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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

86 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Moos, Thorsten

Titel/Untertitel:

Konfirmandenarbeit und missionarischer Gemeindeaufbau.

Verlag:

Stuttgart: Calwer 1995. XI, 443 S. gr.8° = Calwer theologische Monographien: C, Praktische Theologie und Missionswissenschaft, 25. Kart. DM 98,­. ISBN 3-7668-3383-9.

Rezensent:

Michael Meyer-Blanck

Die anzuzeigende Dissertation, welche bei Manfred Seitz gearbeitet und 1994 in Erlangen angenommen wurde, ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert. Denn zum einen ist die Konfirmandenarbeit ein eher vernachlässigtes Arbeitsfeld universitärer Praktischer Theologie (dieses wird wesentlich intensiver von den religionspädagogischen Instituten behandelt); zum anderen sind es in der Regel gerade nicht Autoren bzw. Autorinnen aus dem missionarischen Spektrum, welche sich der Konfirmandenarbeit annehmen. Für das bislang gänzlich unbearbeitete Thema liegt somit in der Studie von Moos ein Standardwerk vor, welches ­ dies sei vorweggenommen ­ im wesentlichen durch das differenzierte Urteil überzeugt, wenngleich der Autor aus seinem eigenen missionarischen Engagement kein Hehl macht. Die "empirische Wende" der Religionspädagogik soll rezipiert werden, ohne den grundlegenden theologischen Impuls der Konfirmandenarbeit zugunsten allgemeiner pädagogischer Ziele (wie etwa "Emanzipation", "Pubertätsbegleitung" etc.) aufzugeben. Das Konzept von M. ließe sich vielmehr beschreiben als "missionarische Zielsetzung in pädagogischer Verantwortung". Lehnt man diese Gedankenverbindung nicht von vorneherein ab (etwa von einer spezifischen Subjektorientierung als pädagogischer Leitkategorie her), dann wird der vorliegende Versuch im Hinblick auf die Zukunft der Kirche intensive Diskussion verdienen.

Bevor die Arbeit im einzelnen kritisch referiert wird, sei ein Satz als Motto vorangestellt, aus welchem hervorgeht, wie wenig der Autor in das gängige Schema von "Verkündigung oder Subjektorientierung" paßt. Für M. sind nämlich die Konfirmand(inn)en "nicht in erster Linie schwierige, pubertierende oder geistlich heimatlose Menschen, sondern Jugendliche, für die Gott Hoffnung und Ziele hat, für die seine Verheißung eines sinnerfüllten, geglückten Lebens gilt."(354)

Kern der Arbeit ist die Untersuchung der Konfirmandenarbeit von 18 Kirchengemeinden, die einem missionarischen Gemeindeaufbau verpflichtet sind bzw. nahestehen (vgl. die Liste, 170). Die Untersuchung erfolgte mit einer Verbindung von qualitativen (Besuche mit strukturierter Beobachtung des Unterrichts und mit teilstrukturierten Interviews der Unterrichtenden) und quantitativer Methodik (nach einem Protest überarbeiteter Fragebogen). Das Material wurde im Winter 1990/91 erhoben (168-174). In der Auswertung werden zunächst fünf der Gemeinden ausführlich (174-273), danach die anderen zusammenfassend beschrieben (277-434) unter dem etwas irreführenden Titel "Theorie einer Konfirmandenarbeit im Rahmen des missionarischen Gemeindeaufbaus"). Vorangestellt sind Kapitel, in welchen jugendsoziologische (7-52) und entwicklungspsychologische (53-83) Forschungsergebnisse kritisch referiert sowie KU-Konzeptionen und Arbeitsmaterialien kurz vorgestellt werden (87-159). Dieses erste Drittel des Buches wäre am ehesten entbehrlich, da der Umfang dadurch unnötig anwächst, zumal die Ergebnisse schon mehrfach zusammenhängend dargestellt sind. Andererseits stellt aber etwa die entwicklungspsychologische Reflexion einen roten Faden des Buches dar, und es mag auch daran gedacht sein, Leser aus dem missionarischen Umfeld an sozialwissenschaftliche Denkweisen heranzuführen. Das Urteil ist meistens im konstruktiven Sinne kritisch bei grundsätzlicher Offenheit (etwa zu den kognitionspsychologischen Stufenmodellen, 73-83).

