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Ausgabe:

November/2005

Spalte:

1153–1168

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Nüssel, Friederike

Titel/Untertitel:

Theologie als Kulturwissenschaft?

In dem Bemühen, christlichen Glauben zu verstehen und auszulegen, reflektiert christliche Theologie seit ihren Anfängen mehr oder minder ausdrücklich auch die Frage nach der Bestimmung ihres Gegenstandes, ihrer Aufgabe und ihrer Bedeutung für den christlichen Glauben. Zur Eigenart neuzeitlicher Theologie gehört es jedoch, die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis in dem Bewusstsein zu stellen, dass sich die Bedeutung der Theologie für die Kirche und ihre führende Rolle unter den universitär betriebenen Wissenschaften keineswegs mehr von selbst versteht. Keine Wissenschaft ist durch die Umformungsprozesse, welche Renaissance und Humanismus, die abendländische Kirchenspaltung und schließlich die Aufklärung in Gang gesetzt haben, so sehr zur kritischen Reflexion und Transformation des eigenen Selbstverständnisses genötigt worden wie die Theologie. Die kritische Rückfrage nach Sinn und Notwendigkeit des eigenen Tuns ist zu einem konstitutiven Moment theologischer Selbstbesinnung geworden.1

Davon zeugt auch die gegenwärtige Diskussionslage in der Theologie. Hier steht nicht nur die schon seit dem 18. Jh. virulente Frage nach der einen Aufgabe der Theologie in der Vielfalt ihrer Disziplinen2 wieder verstärkt zur Debatte, sondern vor allem auch die Frage, ob und in welcher Weise sich die Theologie unter modernen Bedingungen als Kulturwissenschaft beschreiben lässt. Beide Fragen hängen eng miteinander zusammen. Denn mit der Klärung der Frage nach der theologischen Aufgabe in der Vielfalt der Disziplinen wird auch über das Verständnis der Theologie als Wissenschaft und ihr Verhältnis zu anderen Wissenschaften entschieden. Und umgekehrt implizieren der Anspruch der Theologie auf Wissenschaftlichkeit und ihre Deutung als Kulturwissenschaft eine bestimmte Aufgabenbestimmung, die wiederum auf die Unterscheidung der theologischen Disziplinen Einfluss nimmt.

In diesem Beitrag soll der zweiten Frage nachgegangen und überlegt werden, ob und in welchem Sinne die Theologie ihre Wissenschaftlichkeit durch die Ausdifferenzierung als Kulturwissenschaft zur Geltung bringen kann. Diese Überlegung wird forciert durch das Faktum, dass der Begriff der Kulturwissenschaft bedingt durch den so genannten ðlinguistic turnÐ und die ðkulturalistische WendeÐ seit gut 20 Jahren »zur transdisziplinären Integration der Geistes- und Sozialwissenschaften«3 dient ­ ein Sachverhalt, der nicht zuletzt in der Zuordnung der entsprechenden Fächer zum Fachbereich der Kulturwissenschaften an vielen deutschsprachigen Universitäten zum Ausdruck kommt.

1. Zum theologiegeschichtlichen Kontext der Fragestellung Obwohl die Frage nach Möglichkeit und Gestalt einer kulturwissenschaftlichen Selbstdeutung der Theologie unter den genannten Umständen besondere Aktualität und Brisanz gewonnen hat, handelt es sich dabei doch für die Theologie keineswegs um eine neue Frage. Sie steht der Sache nach bereits mit der Konzentration auf den Kulturbegriff in der evangelischen Theologie des 19. Jh.s zur Debatte, die von Friedrich Schleiermacher4 angestoßen wurde. Die Konzentration auf den Kulturbegriff5 fand in der Folgezeit einerseits in der vom Protestantenverein angestrebten »Versöhnung von Religion und Kultur«6 sowie in der Theologie Albrecht Ritschls7 und bei den von ihm geprägten Theologen8 statt, andererseits aber auch in modernitätskritisch ausgerichteten neulutherischen Konzeptionen.9 Sie lässt sich mit entsprechender zeitlicher Verzögerung nicht zuletzt in der Auswahl der Lemmata in den führenden evangelisch-theologischen Lexika ablesen. Während es in der 3. Auflage der »Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche« von 1902 noch keinen Artikel zum Kulturbegriff gibt,10 bietet das 1894 in Leipzig erschienene »Kirchliche Handlexikon« bereits Artikel zu den Lemmata »Kultur«, »Kulturexamen«, »Kulturismus«, »Kulturkampf«. Die 1. Auflage der »Religion in Geschichte und Gegenwart« von 1912 enthält sodann einen elf Spalten langen Artikel zu »Kultur« mit Unterabschnitten zu »Kultur und Religion« und »Christliche Kulturgeschichte«11 und einen über 21 Spalten reichenden Artikel zu »Kulturwissenschaft und Religion«12 ­ beide von dem Ritschlschüler Samuel Eck.

