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Ausgabe:

November/2010

Spalte:

1187-1196

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Reiner Anselm

Titel/Untertitel:

Religiöse Überzeugungen und politische Entscheidungen
Überlegungen aus der Perspektive der theologischen Ethik

1. Das Christentum in den gesellschaftlichen


Konflikten der Gegenwart – eine Reminiszenz


»In den sozialen Kämpfen der Gegenwart … erheben neben den politischen Parteien, den ökonomisch-soziologischen Fachwissenschaften und den modern autonomen Kulturphilosophen auch die auf uralte historische Kräfte begründeten Kirchen ihre Stimme. Zugleich verwenden sie ihre beträchtliche Organisationskraft mit zur Lösung dieser Probleme.« Mit dieser Diagnose beginnt Ernst Troeltsch seine weit ausgreifende Studie über die »Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen«, und nur die etwas fremd klingende Wortwahl verrät, dass es sich um einen Text von 1912 handelt, verfasst also vor knapp 100 Jahren. Denn der Sache nach deckt sich Troeltschs Beobachtung vollkommen mit der Situation der Kirchen in der Gegenwart: Ob Finanzmarktkrise oder bioethische Themen, Hartz-IV-Reformen, Klimawandel oder Integrationsfragen – nahezu bei allen Themen, die auf der politischen Agenda stehen, sind die Kirchen mit eigenen Stellungnahmen präsent: »Ein solches Unternehmen«, so führte schon Troeltsch seine Analyse weiter, »ist an sich auch wohl verständlich und in der Ordnung, da die Gesellschaftslehre in der Tat rein aus sich die letzten Werte und Normen nicht zu erzeugen vermag, da auch die ökonomische Lehre in Bezug auf die letzte Wertung der von ihr behandelten Güter und auf die von ihr vorauszusetzenden komplizierten sozialen, politischen und sittlichen Kräfte an außerhalb der Fachwissenschaft liegende Instanzen gewiesen ist«. 1 Die Frage könne daher nicht sein, ob das Unternehmen kirchlicher und religiös bestimmter Soziallehren überhaupt berechtigt sei, sondern nur die, ob von hieraus etwas »für die moderne Lage Brauchbares und Wertvolles« geleistet werden könne.

Bekanntlich wird eben diese Frage zum Ausgangspunkt einer fast 1000 Seiten umfassenden Studie, an deren Ende Troeltsch dem christlichen Gedankengut durchaus maßgebliche Prägekräfte für die Signatur der eigenen Gegenwart attestiert, zugleich jedoch darauf hinweist, dass die christlichen Ideen immer nur vermittelt, in Verbindung und in gegenseitiger Beeinflussung mit anderen ge­sellschaftlichen Entwicklungen wirksam werden. Vor allem aber gibt es, so lautet schließlich sein Fazit, keine Möglichkeit für Kirche und Theologie, ein letztes Ziel der Geschichte, einen unverrückbaren Fixpunkt einer bestimmten Gesellschaftsgestaltung zu identifizieren. »Es bleibt dabei – und das ist das alles zusammenfassende Ergebnis – das Reich Gottes ist inwendig in uns. Aber wir sollen unser Licht in vertrauender und rastloser Arbeit leuchten lassen vor den Leuten, daß sie unsere Werke sehen und unseren himm­-lischen Vater preisen. Die letzten Ziele aber alles Menschentums sind verborgen in seinen Händen.« 2

Damit freilich blieb Troeltschs Analyse letztlich bei der Klärung der Vorfragen stehen und stecken. Er konstatierte zwar noch, dass sich das Christentum in einer tiefgreifenden Umformungskrise befinde, dass die Leitlinien für das gesellschaftliche Handeln unter den Bedingungen der Gegenwart neu vermessen werden müssten. Dies genauer auszuarbeiten, gelang ihm nicht mehr, und wahrscheinlich war dafür nicht nur sein plötzlicher und früher Tod 1923 verantwortlich: Die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse der Weimarer Republik und der enorme Modernisierungsschub forderten nicht nur die von Troeltsch bereits nachhaltig angemahnte Umformung traditioneller Lehrbestände des Christentums und deren Anpassung an die Gegenwartsverhältnisse. Der Modernisierungsdruck nach 1918 beförderte auch ein Bedürfnis nach Orientierung, das fast zwangsläufig die methodischen Bedenken, die Troeltsch formuliert hatte, in den Hintergrund treten ließ und damit auch zu einem großen Plausibilitätsverlust des Troeltsch­schen Denkens beitrug. Zu übermächtig war das Bedürfnis nach Sinnstiftung, zu übermächtig vielleicht auch die Versuchung, sich als Theologie und Kirche über die Themen der Ethik diejenige Bedeutung in der Gesellschaft zurückzuholen, die in den Säkularisierungsprozessen um die Wende vom 19. zum 20. Jh., die aber auch durch das Ende des landesherrlichen Kirchenregiments verloren gegangen waren. Doch diese zumindest von Kirche und Theologie gefühlte starke Nachfrage nach Orientierung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Troeltschs Anfrage, von welcher Basis aus eine Verbindung zwischen Glaubensüberzeugungen und poli­­-tischen Entscheidungen gewonnen werden könnte, unerledigt geblieben war. Dementsprechend kamen die Zeitgenossen und Nachfolger Troeltschs hier zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Es ist freilich interessant, dass der wohl prominen­teste Ethiker der Weimarer Zeit, Reinhold Seeberg, ebenso wie Troeltsch an dem Gedanken der historischen Variabilität gesellschaftlicher Formen festhielt – dennoch aber in ihnen über das Wirken des Willens Gottes ein invariantes, feststehendes und darin Orientierung stiftendes Element gegeben sah.

