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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

955-957

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Knauf, Ernst Axel

Titel/Untertitel:

Josua.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2008. 203 S. m. Abb. u. Tab. gr.8° = Zürcher Bibelkommentare. Altes Testament, 6. Kart. EUR 32,00. ISBN 978-3-290-17456-9.

Rezensent:

J. Cornelis de Vos

Ernst Axel Knauf präsentiert in der Reihe »Zürcher Bibelkommentare« einen knappen und inhaltsreichen Kommentar zum Josua­buch. Der Reihe entsprechend fehlen Fußnotenapparat sowie ausführliche Diskussionen der wissenschaftlichen Positionen wei­testgehend. Ein gewisser Schwerpunkt liegt auf Philologie und Ge­schichte, zwei Bereiche, die bei K. in guten Händen sind.
Der Kommentar gliedert sich in drei Teile: eine Einführung, den eigentlichen Kommentar und ein knappes Literaturverzeichnis. Die Einführung beginnt mit einer »Kürzest«-Zusammenfassung des Buches Josua, die aber den Inhalt genau auf den Punkt bringt: »Das Buch Josua ist das ›Buch vom Land‹. ›Israels Land‹, Eretz Israel, ist nicht Israels Land, sondern Gottes Gabe an Israel. Das ist der Inhalt von Jos in einem Satz. Auch wenn Israel das Land besitzt und bebaut, bleibt es Gottes Eigentum (3 Mose 25,23)« (9). Dieser Satz bestimmt den ersten Teil der Einführung, der von einer knappen Darstellung von 1100 Jahren Geschichte Israels über Vorstellungen den Umfang des Landes betreffend bis zur Einführung in Atlanten und Karten geht. Bei seinen interessanten und lehrreichen Be­schreibungen der Landvorstellungen unterscheidet K. allerdings Theologie und Geographie zu wenig voneinander. Einerseits be­tont er, dass die Landvorstellungen theologischer Natur sind (s. obiges Zitat), andererseits fragt er nach dem »konkreten Umfang des verheißenen Landes« (10).
Im zweiten Teil der Einführung bespricht K. die Entstehungsgeschichte des Buches Josua. Er beginnt mit einer eher synchronen Einordnung des Buches in den Kanon der Hebräischen Bibel, um danach ein sechsstufiges redaktionsgeschichtliches Modell vorzustellen – platziert in einem Zeitraum, der sich vom 7. bis zum 2. Jh. v. Chr. erstreckt: 1. Exodus-Josua-Erzählung; 2. D- oder Pentateuch-Redaktion; 3. Priesterschrift; 4. Hexateuch-Redaktion; 5. Propheten- oder Buch-Redaktion; 6. Josua-Richter-Redaktion. Bemerkenswerterweise geht K. entgegen der geläufigen Forschungsmeinung davon aus, dass P auch in Jos vorkommt und mit Jos 18,1 die Schöpfung abschließt. Die Redaktionen spiegeln sich in den verschiedenen Buchabschlüssen wider (Jos 10,40–42; 11,16–23; 18,1; 21,43–45; 24).
In »Geschichtsbild und Theologie von Jos« betont K., dass die Vernichtung der Vorbewohner Kanaans durch die Bannweihe (ḥrm) nur auf dem Papier stattfand. Implizit spricht sogar eine gewisse bannkritische Haltung aus den Texten (Jos 2; 6; 9): »Josua tut, was er kann, um Vorbewohner nicht auszurotten« (28).
Interessant ist auch der knappe Überblick über die Wirkungsgeschichte des Josuabuches, in dem K. die Rezeption und Wirkung in der Hebräischen Bibel selbst, in Septuaginta bzw. christlicher Bibel, rabbinischem Judentum, Islam und Christentum behandelt. Leider nennt oder behandelt K. die Septuaginta in seinem Kommentar kaum, auch da nicht, wo dies angemessen wäre (z. B. Jos 15,59a LXX). Die Wirkungsgeschichte ist zum Teil von Gewalt geprägt, und diese Folgen soll man, so K., beim Lesen immer mit bedenken. Man könne aber den Verfassern keine Wirkungen vorwerfen, an die sie nicht gedacht haben können (34).
Die Kommentare zu den jeweiligen Kapiteln unterscheiden sich in ihrem Schwierigkeitsgrad. Am klarsten und auch spannendsten beschreibt K. die narrativen Texte und deren historischen Hintergrund (z. B. das »Picknick« der Gibeoniter: Jos 9). Doch auch die politisch-historischen Hintergründe der eher trockenen Gebietsbeschreibungen (Jos 14–19 bzw. 13–21) macht K. auf erfrischende Weise transparent.
Kompliziert wird es aber da, wo er die – zugegeben tatsächlich komplizierte – Redaktionsgeschichte des Josuabuches behandelt. Seine Beschreibungen sind sehr dicht und setzen erhebliches Vorwissen voraus. Man fragt sich, ob die Redaktionsgeschichte in dieser Reihe so viel Aufmerksamkeit benötigt hätte. Hilfreich sind allerdings in K.s Übersetzung des Josuabuches die Markierungen von Redaktion und Fortschreibung. Sie beabsichtigen nicht, den genauen Entstehungsprozess des Textes wiederzugeben, sondern sollen beim Verstehen des nicht immer klaren Endtextes helfen.
Für die Reihe »Zürcher Bibelkommentare«, die allgemeinverständliches Wissen vermitteln will, erscheint mir der Kommentar als recht kompliziert. Dieser Eindruck wird verstärkt durch viele Fremdwörter oder fremdsprachliche Zitate. Gerne hätte ich den gleichen Inhalt, aber dann etwas eingehender begründet, in einem ausführlicheren Kommentar gesehen. Und es gibt leider viele Tipp- und auch Verweisfehler sowie eine fehlerhafte Überschrift (86: »Garizim« statt richtig »Ebal«).
Gleichwohl empfiehlt der Rezensent diesen Kommentar voller Gelehrsamkeit über das komplizierte Josuabuch. Vom knappen, aber detailreichen Einzelkommentar ausgehend kommen immer wieder die Komposition und Theologie der ganzen Bibel, die Ge­schichte Israels und seiner Umwelt sowie die Politik von damals bis heute in den Blick.