In der Theologie um 1900 war dabei nicht strittig, ob die Theologie eine Kulturwissenschaft sei. Vielmehr kann ­ wie Friedrich Wilhelm Graf herausgestellt hat ­ von einem »untergründigen Konsens«13 im Verständnis der Theologie als normativer Kulturwissenschaft ausgegangen werden. Trotz aller methodischer Differenzen war man sich darin einig, dass die »Theologie normative Kulturwerte mit intersubjektiver Geltung«14 zu begründen habe. Zwar lässt sich um 1900 statistisch ein kontinuierlicher Bedeutungsverlust der Theologie »im Ausbildungssystem der Universitäten«15 diagnostizieren. Zudem stand seit dem Kulturkampf der 70er Jahre die Existenzberechtigung theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten zur Debatte, was in der protestantischen Theologie der 80er Jahre in die Frage mündete, »ob die Theologie einem allgemeinen Wissenschaftsideal entsprechende Einzelwissenschaft oder bloße Weltanschauungslehre sei«.16 Dennoch herrschte in der Theologie ­ nicht zuletzt fundiert durch »das große wissenschaftliche Ansehen deutscher protestantischer Theologie in der Gelehrtenrepublik und in Teilen des Bildungsbürgertums um 1900«17 ­ ungebrochen die Überzeugung von der »gesamtkulturellen Relevanz ihres Gegenstandes, der Religion«18 und der kulturellen Prägekraft des protestantischen Christentums, die durchaus von anderen Kulturwissenschaftlern bestätigt wurde. Entsprechend wurde in der Theologie nicht die Notwendigkeit gesehen, gegenüber anderen historisch arbeitenden Kulturwissenschaften einen Exklusivitätsanspruch zu erheben.

Innertheologisch bestand Uneinigkeit somit weniger in der Beschreibung der Theologie als Kulturwissenschaft. Die innerprotestantischen Auseinandersetzungen kreisten vielmehr um unterschiedliche Kulturdeutungen19 sowie Methoden und kulminierten in der Frage, wie die normative Bedeutung des Christentums für die Kultur angemessen zur Geltung zu bringen sei. Mit der Entscheidung dieser Frage hing die weitere Frage zusammen, ob die theologischen Fakultäten an den Universitäten aufgelöst und in Religionswissenschaft überführt werden könnten oder »ob nicht gerade der spezifische Gegenstand der Theologie, die christliche Religion, ihrer Umwandlung in eine rein historisch verfahrende Wissenschaft von der ðKulturbedeutung des ChristentumsÐ Grenzen ziehe«.20 Während die Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule im Zuge der von ihnen propagierten »Umformung der Theologie in eine rein historisch verfahrende Kulturwissenschaft des Christentums«21 der ersten Option zuneigten, traten liberale Theologen, allen voran Adolf von Harnack, für den Bestand eigenständiger theologischer Fakultäten an den Universitäten ein.22 Leitend war dabei »die Überzeugung, zwischen der Freiheit der Wissenschaft und dem Geist des Protestantismus bestehe ein enger, geschichtlich und inhaltlich begründeter Zusammenhang«.23 Diese Überzeugung versuchte auch Ernst Troeltsch im Entwurf seiner Kulturtheorie und in seiner Konzeption einer Kultursynthese im europäischen Kulturkreis zur Geltung zu bringen, im Unterschied zur altliberalen Theologie jedoch im vollem Bewusstsein der Grundlagenkrise der modernen Kultur.24 Diesem Krisenbewusstsein entsprach auch, dass Troeltsch im Unterschied zu Harnack und anderen liberalen Theologen die Absolutheit der christlichen Religion nicht mehr aus ihrem prinzipiell unüberbietbaren Wesensbegriff heraus verteidigen zu können meinte, sondern nur im Rekurs auf die geschichtlich rekonstruierbare, aber prinzipiell überbietbare Höchstgeltung.25

Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, der quer durch die verschiedenen theologischen Richtungen als eine grundlegende Krise der bürgerlichen Kultur und ihrer Werte interpretiert wurde, führten in der protestantischen Theologie bekanntlich zu einer umfassenden Kritik des so genannten »Kulturprotestantismus«26. Umgesetzt wurde diese Kritik27 innertheologisch wie außertheologisch in einer »radikalen antimodernen Modernisierung der Kulturwissenschaften in den zwanziger Jahren«.28 Für den theologischen Umgang mit der Kulturthematik nach dem Ersten Weltkrieg wurden dabei nicht die Ansätze wegweisend, die in Reaktion auf die Modernitätskrise eine neue Begründung der Kulturwerte anstrebten wie Ernst Troeltsch oder in anderer Weise die konservativen Lutheraner. Bestimmend wurden in der deutschsprachigen evangelischen Theologie vielmehr in erster Linie die der Dialektischen Theologie zugerechneten Konzeptionen von Karl Barth29 und Friedrich Gogarten. Demgegenüber gewannen die Kulturtheologie Paul Tillichs und der auf die neuzeitliche Umformung des christlichen Denkens zielende Ansatz von Emanuel Hirsch erst später an Einfluss. Die Konzentration auf das Wort Gottes als den exklusiven Grund und Gegenstand der Theologie in der Dialektischen Theologie hat dabei maßgeblich dazu beigetragen, dass in weiten Bereichen evangelischer Theologie bis in die 70er Jahre hinein Kultur nicht mehr als Gegenstand der Theologie angesehen wurde. Entsprechend kam auch ein Verständnis der Theologie als Kulturwissenschaft nicht in Betracht.