Dietrich Bonhoeffer ist seinem Lehrer in dieser methodischen Grundentscheidung gefolgt. Bei beiden findet sich der offenkundig von Troeltsch inspirierte Gedanke einer Veränderbarkeit der gesellschaftlichen Institutionen, die aber dennoch als Manifestationen des göttlichen Willens zu gelten hätten. Während Seeberg dabei wesentlich direkter mit einem Handeln Gottes in der Geschichte rechnete, argumentierte Dietrich Bonhoeffer stärker mit dem Gedanken, durch das Handeln der Christen müsse die Wirklichkeit Gottes in der Welt zum Ausdruck gebracht werden; in den von ihm material ausgeführten Passagen seiner Ethik, die leider ein Fragment geblieben ist, wird dann allerdings auch deutlich, dass sich Bonhoeffer in den konkreten Entscheidungen durchaus an der Richtschnur des überkommenen Naturrechts ausrich­tete, das die Kontinuität und Stetigkeit des Handelns verbürgen sollte – ein Gedanke, den ebenfalls Ernst Troeltsch in den Soziallehren herausgearbeitet hatte. Einen anderen Weg versuchte demgegenüber Karl Barth, der die gesuchte ethische Orientierung als Analogie zu dem durch Christus offenbar gewordenen Handeln Gottes an der Welt konzipierte. Dieses Modell bewährte sich in besonderer Weise im Gegenüber zum Nationalsozialismus. Als es freilich dar­um ging, nach dem Zusam­menbruch von 1945 Konturen einer neuen Gesellschaftsordnung zu umreißen, zeigte sich auch hier, dass die Gewinnung materialer Urteile angesichts komplexer werdender gesellschaftlicher Strukturen immer mehr auf außertheologische Elemente angewiesen war.

Dennoch können sich die Kirchen in der jungen Bundesre­publik recht schnell als maßgebliche Instanzen der ethischen Urteilsbildung und der Vermittlung grundlegender ge­sellschaftlicher Werte etablieren. Die methodischen Probleme, einen eigenständigen Beitrag für die zeitgenössischen ethi­schen De­batten zu formulieren, traten angesichts des vielerorts empfundenen tiefen Orientierungsdefizits in den Hintergrund; selbstbewusst heißt es in der Kundgebung der Kirchenkonferenz von Treysa vom August 1945 – einer der ersten Verlautbarungen des Nachkriegsprotestantismus: Man sei überzeugt, dass »nur da, wo Grundsätze christlicher Lebensordnung sich im öffentlichen Leben auswirken, die politische Ge­meinschaft vor der Gefahr dämonischer Entartung bewahrt bleibt« 3. Für die konkrete Umsetzung dieses Postulats begab sich der Protes­tan­tis­mus allerdings in den »Windschatten des politischen Katholizis­mus«, wie es Frederic Spotts prägnant formulierte.4 Insbesondere in den ersten beiden Dritteln der 1950er Jahre ist es die neue Kulturdominanz des Katholizismus, die dazu beiträgt, dass die ge­forderte Re­christianisierung tatsächlich stattfindet – eine Entwick­lung, die der spätere Kirchentagspräsident und Bundesverfassungsrichter Helmut Simon schon 1962 als »Ka-­tholisierung des Rechts«5 kritisierte.

