosmos …« (111 f.).
Und damit sind wir beim Kult des als göttlich verehrten römischen Kaisers, auf den ebenfalls der Bildschmuck der Ara Pacis anspielt. Ihm kommt in dem neuen Buch B.s wieder eine zentrale Rolle zu (195 ff.), und das mit Recht, wie ich denke. Schon die Tatsache, dass er (wovon allerdings bei B. nicht die Rede ist), inschriftlichen Belegen zufolge, in Nordafrika etwa noch gut ein Jahrhundert lang die »konstantinische Wende« überdauerte, und das mit ausdrücklicher kaiserlicher Billigung (!), spricht dafür, dass er weit mehr gewesen und bedeutet haben muss als eine »konventionelle Floskel und politische Geste ohne inneren Gehalt« (ThLZ 126 [2001], 61). Er schien nämlich die Gewähr zu bieten für die pax deorum, den Frieden in der Götterwelt, und damit auch für die allgemeine Wohlfahrt (salus publica). Den christlichen Kaisern der Spätantike, jedenfalls Konstantin und seinen Söhnen, musste daran gelegen sein, ihren heidnischen Untertanen – und sie machten anfangs, besonders im Westen, vielfach die Bevölkerungsmehrheit aus – eine Identifikationsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. – Weil das noch immer nicht überall so gesehen wird, macht es Sinn, dass B. mit einer gewissen Beharrlichkeit auf diesem Punkt verweilt.
Stark sind jene Partien des Buches, die auf Entsprechungen zwischen der Apokalyptik (besonders des letzten Buches der Bibel) und der »politischen Theologie der augusteischen Revolution« (Kapitel 3 und 4) oder zwischen den »Eschatologien« Bischof Cyprians auf der einen und des Urhebers der ersten reichsweiten Christenverfolgung, des Kaisers Decius, auf der anderen Seite hinweisen (Kapitel 7). Schon ihretwegen lohnt sich die Lektüre des Buches selbst für den mit der Materie nicht Unvertrauten zweifellos.
Störend sind (wiederum) zahlreiche Wiederholungen (vgl. nur 166.174) und noch zahlreichere Ausflüge in die Geistes-, Theologie-, Sozial- und Politikgeschichte sowie in die Wertedebatten der Gegenwart (vgl. nur XI.70 ff. 127. 162.290 ff.). Sie sind in aller Regel ohne erheblichen Erkenntnisgewinn und bedienen oft genug lediglich Klischees. Sehr problematisch ist die (stillschweigende) Übernahme von Petersons These vom »Monotheismus als politischem Problem« (290), als hätte es darüber nicht eine Riesendiskussion gegeben. Ein Anachronismus und daher kaum akzeptabel, jedenfalls für einen gelernten Historiker, dürfte die – oft gehörte – Rede von der Kirche vor Diokletian und Konstantin als »Staat im Staate« (261 ff.) sein.