Zu einer neuen Besinnung auf das Verhältnis von Theologie und Kultur innerhalb der Theologie haben zwei Entwicklungen beigetragen. Zunächst wurde innertheologisch in kritischer Auseinandersetzung mit der Dialektischen Theologie die theologische Bedeutung der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der historischen Forschung und den Anfragen außertheologischer Wissenschaften erneut zur Geltung gebracht. Einen ersten Versuch in diese Richtung unternahm die Programmschrift ðOffenbarung als GeschichteÐ von 1961, deren Programm in der Folgezeit von den Beteiligten in unterschiedlicher Weise fortgesetzt wurde. So nahm sich Wolfhart Pannenberg in seinem Buch ðWissenschaftstheorie und TheologieÐ von 197330 der im Verhältnis zum logischen Positivismus gegebenen wissenschaftstheoretischen Aufgabe an, den Wahrheitsanspruch theologischer Aussagen zu begründen.31 Demgegenüber kann das 1972 publizierte Programm der Christentumstheorie von Trutz Rendtorff als Versuch einer grundlegenden Auseinandersetzung mit der Soziologie verstanden werden.32 In wieder anderer Ausrichtung plädierte Gerhard Ebeling33 ebenfalls 1972 für eine evangelische Fundamentaltheologie zur Wahrnehmung der enzyklopädischen und apologetischen Aufgaben der Theologie. Damit waren innertheologisch Impulse gesetzt für die weitere Selbstverständigung der Theologie über ihre Bestimmung und Aufgabe im universitären, gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext.

Dass mit dieser Selbstbesinnung auch die Kulturthematik wieder verstärkt in das Blickfeld der Theologie rückte, dürfte wesentlich mit der außertheologischen Debattenlage in den Geisteswissenschaften seit den 70er Jahren zu tun haben. Diese Entwicklung bildet den Hintergrund für die Frage, ob und in welcher Weise sich die Theologie gegenwärtig als Kulturwissenschaft verstehen kann. Sie soll daher im nächsten Schritt skizziert werden. 2. Zum Selbstverständnis der Kulturwissenschaft(en) Die Verwendung des um 1900 geprägten Terminus ðKulturwissenschaftÐ reduzierte sich nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur in der Theologie, sondern ebenso in den historisch-philologischen Disziplinen, die ihn zu ihrer Kennzeichnung als ðverstehende EreigniswissenschaftenÐ in Abgrenzung von den Naturwissenschaften und in Abhebung von den ðerklärenden Geset- zeswissenschaftenÐ eingeführt hatten.34 Erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gewann er ­ bedingt durch die historische Mentalitätsforschung der Annales-Historiographie in Frankreich, den so genannten ðNew HistoricismÐ35 in Nordamerika und das Aufblühen der ðcultural studiesÐ36 im anglo-amerikanischen Bereich ­ wieder an Bedeutung, und zwar nicht nur im akademisch-wissenschaftlichen Bereich, sondern weit darüber hinaus durch die publizistische Verwendung in Tages- und Wochenzeitungen, Buchreihen etc. Inzwischen hat sich der Begriff der Kulturwissenschaften im Plural als fächerübergreifende, integrative Orientierungskategorie zur Bezeichnung derjenigen universitären Disziplinen etabliert, die bislang als Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Geschichtswissenschaften oder Sozialwissenschaften bezeichnet wurden.37 Dieser Funktion liegt allerdings keineswegs ein einheitliches Konzept von Kulturwissenschaft zu Grunde. Mit ðKulturwissenschaftÐ werden vielmehr eine Reihe durchaus heterogener, unterschiedlich präziser Konzepte kulturwissenschaftlicher Ansätze und Teildisziplinen bezeichnet, die ihrerseits auf unterschiedlichen Kulturbegriffen und Kulturtheorien38 aufruhen.

In Aufnahme der europäischen und amerikanischen Debattenlage wurde in der deutschen Diskussion mit dem Terminus ðKulturwissenschaftenÐ vor allem das Programm einer Reform der Geisteswissenschaften verbunden, um deren Relevanzverlust im Verhältnis zu den Naturwissenschaften entgegenzuwirken. In diesem Sinne haben Wolfgang Frühwald, Hans Robert Jauß, Reinhart Koselleck, Jürgen Mittelstraß und Burkhart Steinwachs in einer Denkschrift mit dem Titel »Geisteswissenschaften heute« von 1991/21996 Problemfelder untersucht, »die für die zukünftige Rolle der geisteswissenschaftlichen Forschung aus wissenschaftshistorischer, wissenschaftssystematischer und wissenschaftstheoretischer Perspektive von besonderem Belang«39 sind. Die Autoren verfolgen die Absicht, »die Tradition der Geisteswissenschaften durch ihre Neubestimmung als Kulturwissenschaften zu modernisieren«40 und so ihre wissenschaftliche Relevanz neu zur Geltung zu bringen. Die Voraussetzung dafür sehen sie in der Fähigkeit der Geisteswissenschaf-ten gegeben, »in ihrer Sache selbst grenzüberschreitend, aber auch wieder integrativ und nicht zuletzt dialogisch zu sein«.41 Auf diese Weise »könnten sie als Instrument interkultureller Bildung und anthropologischer Erkenntnis ihren genuinen Beitrag zum Problem einer Reintegration der technologischen Zivilisation in die gesellschaftliche Kultur der Zukunft leisten, etwas, das im gegenwärtigen Dialog aller Disziplinen wohl das Vordringlichste ist«.42