Insgesamt ist aber die Darstellung insofern zu breit, als eine eigene Theorie der missionarischen Konfirmandenarbeit nicht mehr zusammenfassend formuliert wird, sondern aus der Bewertung der dargestellten Gemeinden zu erschließen ist (das Buch endet relativ unvermittelt mit dem Kapitel zu didaktischen Einzelfragen wie Organisations- und Lernformen bzw. Arbeitsmaterialien in den untersuchten Gemeinden, 391-434). Die eigene Position des Autors ist jedoch aus den beiden Kapiteln zu erschließen, welche den ausführlich kommentierten Fragebogenergebnissen vorangestellt sind: "Grundlegung einer Konfirmandenarbeit im Rahmen des missionarischen Gemeindeaufbaus" (287-309) und "Taufe und Christwerden" (310-330).

M. will "die Alternative von Evangelisation oder Lebenshilfe" (290) überwinden, indem das Evangelium als Lebenshilfe verstanden wird. Damit wird das Prinzip bloßer humaner Toleranz ebenso abgelehnt wie eine Verkündigung, welche "das Kreatursein und die Wachstumsprozesse der Konfirmanden/in-nen verleugnet." (290) Konkreter heißt das in Abgrenzung zu anderen Konzeptionen: nicht nur Informationsvermittlung, sondern existentielle Aneignung/Evangelisation; nicht Gemeinde-integration als solche, sondern durch persönlichen Glauben; das Evangelium nicht nur als Antwort auf Fragen, sondern auch als Herausforderung (296 f.). Die Konfirmandenarbeit ist "vom Missionsbefehl und nicht von der Taufe oder der Konfirmation her zu begründen." (301). Die Taufe wird in lutherisch-pietistischer Tradition als "ein gestrecktes Geschehen, das sowohl in der Heilsgeschichte Gottes als auch in der je eigenen Biographie eine Vor- und Nachgeschichte hat", verstanden (310, dort kursiv). Abgelehnt werden das objektive wie das subjektive Mißverständnis. Besonders das subjektive Mißverständnis in missionarischen Kreisen wird zurückgewiesen, weil dadurch "der Glaube an sich selber und seiner Entscheidungskraft hängt." (310)

Nicht nur auf missionarisch Unterrichtende dürfte die überzeugende Bemerkung zutreffen: "Im Grunde belegt das Argument ’Die Konfirmanden können damit nichts anfangen’ den Satz, daß die Unterrichtenden die Bedeutung der Taufe gering einschätzen." (317) In diesem Sinne wird von der "Wende zum bewußten Christsein" gesprochen (323, dort kursiv), damit andere Formen des Glaubens nicht diskreditiert werden. Dem wird man vehement zustimmen, nicht zuletzt im Hinblick auch auf die Arbeit mit Jugendlichen mit geistigen Behinderungen. Von Urteilsvermögen zeugt auch die Formulierung, der Glaube solle "den Keim eines individuierend-reflektierenden Glaubens" haben (327; dieser Glaube wird von Fowler bekanntlich erst dem dritten Lebensjahrzehnt zugeschrieben). Nur zustimmen kann ich auch dem Plädoyer für die Admissio im Alter von 10 Jahren (378) und der Kritik am Übergewicht ethischer Themen in vielen KU-Konzeptionen (412) sowie dem Eintreten für ein sparsames, funktionales Memorieren im gemeinsamen Gebrauch (425).

Daneben findet sich allerdings auch befremdliches: der Vorschlag des exorzistischen Gebets am Beginn der Konfirmandenzeit (für getaufte[!] Kinder, 256. 270) und das unkritische Rezipieren der Barz-Studie (das angebliche "Hierarchie-Modell" des christlichen Glaubens, 281). Praktisch-theologisch unsinnig ist ferner die Entgegensetzung von Methodik einerseits und Bindung an den auferstandenen Herrn andererseits (353). Ärgerlich finde ich es, wie in dieser Arbeit vom schulischen Religionsunterricht geschrieben wird. Meistens ist dieser in pfarramtlicher Ignoranz schlicht inexistent (sämtliche Information über Jesus beginnt angeblich erst im KU), oder er gilt "mehr als hinderlich denn als förderlich" (309, bei drei Befragten), bzw. der Autor redet sogar vom "Versagen des Staates, vor allem in Form seiner Schulen" (297).

Trotz dieser Bemerkungen, die sich mehr auf einzelne Gesichtspunkte als auf den Gesamtansatz der Studie beziehen, wird man urteilen müssen: M. hat eine wichtige Arbeit vorgelegt, die (bisweilen zu) genau darstellt, differenziert bewertet, dabei mit Kritik am eigenen missionarischen Umfeld nicht hinter dem Berg hält und somit die gesamte Konfirmandenarbeit zur Auseinandersetzung nötigt. Damit bestätigt die Arbeit, daß eines der KU-Diskussion wahrhaft nottut: das Bemühen um ihre theologische Konzentration.