Diese Katholisierung resultierte dabei keineswegs nur aus den katholischen Genen von Adenauers Weststaat und der Tatsache, dass die katholische Soziallehre mit dem Subsidiaritätsprinzip über ein durchaus leistungsfähiges Modell für die Begründung, aber auch für die kritische Begleitung gesellschaftlicher Ordnungsstrukturen bereitstellen konnte. Demgegenüber blieb der Protestantismus weitgehend auf Grundsatzfragen fixiert. Hinzu kam, dass die Frage, ob man sich überhaupt mit dieser Mesalliance aus Vatikan und Washington näher beschäftigen solle, die gerade im Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik viele Ressourcen band. Für den Bereich der theologischen Ethik bleibt allerdings eine noch grundsätzlichere Frage dominant: Verfügt das protes­tan­tische Christentum überhaupt über die entsprechenden Ka­te­gorien, die eine Orientierungsleistung der modernen Gesellschaft ermöglichen? Hier entspann sich am Ende der 1950er Jahre, etwa zeitgleich also mit dem Beginn einer ersten kritischen Bilanz nach den Jahren des Schocks und des Wiederaufbaus in der Bundesrepublik, eine kontrovers geführte Debatte, die letztlich eine Auseinandersetzung um das Erbe Ernst Troeltschs darstellte. Mit den Schlagworten »Theologie der Gesellschaft« auf der einen, »theologische Sozialethik« auf der anderen Seite verbanden sich zwei antagonistische Konsequenzen, die man aus Troeltschs Analyse ziehen konnte: Auf der einen Seite stand die Feststellung, dass es letztlich eine den Strom der Geschichte gestaltende Kraft des Göttlichen gebe, die sich in bestimmten Strukturen der Gesellschaft, insbesondere in den Institutionen manifestiere. Aufgabe der Theologie sei es dabei, so die Auffassung von Heinz-Dietrich Wendland und dann auch der meisten seinem Münsteraner Institut für christliche Gesellschaftswissenschaften entstammenden theologischen Ethiker, der Dämonisierung der Institutionen zu wehren, und das bedeutet ihrer Verneinung ebenso wie ihrer Absolutsetzung entgegenzutreten. Theologie der Gesellschaft be­deutet dementsprechend eine an sozial- und gesellschaftswissenschaftlichen Methoden geschärfte christliche Kulturtheorie. Auf der anderen Seite kamen auch Theologen wie Heinz-Eduard Tödt auf Troeltschs Einsichten zurück und führten sie noch pointierter weiter. Hier wurde in Aufnahme von Bonhoeffers Rede von der »mündigen Welt« und auch von Überlegungen Karl Mannheims zur Säkularität der Werte 6 argumentiert, die für die Gesellschaft leitenden Vorstellungen seien rein weltlicher Natur und es könne hier nicht die Aufgabe der Theologie sein, diese mit einem theologischen Legitimationsgrund auszustatten. Deshalb, so etwa Tödts Schlussfolgerung, »ist es der Ge­meinde versagt, eigene Werte zu produzieren und sie der Gesellschaft anzubieten; sie verfügt in dieser Hinsicht nicht über eine Sondererkenntnis. Wohl aber muß ihr alles daran gelegen sein, daß der Umgang mit begegnenden Normsystemen und Wertvorstellungen aus dem Gehorsam des Glaubens heraus erfolge und paradigmatischen Charakter für die ganze Gesellschaft gewinne. Hier liegt die Aufgabe der theologischen Sozialethik, die das menschliche Tun und Lassen unter die Frage stellt, ob es sich als gehorsame Antwort auf Gottes Anrede erweist.« 7

Diese Kontroverse, die dem evangelischen Engagement im Be­reich des Politischen eigentlich die notwendige Grundlage und Orientierung vermitteln sollte, bedeutet für die evangelische Ethik den Beginn einer mit großem Engagement, aber auch mit großer Härte – bis hin zu persönlichen Angriffen – geführten Debatte, in der zudem noch vermeintliche Verlierer und Gewinner des Kirchenkampfs ausgemacht werden sollten. In besonderer Weise stehen die Schlüsselbegriffe »Zwei-Reiche-Lehre« und »Königsherrschaft Chris­ti« für diese Auseinandersetzung. Dabei absorbierte die Debatte so viele Kräfte, dass die Herausforderungen nach konkreter Orientierungsvermittlung kaum mehr adäquat beantwortet werden konnten. Deutlich wurde das etwa in der Auseinandersetzung um die Friedensfrage, in der schlussendlich nicht mehr die Frage nach einer Befriedung der Konflikte und dem konkreten Orientierungspotenzial des Glaubens thematisch wurde, sondern man sich darauf konzentrierte, ob und wann in ethischen Fragen der status confessionis erreicht sei, ethische Fragen mithin zu Fragen der Kirchengemeinschaft werden müssten.

Es ist hier nicht der Ort, um über die konkreten ethischen Op­tionen und Entscheidungen zu referieren oder gar zu urteilen. Mir kommt es vor allem auf die systematischen Voraussetzungen und deren Konsequenzen für die gesellschaftliche Selbstverortung des Protestantismus an. Indem nämlich die Fragen der Ethik in Be­kenntnisfragen transformiert wurden, indem eine bestimmte ethische oder auch politische Option über die Zugehörigkeit zur Kirche entscheiden sollte, transformierte sich die theologische Sozialethik vollends in eine – um mit Niklas Luhmann zu spreche n– »Sondergruppensemantik für die, die durch die Zufälle ihres Lebens in den Schoß der Kirche geführt werden«8. Dabei deutete die von Tödt gebrauchte Semantik von der »Gemeinde« diese Engführung eigentlich schon an, aber dennoch wollten und konnten die in diesem argumentativen Rahmen agierenden Theologen die damit verbundenen Konsequenzen und Probleme nicht richtig einschätzen. Denn faktisch operierten alle Vertreter dieser Position der theologischen Sozialethik auf der Grundlage volkskirchlicher Mitgliedschaftsstrukturen: Die Gemeinde ist letztlich mit der Ge­sellschaft identisch. Auch da, wo sich Einzelne nicht zur Kirche halten, sind sie dennoch in ethischen Kontroversen auf die Position der Kirche ansprechbar. Für die Position einer »Theologie der Gesellschaft« galt dasselbe, auch hier ging man selbstverständlich davon aus, dass sich die übergroße Mehrheit, zumindest aber die Politik auf die Position der Kirche verpflichten ließe.

Vielleicht geblendet durch die Hinwendung der SPD zum Pro­-tes­tantismus nach der Auflösung der Gesamtdeutschen Volkspartei und dem Eintritt von Gustav Heinemann in die SPD, vielleicht auch isoliert durch die vorrangige Beschäftigung mit innerprotestan­tischen Kontroversen, nahm man im Protestantismus allerdings nicht recht wahr, dass sich die gesellschaftliche Situation in den 1960er Jahren schnell und massiv veränderte und damit die Frage, ob man die orientierungsstiftende Kraft für die Gesellschaft oder doch eine Sondergruppe sein wolle, ihren Sinn verlor: Nicht mehr die Frage, welche protestantische Position die politischen Entscheidungen bestimmen sollte und wie sie zu begründen sei, sondern die Frage, ob überhaupt eine protestantische Position Geltung im politischen Prozess beanspruchen dürfe, stand nun auf der Agenda. In­nerkirchlich äußerte sich das vor allem in der Auseinandersetzung um die Folgen der sog. »Ost-Denkschrift« von 1965, die in die Denkschriften-Denkschrift mit dem sprechenden Titel: »Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen« mündete. Gesamtgesellschaftlich findet es seinen Niederschlag in der großen Kirchenaustrittswelle, die seit dem Ende der 1960er Jahre beginnt, sowie in der fast zeitgleich erfolgenden programma­tischen Distanzierung der Politik von moralischen Vorgaben der Kirchen, insbesondere im Umfeld der Strafrechtsreform.

2. Die Neuvermessung der Problemlage


seit den 1970er Jahren


Auch wenn derzeit häufig zu lesen ist, die Debatte um die Legitimität religiöser Argumente habe ihren Ausgangspunkt in Robert Nozicks und John Rawls’ Überlegungen zum politischen Liberalismus, so zeigt doch eine nähere Betrachtung, dass die amerikanische politische Philosophie, in der diese Debatte vor allem seit den 1990er Jahren intensiv geführt wird, hier keineswegs einen Exklusivitätsanspruch für sich reklamieren kann. Vielmehr gibt es eine zumindest parallel, wenn nicht sogar bereits früher einsetzende Debatte in Deutschland. Hier mehren sich seit den 1970er Jahren die an Nietzsches Christentumskritik orientierten Vorwürfe, religiöse Bindekräfte taugten nur zur Herausbildung einer unreflektierten Untertanenmentalität. Davon ausgehend, erhebt sich ein vielstimmiger Chor von Kritikern der Verbindung von Ethik und Religion, die sich in zwei markanten Publikationen jener Zeit manifestiert, die jeweils dem politischen Sektor entstammen: einmal in den berühmten Thesen »Freie Kirche in einem freien Staat«, die auf dem 25. Bundesparteitag der FDP 1974 verabschiedet wurden, 9 sodann in der Publikation der im Vorfeld der Bundestagswahl von 1976 zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und seinem Herausforderer Helmut Kohl geführten Debatte um die »Grundwerte«, in der Helmut Schmidt sich gegen eine Wertebindung staatlichen Handelns und für die Suffizienz einer Orientierung am Verfassungsrecht einsetzte.10

Im Wesentlichen sind es dabei zwei Argumente, die gegen die Legitimität religiös begründeter politischer Entscheidungen vorgebracht werden. Ich möchte diese Argumente – der Einfachheit halber – das Säkularisierungs- und das Fundamentalismus-Argument nennen. Das Fundamentalismus-Argument verweist darauf, dass Religionen ihrem Selbstverständnis nach wenig Kompromissbereitschaft aufweisen und ihre Anweisungen für das Zusammenleben darum mit den Erfordernissen einer pluralen, demokratisch verfassten Gesellschaft nicht in Einklang zu bringen sind. Insbesondere gilt dies an den Stellen, an denen eine ethische Rückbindung des Rechts gefordert ist, wo das Recht also als »geronnene Ethik« fungiert. Ethische Maßstäbe, die sich in Rechtsnormen ausdrücken und darum für alle gelten sollen, müssen ihre Geltungskraft frei von weltanschaulichen Voraussetzungen entfalten können, ansonsten drohe, so das Fundamentalismus-Argument, nur allzu leicht die Diktatur einer bestimmten Weltanschauung.

In den aktuellen medizinethischen Kontroversen ist diese Position, die auf die konfliktverschärfende Rolle einer weltanschaulich ge­bundenen Ethik verweist und stattdessen auf die befriedende Funktion nichtreligiöser Argumentation setzt, am nachdrück­lichsten von Norbert Hoerster vertreten worden,11 aber auch die Kontroverse zwischen Michael Naumann und Gerhard Schröder um eine konsistente Begründung der Bioethik kann als instruktives Beispiel für diese Argumentation dienen:12 Schröder konstatierte mit einer »Mischung aus Ratlosigkeit, Befremden und auch Kopfschütteln«, »richtig problematisch« er­scheine ihm das von Naumann vertretene Konzept der »Heiligkeit des Le­bens« und die damit verbundene Forderung nach Respekt vor dem Sakralen und dem Numinosen. Als Kind von Liberalismus und Aufklärung sei er, Schröder, davon überzeugt, dass sich in einem liberalen und säkularen Staat eine überzeugende moralische Position in den strittigen Fragen auch ohne den Rekurs auf den Gottesgedanken vertreten lasse. Naumann konterte, eine Position, die den Schutz menschlichen Lebens auch in Grenzsituationen konsis­tent begründen wolle, sei konstitutiv auf eine religiöse Fundierung an­gewiesen.

Den Verweis auf die Erfordernisse einer pluralen, demokratischen Gesellschaft verwenden auch die Vertreter des Säkularisierungsarguments. Sie legen dabei aber das Hauptaugenmerk nicht auf die weltanschauliche Neutralität des Rechts, sondern verweisen darauf, dass sich nur mehr eine Minderheit an die Maximen der Religion gebunden fühle, so dass es einer anderen Begründung für ethisches Verhalten bedürfe. So betonte schon der Wiener Philosophieprofessor Friedrich Jodl vor etwas mehr als 100 Jahren in seiner Rede zur constituierenden Versammlung der Ethischen Gesellschaft in Wien, die »Thatsache ..., dass für viele, viele Menschen die Religion nicht mehr das Gefäss ihres Idealismus ist, [könne] niemand in Abrede stellen wollen«. Deshalb müsse an die Stelle der »Suprematie des Religiösen die Suprematie des Ethischen« treten13– eines Ethischen, so wird man ergänzen müssen, dem alle Bürger als freie und gleiche auf der Grundlage einer gemeinsamen Vernunft zustimmen können, wie es dann bei John Rawls heißt.14 Angesichts der veränderten kulturellen Gesamtlage im wiedervereinigten Deutschland, angesichts vor allem der nach wie vor abnehmenden Kirchenbindung in den neuen Bundesländern, hat diese Argumentationsweise in den letzten Jahren immer mehr Anhänger gefunden, allen Phänomenen der Renaissance der Religion zum Trotz. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den Kruzifixen im Klassenzimmer sowie die Niederlage der Pro-Reli-Befürworter in Berlin im vergangenen Jahr sind die jüngsten Indizien für diesen Wandel.

Nun ließe sich das alles prächtig auch als Hochmut der Verächter der Religion hinstellen, die den Beweis der Überlegenheit ihrer »rein humanitären« oder »rein rationalen« Argumentation erst er­bringen müssten. In der Tat gibt und gab manche Stellungnahme etwa in der Bioethik und auch in den Fragen der Bildungspolitik Anlass zu der Rückfrage, ob hier nicht eine Selbstüberschätzung rationaler Vernunft am Werke ist, dergegenüber man doch intuitiv – und nicht nur als Theologe – an Horkheimers und Adornos Diktum erinnern möchte: »Die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Un­heils.« 15 Aber eine solche Zurückweisungs­strategie verkürzt und vereinfacht nicht nur ebenso wie die Position der Religionskritiker, sie überschätzt auch die Möglichkeiten der Religion und verkennt deren polemogenes Potenzial. Über dem tief empfundenen Sinnvakuum und der Notwendigkeit der Neuorientierung nach dem Zusammenbruch der nationalsozia­lis­tischen Terrorherrschaft wurden der Religion, auch dem Chris­tentum, zu viele Vorschusslorbeeren im Blick auf ihren konstruktiven Beitrag zu modernen Ge­sellschaften zugebilligt. Dass jedoch sowohl das Fundamentalismus- als auch das Säkularisierungsargument durchaus eine ernst zu nehmende Anfrage an die Valenz religiöser Überzeugungen für politische Entscheidungen darstellen, wird in einer solchen Zugangsweise leicht übersehen. Auch wenn uns heute – unter dem Eindruck der Aufklärung, die in der Aufnahme antiker Traditionen Gott und das Gute wieder eng aneinanderrückte – im mitteleuropäisch-protestan­tischen Raum Religion geradezu für das Sinnbild des Humanen und des Guten erscheint: Religion – auch das Christentum! – besteht nicht nur aus den sanften Klängen der Brüderlichkeit, sondern auch aus den harten Rhythmen gegenseitiger Verwerfungen und Verteufelungen. Beides, das Problem der Pluralisierung und die Erkenntnis, dass Religionen in ihren Auswirkungen auf das Zusammenleben einen zutiefst ambivalenten Charakter haben, ist uns an der Wende vom 20. zum 21. Jh. in vielfach schmerzlicher Weise be­wusst und dann auch Gegenstand einer breiten akademischen Debatte geworden.

Für die Frage, wie das Verhältnis von religiösen Überzeugungen und politischen Entscheidungen gestaltet sein sollte, ergeben sich aus den vorangegangenen Überlegungen zwei wesentliche Konsequenzen: 1. Es ist nicht nur, vielleicht sogar nicht mehr die Frage, welche konkreten politische Entscheidungen sich aus dem christlichen Zeugnis oder der christlichen Tradition ableiten lassen, sondern es geht sehr viel grundsätzlicher darum, welche Bedeutung religiösen Überzeugungen im Bereich der politischen Meinungsbildung zugemessen werden soll. 2. Offenkundig garantiert keineswegs der Rückgriff auf die Traditionsbestände der Religion allein bereits ein gedeihliches Zusammenleben in der Gesellschaft. Dies wird erst durch die Kombination von modernem, aufkläre­rischem Gedankengut und den religiösen Traditionen erreicht.

Vor diesem Hintergrund wird man aus einer gewissen Distanz heraus sagen können, dass es – entgegen der Selbsteinschätzung zahlreicher protestantischer Protagonisten – gerade die Überzeugungskraft und auch die Durchsetzungsstärke der Rechtsordnung waren, die die der Religion inhärenten Spaltungskräfte, die auch in der Neuzeit die Signatur des Christentums maßgeblich be­stimmten, zu überwinden halfen. Das klare Bekenntnis zur Suprematie der Rechtsordnung vor den religiösen Überzeugungen half, das in ihrem Bezug zur Wahrheit liegende polemogene Potenzial aller Religionen zu domestizieren – und gleichzeitig war es auch die Rechtsordnung, die der Religion, auch das wird man sagen müssen, die entscheidenden Freiräume zu ihrer Entfaltung ge­währte. Mittlerweile schon fast klassisch hat Jürgen Habermas diesen Zusam­menhang in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels auf den Punkt ge­bracht: Religionen müssen sich in modernen Gesellschaften »auf Prämissen eines Verfassungsstaates einlassen, der sich aus einer profanen Mo­ral begründet«. Denn »ohne diesen Reflexionsschub entfalten die Monotheismen in rücksichtslos modernisierten Ge­sellschaften ein destruktives Potential« 16. Die zentrale Aufgabe der theologischen Ethik besteht nun gerade darin, die notwendigen »Reflexionsschübe« für die religiös motivierte Lebenspraxis bereitzustellen. Die Orientierungsstiftung der theologischen Ethik be­steht nämlich, so ist die eingangs im Anschluss an Troeltsch an­geführte Problematik, gerade nicht darin, für die Stabilität der Ordnungsstrukturen durch deren theologische Legitimation zu sorgen, sondern sie be­steht in deren kritischer Reflexion, die ihren Maßstab an der Dienlichkeit der Ordnungsstrukturen für die Entfaltung der individuellen Freiheit in der Gemeinschaft darstellt.

3. Theologische Ethik als Krisenwissenschaft


Die angedeuteten Reflexionsschübe bedeuten auf der Seite der Religion die Zurückweisung von Sonderrechten oder Absolutheitsansprüchen. Theologische Ethik ist daher zunächst einmal Krisenwissenschaft in dem Sinne, dass sie die ja durchaus wahrgenommenen Orientierungsdefizite und auch die Relevanzverluste der christlichen Religion im Blick auf die gesellschaftliche Praxis nicht zu kompensieren versucht, sondern – ganz im Sinne von Troeltsch – zunächst einmal die Grenzen religiös-christlich be­gründeter Aussagen zu gesellschaftlichen Problemen aufzeigt. Das Mittel dafür ist in erster Linie die konsequente Historisierung der Traditionsbestände des Christentums, insbesondere seiner maßgeblichen Heiligen Schriften. Denn das bedeutet ja zugleich eine kritische Distanzierung gegenüber allen Versuchen, aus dem Schriftzeugnis oder auch dem Bekenntnis direkte Konsequenzen für die Gestaltung des Gemeinwesens ableiten zu können. Dies gilt gerade auch für das derzeit in der Politischen Wissenschaft und der Philosophie wieder zu entdeckende Interesse an den Schriften des Neuen Testaments: Wo, wie etwa bei Giorgio Agamben oder auch Alain Badiou, die historische Situiertheit der paulinischen Texte bewusst zugunsten des Rezeptionsprozesses ausgeblendet wird, da besteht die Gefahr neuer Fundamentalismen, indem die Sakralität der Grundlagen­texte für die Bekräftigung der eigenen Position eingesetzt wird.

Dennoch hat die Theologie nicht nur eine nach innen, auf die einzelnen Gemeindeglieder gerichtete Aufgabe, wie Heinz-Eduard Tödt meinte – und dabei freilich letztlich doch von der Grundlage einer christlichen Gesellschaft ausging, so dass die Gemeinde de facto als deckungsgleich mit der Gesellschaft verstanden wurde. Der Theologie kommt es auch zu, in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen deutlich zu machen, dass sich Religion nicht auf den privaten Bereich frommer Innerlichkeit begrenzen lässt. Denn Religionen sind immer auch politisch. Der allgemeine Grund dafür liegt darin, dass weltanschauliche Einstellungen zur Ganzheit und zum Sinn des Lebens, wie sie in der Religion thematisch werden, immer auch zumindest implizit Folgen für die Rahmengestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die Aufgabe der Politik, mit sich bringen. 17 Insofern ist es eine ebenso ir­-rige Annahme, man könnte die Religion ganz aus dem Bereich der öffentlichen Entscheidungsfindung und damit auch aus dem Bereich der Politik verdrängen und sie allein auf die Privatsphäre begrenzen, wie das manche überzeugte Laizisten oder auch engagierte Vertreter des Säkularisierungstheorems meinen. Theologie befindet sich hier in einem doppelten Übersetzungsverhältnis, und genau dies macht auch einen Großteil ihrer Selbstverortungsprobleme an der Universität aus: Richtet sie sich nur nach innen, auf die Gemeinde, dann ist schnell der Vorwurf zur Stelle, dies sei keine Aufgabe einer staatlichen Universität. Versucht sie, die besondere Charakteristik der Religion im Kontext der anderen Gesellschaftswissenschaften zu explizieren, so sieht sie sich unversehens dem Vorwurf ausgesetzt, dies sei doch keine Theologie mehr, sondern allenfalls Religionssoziologie oder Religionswissenschaft. Dennoch, denke ich, ist die etablierte Form der Theologie, die genau an der Schnittstelle zwischen Gemeinde und Gesellschaft angesiedelt ist und die in beide Bereiche hinein Reflexions- und Übersetzungsleistungen zu erbringen hat, die vollkommen adäquate äußere Form für die der Sache nach gestellte Aufgabe. So sehr Theologie die Religion an ihre Sakralität zu erinnern hat, so sehr wird sie auch darauf zu achten haben, dass die anderen Wissenschaften bei ihrer Säkularität bleiben, dass sie, um Max Weber zu zitieren, eben nicht mit der geliehenen Autorität des Wissenschaftlers in den Kampf der neuen Götter einsteigen, 18 sondern sich darüber im Klaren sind, dass solche Entscheidungen immer auf einer bestimmten weltanschaulichen Prämisse basieren. Dietrich Rössler hat diese Aufgabenbeschreibung schon 1970 in einem programmatischen Text zur Komplementarität von Positionalität und Kritik für das Selbstverständnis der Theologie dargelegt.19

Ist nun aber mit einer bleibenden Interferenz zwischen den beiden Sphären von Religion und Politik zu rechnen, dann liegt die Aufgabe darin, ein Miteinander beider Teilbereiche so zu gestalten, dass die Wechselbeziehungen ebenso wenig geleugnet werden, wie die jeweiligen Grenzziehungen zu respektieren sind. Dabei kommt es, möchte man neue Ideologisierungen vermeiden, ganz wesentlich darauf an, die Grenzziehungen nicht unter Verweis auf höhere Autoritäten vorzunehmen, sondern als Produkt eines stetigen Aushandlungsprozesses zu begreifen. Dies bedeutet auch, dass es hier keine starren Scheidelinien mit einer strikten Abgrenzung von jeweils zulässigen Argumentationsmustern und Semantiken gibt, sondern eine Zone der gegenseitigen Überschneidung als Teilsys­teme einer differenzierten Gesellschaft, in der die aktualen Grenzverläufe Gegenstand stetiger Aushandlungsprozesse sind. Es gibt, um eine Figur aus der Ökonomie zu verwenden, eine trading zone zwischen Religion und Politik,20 in der die gegenseitigen Interferenzen bearbeitet und innerhalb reflexiver Prozesse ausgehandelt werden müssen. Die Legitimität solcher Aushandlungsprozesse wird dabei nicht von ihren Inhalten her bestimmt, sondern allein durch die Orientierung an transparenten Verfahren. Der Ort für solche transparenten, an rechtstaatlichen Prinzipien und den Menschenrechten orientierten Aushandlungsprozesse ist traditionell das Parlament, aus dem religiöse Überzeugungen keineswegs zu verbannen, wohl aber mit einer Offenlegungspflicht zu versehen sind. Der Ort für die grundlegende Reflexion religiöser Überzeugungen in ihrer Verhältnisbestimmung zu anderen Bereichen der Gesellschaft allerdings ist die Universität – schon allein deswegen, weil es zum Wesensmerkmal von Wissenschaft gehört, sich allen Fundamentalismen entgegenzustellen. Hierin liegt der sachliche Grund, warum die Theologie, nicht nur die Religionswissenschaft, notwendig an staatlichen Universitäten gelehrt werden sollte.

Summary


During the twentieth century, a significant shift occurred in the long-running attempt to define the relationship between Protes­tantism and politics. Whereas the theological and ecclesiastical discussion concentrated primarily on whether Protestant theology could offer a meaningful contribution to issues of political orientation (and if so, on what basis), in the new Federal Republic of Germany discussions were dominated by a rather different debate: namely, whether Protestantism’s political ethics could be understood as a theological social theory, and thus applied in the theological interpretation and critical guidance of given social structures; or whether a Protestant social ethic should only be understood essentially as a critical corrective over against society. Yet these inner-theological debates failed to notice that external social voices were now increasingly and critically questioning whether churches and religious communities (and by extension theological ethics) should play any role at all in the decision-making processes of a secular, ideologically-neutral state. Against this background, the current paper aims to present theological ethics as focussed less on the legitimation or oversight of political action, and more on the task of competently and appropriately mediating between the respective demands of faith and society.

Fussnoten:

1) Ernst Troeltsch: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen (=GS 1), Tübingen 1912, 1.
2) Troeltsch, Soziallehren, 986.
3) Kundgebung der Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Verantwortung der Kirche für das öffentliche Leben. Treysa – August 1945, zit. nach: Friedrich Merzyn (Hrsg.): Kundgebungen. Worte und Erklärungen der Evangelischen Kirche in Deutschland 1945–1959, Hannover o. J, 3. Zur Autorschaft und auch zum Status dieser Kundgebung vgl. insbes. Joachim Mehlhausen: Die Konvention von Treysa. Ein Rückblick nach vierzig Jahren, in: ÖR 34 (1985), 468–483, bes. 478 f.
4) Frederic Spotts: Kirchen und Demokratie in Deutschland, Struttgart 1976, 160.
5) Helmut Simon: Katholisierung des Rechts?, Bensheim 1962.
6) Karl Mannheim: Diagnose unserer Zeit. Gedanken eines Soziologen, Zürich 1951, 159 ff.
7) Heinz-Eduard Tödt: Theologie der Gesellschaft oder theologische Sozialethik? Ein kritischer Bericht über Wendlands Versuch einer evangelischen Theologie der Gesellschaft, in: ZEE 5 (1961), 211–241, 240.
8) Niklas Luhmann: Gesellschaftsstruktur und Semantik, Frankfurt a. M. 1989, Bd. 3, 350.
9) Vgl. Karl-Hermann Kästner: Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1961, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, hrsg. v. Gerhard Leibholz. Neue Folge, Bd. 27, Tübingen 1978, 239–296; Kästner hebt dabei hervor: »Unverkennbar aber steht eine solche Konzeption als verfassungspolitisches Postulat weiter im Raum. Sie wird in der Öffentlichkeit und hier besonders von Teilen der Publizistik und der politischen Parteien von zunehmenden antipluralistischen Tendenzen getragen, die das Prinzip weltanschaulicher Neutralität, eine der Säulen des bestehenden Staatskirchenrechts, in ein System radikaler Ausgrenzung kirchlich verfaßter Religiosität aus dem Bereich öffentlichen Wirkens umzudeuten suchen« (ebd., 279).
10) S. Günter Gorschenek (Hrsg.): Grundwerte in Staat und Gesellschaft, München 1977.
11) Er hat dabei hochgradig polarisierend gewirkt.
12) In: Die Zeit Nr. 31 vom 2. August 2001.
13) Friedrich Jodl: Ueber das Wesen und die Aufgabe der ethischen Gesellschaft. Rede zur constituierenden Versammlung der ethischen Gesellschaft in Wien (10. December 1894), Wien 1895, 20.
14) »Our exercise of political power is fully proper only when it is exercised in accordance with a constitution the essentials of which all citizens as free and equal may reasonably be expected to endorse in the light of principles and ideals acceptable to their common human reason«, John Rawls: Political liberalism, New York 1996, 137.
15) Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung (1947), Frankfurt a. M. 1985, 7.
16) Jürgen Habermas: Glauben und Wissen. Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2001, Frankfurt a. M. 2001, 14.
17) Dieser Aspekt ist in der an John Rawls anschließenden Liberalismus­-debatte in der Regel zu wenig beachtet worden; differenzierter und auch sach­-gemäßer argumentiert hier Jürgen Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, 2005. Zu der von Rawls angestoßenen Debatte vgl. aus theologisch-ethischer Perspektive Stefan Grotefeld: Religiöse Überzeugungen im liberalen Staat, Stuttgart u. a. 2006.
18) Max Weber: Wissenschaft als Beruf, in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, 524–555, 550 f.
19) Dietrich Rössler: Positionelle und kritische Theologie, in: ZThK 67 (1970), 215–231.
20) Zur Figur vgl. Simon Grand und Markus Huppenbauer: Managementforschung und theologische Ethik im Diskurs: Reflexionen aus der »Trading Zone« von Management und Religion, in: ZEE 51 (2007), 129–145.