Als Basis für die kulturwissenschaftliche Modernisierung der Geisteswissenschaften setzen die Autoren einen Kulturbegriff voraus, wonach unter Kultur der »Inbegriff aller menschlichen Arbeit und Lebensformen, einschließlich naturwissenschaftlicher Entwicklungen«43 zu verstehen sei. Gegenüber dem Dualismus zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, wie er in der Theorie der »zwei Kulturen« von Charles Percy Snow44 auf den Begriff gebracht ist, sollten die beiden Welten der Natur- und Geisteswissenschaften »wieder als Ausdruck einer Kultur«45 begriffen werden. Entsprechend bestimmen die Autoren der Denkschrift als Gegenstandsbereich der Kulturwissenschaften »die kulturelle Form der Welt«46 insgesamt.

Im Zuge der Abwehr dualistischer Modelle lehnen sie entschieden auch Odo Marquards Funktionsbestimmung der Geisteswissenschaften zur Kompensation von Modernisierungsschäden ab.47 Denn indem Marquard die Naturwissenschaften als challenge, die Geisteswissenschaften als response interpretiere, stütze er den Wissenschaftsdualismus nur in neuer Weise.48 Außerdem aber drohten die Geisteswissenschaften »unter den Schalmeientönen der Kompensationstheorie zu Entspannungswissenschaften«49 und zu »Akzeptanzwissenschaften«50 zu werden. Gegenüber solcher Unterforderung votieren die Autoren der Denkschrift für die argumentative und konstruktive Aufgabe der Geisteswissenschaften im »Nachdenken und Vorausdenken«51 und verstehen sie als »ðOrtÐ, an dem sich moderne Gesellschaften ein Wissen von sich selbst in Wissenschaftsform verschaffen«.52 Ihr Sinn und ihre Notwendigkeit ergebe sich daraus, dass »die Selbstreflexion von Individuen und Kulturen als eine der vornehmsten Aufgaben von Wissenschaft«53 zu gelten habe. In ihrem verstehenden und erklärenden Bezug auf das kulturelle Ganze nähmen sie dabei auch eine Orientierungsaufgabe wahr.54

Unter den verschiedenen kulturwissenschaftlichen Modernisierungsmodellen in den Literaturwissenschaften, in der Soziologie55 und in der Geschichtswissenschaft kann hier nur die Konzeption der »Geschichte als Historische[r] Kulturwissenschaft« von Otto Gerhard Oexle Erwähnung finden. Sie ist deshalb von besonderem Interesse, weil Oexle in den Theoriedebatten der Geschichtswissenschaften und anderer Kulturwissenschaften eine Rückkehr der handelnden Subjekte diagnostiziert und diesen Sachverhalt als einen umfassenden Reflexions- und Rezeptionsvorgang interpretiert, »in dessen Mitte eine umfassende Aneignung von ðWissenschaft um 1900Ð, genauer gesagt: der Zeit von 1880 bis 1930 steht«.56 An dem europäischen Aufbruch um 1900 könne sich die Geschichte als Historische Kulturwissenschaft vergewissernd orientieren.57

In seiner darauf aufbauenden Auslotung der »Entwicklungschancen von Geschichte als Historischer Kulturwissenschaft«58 konzentriert sich Oexle vor allem auf Max Webers Verständnis der Kulturwissenschaft als empirisch gestützter Hypothesenwissenschaft, deren »Erkenntnisgegenstand nicht die sachlichen Zusammenhänge der Dinge, sondern die gedanklichen Zusammenhänge der Probleme sind«.59 Von da aus plädiert er zum einen für eine Entdisziplinierung der Geschichtswissenschaft,60 zum anderen für eine wissenschaftliche Selbstreflexion als integralen Bestandteil von Geschichte als Historischer Kulturwissenschaft, in der sie sich »bereits durch die Art ihrer Konstituierung immer ihrer kulturellen Bedingtheit und damit auch ihrer Historizität, ihrer historischen Gewordenheit bewußt«61 sei. Das Theorieniveau dieses Ansatzes besteht dabei nicht zuletzt darin, dass Oexle die Einsicht in die historische Bedingtheit geschichtswissenschaftlicher Forschung nicht nur fordert, sondern die historische Genese und Bedingtheit auch seiner eigenen Theorieentwicklung im Rekurs auf die kulturwissenschaftliche Reflexion um 1900 aufweist.

Während es in der Konzeption der Denkschrift und in dem geschichtswissenschaftlichen Ansatz von Oexle um eine kulturwissenschaftliche Modernisierung der durch das idealistische Erbe bestimmten Geisteswissenschaften62 geht, bemühen sich umgekehrt eine Reihe von Kulturwissenschaftlern darum, die faktische Etablierung der Kulturwissenschaft(en) an den Universitäten theoretisch zu substantiieren. Nach der Definition, die Hartmut Böhme entwickelt hat, erforscht Kulturwissenschaft »die von Menschen hervorgebrachten, sozialen wie technischen Einrichtungen, die zwischen Menschen gebildeten Handlungs- und Konfliktformen sowie deren Werte- und Normenhorizonte, insbesondere insoweit diese zu ihrer Konstitution, Tradierung und Entwicklung besonderer Ebenen der symbolischen und medialen Vermittlung bedürfen«.63 Dabei sei »die Kultur als Ganzes sowohl das Objekt als auch der Rahmen für ihre eigenen Operationen«.64 Im Rekurs auf Ernst Cassirers Deutung der »Naturwissenschaften als ðsymbolische FormÐ, d.h. als Kultur« wird ­ wie in der Denkschrift ­ »der ganze Bereich menschlicher Tätigkeiten«65 als Gegenstand der Kulturwissenschaft bestimmt. Denn Kulturwissenschaft untersuche »nicht nur sprachliche Texte als symbolische Verarbeitungen von Realität Š, sondern auch die materiellen, medialen und gedachten Ordnungen, an denen sprachliche Texte teilhaben und in die sie eingelassen sind«.66 Dabei wird unter Verweis auf Niklas Luhmann auch die konstruktivistische Prägung des modernen Kulturbegriffs hervorgehoben. Denn es könne ­ wie Luhmann selbst in seiner späten Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff betont ­ »nicht gelingen, den Sachverhalt ðKulturÐ auf der Gegenstandsebene zu fixieren und Kulturgegenstände von anderen Gegenständen zu unterscheiden«.67 Vielmehr sei Kultur »das Gedächtnis sozialer Systeme, vor allem des Gesellschaftssystems«,68 und damit »eine Perspektive für die Beobachtung von Beobachtern«.69 Für Böhme lösen sich damit essentialistische Vorstellungen von Kultur auf. ðKulturÐ sei vielmehr »als etwas Gemachtes kontingent, eben dadurch aber auch (re)konstruierbar«.70 Allerdings müsse die Kulturwissenschaft im Rekurs auf die Luhmannsche Beschreibung ihrerseits als Beobachter dritter Ordnung gedacht werden. Was dies für die wissenschaftstheoretische Selbstbeschreibung von Kulturwissenschaft bedeutet, scheint bislang jedoch nicht hinreichend reflektiert zu sein.

Dem bedeutungstheoretisch-konstruktivistisch geprägten Kulturbegriff und seiner Kontingenzperspektive71 entsprechen die Kernkompetenzen, die Böhme in seiner Konzeption von Kulturwissenschaft als das Ziel kulturwissenschaftlicher Forschung und Lehre bestimmt. Dazu gehöre vor allem »eine Grundausbildung im Sich-Wundern, [und daraus resultierend; F. N.] die habituelle Neigung, alle kulturellen Produkte wie alle kulturelle Praxis unter dem Blickwinkel ihrer Nicht-Selbstverständlichkeit wahrzunehmen«.72 Diese Neigung führe »über die Elementarfragen danach, was man in einem bestimmten Medium (Schrift oder Bild, Film oder Computeranimation etc.) eigentlich vor sich hat, zur ebenso habituellen Aufmerksamkeit auf das ðGemachtseinÐ alles dessen, worauf, in Natur wie in Kultur, der analytische Blick fällt«.73 Im Zentrum kulturwissenschaftlicher Forschung stünden dabei die seit den 1980er Jahren etablierten Bereiche der Mediengeschichte, der Bildforschung und der historischen Anthropologie.74

Die hier knapp vorgestellten Konzepte zur Modernisierung der Geisteswissenschaften und zum Verständnis von Kulturwissenschaft können zwar in der deutschsprachigen Diskussion als einflussreich gelten. Doch sollten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Modernisierungs- und Umstrukturierungsprozess, der sich mit dem Stichwort ðKulturwissenschaftÐ verbindet, auf theoretischer wie auf institutioneller Ebene höchst unübersichtlich und im Blick auf seine weitere Entwicklung noch weitgehend offen ist. Es kann weder als ausgemacht gelten, was unter ðKulturwissenschaftÐ als einer disziplinenübergreifenden, integrativen Metadisziplin zu verstehen ist,75 noch ist klar, ob sich die Kulturwissenschaft als Einzeldisziplin etablieren wird,76 noch gibt es eine auch nur annähernd einheitliche Verwendung des Begriffs in der Organisationsstruktur der Universitäten. Und schließlich verläuft auch der Modernisierungsprozess der Geisteswissenschaften als Kulturwissenschaften in den einzelnen Disziplinen höchst unterschiedlich. Dabei erscheint vor allem die Frage nach der Bestimmung des jeweiligen Gegenstandes der Disziplinen als problematisch. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Beschreibung der Theologie als Kulturwissenschaft überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn damit eine eigenständige Reflexion auf Profil und Aufgabe von Kulturwissenschaft verbunden wird.

3. Theologie als Kulturwissenschaft? Die erneute Zuwendung der Theologie zur Kulturthematik seit den 70er Jahren ist ein Indiz dafür, »daß die weitgehende kulturtheologische Abstinenz der evangelischen Theologie nach dem Zweiten Weltkrieg die Problemkonstellationen nicht zum Verschwinden gebracht hat, die schon vor 75 Jahren die theologische Beschäftigung mit dem Thema der Kultur dringlich erscheinen ließen«.77 Vielmehr sind die »in der neuen Debatte um Christentum und Kultur heute benannten kulturellen Tendenzen, die die theologische und kirchliche Praxis herausfordern, im wesentlichen dieselben wie nach 1918, wenn auch in verschärfter Form«.78 So diagnostiziert Christoph Schwöbel. In der theologischen Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen, insbesondere der »Durchsetzung der Autonomie der Kultursphären und Lebensbereiche«,79 der »Individualisierung der Lebensorientierungen und Lebensvollzüge in einer funktional differenzierten Gesellschaft«80 und dem »Pluralismus als die Konkurrenz religiös-weltanschaulicher Grundorientierungen in der Kultur«,81 kam es zu einer Reihe neuer kulturtheologischer Ansätze82 und Reflexionen.83 Einen wichtigen Orientierungspunkt bot und bietet hierfür die Kulturtheologie Paul Tillichs, der sein Verständnis der Verhältnisbestimmung von Kultur und Religion und damit seine kulturtheologische Grundauffassung in folgendem Satz auf den Begriff gebracht hat: »Religion ist die Substanz der Kultur und Kultur die Form der Religion«.84 Mit den kulturtheologischen Ansätzen wird jedoch keineswegs automatisch der Versuch verknüpft, die Theologie als Kulturwissenschaft auszuweisen und eine kulturwissenschaftliche Selbstbeschreibung der Theologie auszuarbeiten. Die Bedenken im Bereich der Systematischen Theologie hängen einerseits mit der normativen Ausrichtung der Theologie zusammen, wie sie im Verständnis der Theologie als Wissenschaft des christlichen Wirklichkeitsverständnisses85 oder in der Bestimmung der Theologie als Wissenschaft von Gott und der damit verbundenen Konzentration auf die Wahrheitsfrage86 vorausgesetzt wird. Zum anderen haben sie mit der von der Theologie geltend gemachten prinzipiellen Differenz des christlichen Glaubens »von jeder bestimmten Kultur«87 zu tun.

Walter Sparn hingegen hält es für »eine Frage der Methodologie oder der Pragmatik, vielleicht auch nur der Semantik, ob man die Theologie als Geisteswissenschaft, als Phänomenologie, als Wirklichkeitswissenschaft oder als Kulturwissenschaft bezeichnet«.88 Dies gelte unter Voraussetzung zweier Annahmen, zum einen, »daß alle Wissenschaften kulturelle Phänomene sind«,89 zum anderen, »daß menschliches Leben als menschliches Š in der Korrelation einer Weltbeziehung, einer Selbstbeziehung und einer Beziehung, welche die Uneinholbarkeit der Unterscheidung von Selbst und Welt als solche weiß, aushält und bejaht Š, also der Annahme einer Gottesbeziehung«,90 gegeben sei. Die erste Annahme impliziert für Sparn, dass die Theologie sich wie alle anderen Wissenschaften »selbst als Phänomen von Kultur versteht«91 und keiner Klassifikation zustimmen kann, welche sie »in einen Dualismus, z. B. zwischen verstehenden Geisteswissenschaften und erklärenden Naturwissenschaften einordnet«.92 Die zweite Annahme, also die Annahme einer dreistelligen Relation menschlichen Lebens in der Welt-, Selbst- und Gottesbeziehung, impliziert, dass als Gegenstand einer kulturwissenschaftlichen Disziplin nicht nur Kultur im Sinne der Pflege der Welt- und Selbstbeziehung in Betracht kommt, sondern auch der Kultus als »die Pflege der Beziehung zum Heiligen oder Göttlichen«.93 Die Bezeichnung der Theologie als Kulturwissenschaft sei mithin »in der gegenwärtigen wissenschaftlichen und kulturellen Situation unproblematisch, solange der Begriff der Kultur als ein heuristisch offener gebraucht wird«.94

Auf dem Boden dieser Überlegungen bestimmt Sparn die Theologie als christliche Hermeneutik religiöser Kultur. Ihre spezifische Aufgabe sieht er in der Reflexion darauf, dass die religiöse Kultur des Christentums nicht nur ein durch symbolisierendes Verhalten gekennzeichnetes soziales Phänomen ist, sondern dass sie »konstitutiv auch historisch vermittelt ist«95 und in der Bindung an historische Genese und Überlieferung »ein hermeneutisches Phänomen darstellt«.96 Sie unterscheide sich dabei »von anderen religions- oder kulturwissenschaftlichen Hermeneutiken«97 dadurch, dass »sie die iterative Differenz zwischen der Außen- und der Binnenperspektive auf ihren Gegenstand, das Christentum, mit der immer neuen Option für die letztere verknüpft, d. h. sich auch als Funktion einer kulturell gegebenen Religion versteht«.98 Diese Option gründe in einem erweiterten Hermeneutik-Begriff, der »seinerseits das (vorläufige) Ergebnis der Historizität des Christentums«99 sei. Herme-neutik bedeute sonach »das geordnete und vernünftigerweise allen Beteiligten nachvollziehbare Verfahren der Verflüssigung und der Erneuerung der Innen-Außen-Grenze konkreter religiöser Kulturen, also dessen, was herkömmlicherweise Kanon genannt wird«.100 Theologische Hermeneutik sei insofern »selbst ein Phänomen der Dekanonisierung und Rekanonisierung der christlichen Überlieferung«.101 Die Option theologischer Kulturwissenschaft für die christlich-religiöse Binnenperspektive resultierte somit aus der Einsicht in die historisch-hermeneutische Verfasstheit des Christentums. Sie realisiere sich in der Ausrichtung theologisch-religionswissenschaftlicher Arbeit auf »den unmittelbaren Zweck der christlichen Orientierung in einer gegebenen religiös-weltanschaulichen Situation«,102 die wiederum »mittelbar dem Zweck der Erbauung der christlichen Kirche«103 diene. Als kulturwissenschaftliche Disziplin trete die Theologie sonach »in Erscheinung, wenn sie die Instanz von kulturellen Unterscheidungs- und also Vergewisserungsleistungen ist, die praktisch-kulturelles Handeln auszurichten erlauben; mithin dann, wenn sie in einer gegebenen kulturellen Situation orientiert und dadurch die Möglichkeit verantwortlichen Handelns, des Handelns aus Freiheit begründet«.104

Wird Theologie in dieser Weise als Kulturwissenschaft aufgefasst, dann scheinen zentrale theologische Anliegen berücksichtigt, die in der Entwicklungsgeschichte theologischer Selbstreflexion auf ihre Aufgabe und ihr Profil herausgestellt wurden und auch die gegenwärtige Diskussion in der evangelischen Theologie bestimmen. Das gilt zum einen hinsichtlich des Bezuges auf den Gottesgedanken,105 zum anderen hinsichtlich des Praxisbezuges in der Ausrichtung auf religiös-kulturelle Orientierung und schließlich auch hinsichtlich des nur mittelbaren Bezuges auf Kirchenleitung. Denn damit wird der Selbstunterscheidung der Theologie von der Heilsvermittlung in Wort und Sakrament entsprochen, die schon in der alten lutherischen Bestimmung der Theologie als praktischer Wissenschaft intendiert war.

In einer Selbstbeschreibung der Theologie als kulturwissenschaftlicher Disziplin geht es jedoch nicht nur um eine binnentheologische Modernisierung der Theologie analog zu den Modernisierungsprozessen in anderen Geisteswissenschaften. Es geht, wie Sparn mit Recht feststellt, auch um ein wissenschaftliches Profil der Theologie in der Universität, welches sich offensiv von der Frage leiten lässt, »wie die Universität als Einrichtung von Forschung und Lehre gemeint und eingerichtet sein müsse, wenn so etwas wie Theologie darin einen Platz haben soll«.106 Der Theologie müsse »daran gelegen sein, daß, was sie selbst als ihre wissenschaftliche Aufgabe ansieht, als eine Aufgabe erscheint, die von allen Bemühungen um Wissenserwerb und Orientierung durch Erkenntnis betrieben wird, wie unterschiedlich auch immer; Bemühungen, die sie selber deshalb ihrerseits als ðWissenschaftenÐ verantwortungs- und lernbereit respektiert«.107 Dabei bestehe die »am ehesten konsensfähige Allgemeinheit und Gemeinsamkeit dieser Bemühungen, auch der naturwissenschaftlichen Š darin, daß sie eine kulturelle Aufgabe wahrnehmen«.108 Auf der Basis dieser Überlegungen kann sich die Theologie nur im transdisziplinären Dialog »um das Verständnis und die Handhabung von Wissenschaft als kulturellem Phänomen«109 als eigene, aber mit anderen Kulturwissenschaften sinnvoll koexistierende Disziplin profilieren.

Die Eigenart der Theologie gegenüber anderen kulturwissenschaftlichen Disziplinen besteht dabei darin, dass sie in ihrer auf das Christentum gerichteten Verstehensbemühung von der für den christlichen Glauben konstitutiven dreistelligen Relation des Lebens ausgeht und alle Phänomene der Kultur im Rekurs auf die Unterscheidung zwischen Gott und Mensch interpretiert. Auf diese Weise bringt sie im Unterschied zu anderen Kulturtheorien die konstitutive Bedeutung des christlichen Gottesgedankens für die Deutung der Kultur zum Zuge, wobei sie in ihrem Bezug auf den Gottesgedanken zugleich den Grund ihrer eigenen Strittigkeit reflektiert. Ihre gesellschaftliche Orientierungsleistung kann dabei darin gesehen werden, dass sie im Medium der Unterscheidung zwischen Gott und Mensch über die Endlichkeit aller kulturellen Phänomene aufklärt. Zugleich nimmt christliche Theologie jedoch eine binnentheologische Perspektive ein, indem sie nicht nur Genese und Wesen des Christentums erforscht, sondern zugleich die gegenwärtigen Kommunikationsbedingungen zu klären sucht, an die kirchliche Praxis anschließt.110

Dass die Theologie gerade in der beschriebenen Eigenart eine grundlegende Bedeutung im Kontext der Kulturwissenschaften und für dieselben hat, bringt Friedrich Wilhelm Graf in seinem Beitrag »Wozu Theologie?«111 zur Geltung.112 Denn die protestantische Universitätstheologie könne »den Kulturwissenschaften zu einer präziseren historischen wie systematischen Wahrnehmung ihrer selbst verhelfen«,113 und zwar durch ihre »wissenschaftshistorischen Erinnerungsleistungen«.114 Nur mit Hilfe der Theologie lasse »sich die ðimplizite TheologieÐ kulturwissenschaftlicher Deutungsangebote erkennen und der dogmatische Schein ihrer Religionsneutralität oder Konfessionstranszendenz zerstören«.115 Und weil religiöses Bewusstsein seinerseits »immer durch ðimplizite TheologieÐ bestimmt«116 sei, ließen sich ohne theologische Reflexionskompetenz auch »die vielen Religionsgeschichten der Moderne nur reduktionistisch erfassen«.117

Graf expliziert die Funktion der Theologie für Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft im Rekurs auf die neuzeitlichen Legitimationsmuster protestantischer Universitätstheologie. Er begreift die Theologie mithin als positive, auf die Kirche bezogene Wissenschaft, als dezidiert ethische Theologie und als eine »historisch-hermeneutische Kulturwissenschaft des Christentums, die der Deutung und der Stärkung aktueller christlicher Kultur dient«.118 Ihre Aufgabe sei es, »in den Arenen von Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Kirche und Politik der heilsamen Unterscheidung von Gott und Mensch Geltung zu verschaffen«.119 Die entscheidende Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgabe in dem dreifachen Bezugsfeld von Wissenschaft, Kirche und Politik liegt für Graf in der institutionellen Verortung der Theologie an der Universität in selbständigen theologischen Fakultäten. Denn die »Zerstörung theologischer Fakultäten zugunsten rein kirchlicher Seminare einerseits und staatlicher religionswissenschaftlicher Lehr- und Forschungsstätten andererseits bedeutete Š den Verzicht darauf, die Tradierungsfähigkeit gebildeter Religion zu pflegen und eine Religionskultur humaner Selbstbegrenzung des Menschen zu befördern«.120 Damit aber steht nicht nur die kirchliche Bedeutung der Theologie, sondern ebenso ihre gesellschaftliche und wissenschaftliche auf dem Spiel.

Im Interesse an der Bestimmung und Stärkung der Kulturbedeutung des Christentums konnte sich die Theologie vor 100 Jahren verhältnismäßig unproblematisch als Kulturwissenschaft des Christentums verstehen. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen entscheidend gewandelt, sowohl im Blick auf die Anerkennung und den Stellenwert der Theologie an der Universität als auch im Blick auf das Verständnis des Kulturbegriffs und die Selbstbeschreibung(en) der Kulturwissenschaft(en). Diese veränderten Bedingungen schließen zwar eine kulturwissenschaftliche Selbstbeschreibung der Theologie nicht aus. Sie erfordern aber, dass sich die Theologie konstruktiv an kulturtheoretischen und kulturwissenschaftlichen Diskursen beteiligt und in diesem Kontext sowohl ihre spezifisch theologische Absicht als auch das in ihrer neuzeitlichen Selbstreflexion erreichte Theorieniveau argumentativ zur Geltung bringt.

Summary This article deals with the question, whether Christian theology could or should be conceived as a discipline in cultural studies. First, it shows that theologians around 1900 had no problem with adapting this view of theology. In spite of strong methodical differences they agreed that theology has to show the cultural impact of Christianity. Secondly, the article briefly outlines some concepts of cultural studies that have played a significant role in the discussion after 1970. Finally, it presents some current theological reflections on how to understand theology as a cultural study. Major concerns of protestant theology such as a Christian concept of God, the foundation of human freedom in the gospel of Jesus Christ, and the relation of the study of theology to church management must not be ignored when theology is conceived as a cultural study. To conceive theology as a cultural study can contribute towards formulating a more adequate concept of cultural studies in the current debate.

Fussnoten:

1) Dies lässt sich unschwer für die von der westlich-abendländischen Denktradition geprägte Theologie im Protestantismus und römischen Katholizismus zeigen, gilt darüber hinaus aber auch da, wo die Auseinandersetzung mit den neuzeitlichen Umformungsprozessen nicht konstruktiv, sondern in Abgrenzung und im unvermittelten Rekurs auf die altkirchliche oder mittelalterliche Tradition vollzogen wird.

2) Vgl. dazu I. U. Dalferth, Evangelische Theologie als Interpretationspraxis. Eine systematische Orientierung, ThLZ.F 11/12 (2004). