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Ausgabe:

Oktober/2010

Spalte:

1180-1181

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Munsonius, Hendrik

Titel/Untertitel:

Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2009. XV, 154 S. gr.8° = Jus Ecclesiasticum, 89. Lw. EUR 44,00. ISBN 978-3-16-149963-0.

Rezensent:

Sebastian Hering

Die juristische Person ist ein Vorzeigestück juristischer Abstraktionskunst. Mit der Figur der juristischen Person werden abstrakte Gebilde wie etwa ein Verein oder eine GmbH für das Recht greifbar, indem diesen die Fähigkeit zugeschrieben wird, gelöst vom Menschen, aber diesem insoweit gleich, Zuordnungspunkt von Rechten und Pflichten zu sein. Auch in der Kirche sind zahlreiche Organisationseinheiten etwa in Form von Kirchengemeinden, Arbeitsgemeinschaften, Zweckverbänden, Kirchenkreisen, Props­teien, Stiftungen, Werken etc. anzutreffen, womit sich dem Kirchenjuristen die Frage stellt, inwieweit die ihm aus dem staatlichen Recht wohlbekannte Figur der juristischen Person zur Beschreibung der Kirchenrechtsverhältnisse dieser Organisations­einheiten auf das Kirchenrecht übertragbar ist.
»Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts« bildet vor diesem Hintergrund den lohnenden Gegenstand der Arbeit von Hendrik Munsonius. Sie entstand unter Betreuung durch Axel Freiherr von Campenhausen und wurde im Sommersemester 2008 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Doktorarbeit angenommen. M. war bis 2006 Jurist im kirchlichen Dienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und ist nunmehr als Referent am Kirchenrechtlichen Institut der EKD tätig.
Die Arbeit greift die für das neuere evangelische Kirchenrecht maßgeblich 1971 von Dietrich Pirson (ZevKR 16, 1–23) aufgeworfenen und seither nur punktuell erörterten Fragen nach Gestalt, Funktion und Begriff einer juristischen Person des evangelischen Kirchenrechts auf. M. stellt sich damit der Aufgabe, die vom staatlichen Begriffsverständnis geprägten Funktionen der juristischen Person im Lichte kirchlicher Prämissen zu deuten. Ein einheitlich verwendeter und klar konturierter Begriff der juristischen Person des Kirchenrechts kann sodann einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis und zur weiteren Ausgestaltung des Rechtsstatus der vielfältigen Organisationseinheiten in der Kirche leisten. Unter diesem Anspruch erhebt M. die Begriffsklärung zum Mittelpunkt und Ziel der Arbeit.
Schon die Symmetrie des Aufbaus zeigt, wie konsequent die Untersuchung dieses Ziel verfolgt: Ausgehend von funktionalen Grundlagen und Erscheinungsformen der juristischen Person im weltlichen Recht (§ 2), theologischen Prämissen des Kirchenrechts (§ 3) und Beobachtungen des geltenden Kirchenrechts (§ 4) stellt M. seine Begriffs- und Funktionsbestimmung der juristischen Person des Kirchenrechts (§ 5) in den Mittelpunkt der Arbeit. Darauf aufbauend schließt er auf allgemeine Voraussetzungen kirchlicher Rechtspersönlichkeit (§ 6) und untersucht diese auf ihr Verhältnis zur Rechtspersönlichkeit nach weltlichem (Zivil-)Recht (§ 7). Ab­schließend zeigt er an verschiedenen Aspekten der kirchlichen Ordnung die Rechtsfolgen des so entwickelten Status einer juristischen Person des Kirchenrechts (§ 8).
Insgesamt gelingt M. eine konzentrierte, gut nachvollziehbare und wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem ab­strakten und kirchenrechtlich weitgehend unerschlossenen Thema. Er versteht es, in einem leicht zugänglichen Schreibstil den Stand der Grundlagendiskussion im Kirchenrecht für die Problemstellungen dieses Themas fruchtbar zu machen. Der bei den Grundlagen des staatlichen Rechts allzu zielstrebige und forsche Gang der Untersuchung führt im Kern der Arbeit freilich zu kleineren konstruktiven Lücken. Insbesondere ist eine Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen juristischen Personen und Organen derselben, also zwischen Innen- und Außenrechtssubjekten, zu vermissen. Auch einige der von M. entwickelten materiellen Voraussetzungen der juristischen Person des evangelischen Kirchenrechts regen dazu an, weiter hinterfragt zu werden. Besonders positiv hervorzuheben ist die anschauliche und umfassende Darstellung des gegenwärtigen Rechtstatus der verschiedenen Organisationseinheiten im Kirchenrecht.
Kirchenrechtswissenschaft und -praxis können für die geglück­te Adaption und Konturierung des Begriffs der juristischen Person im Kirchenrecht dankbar sein.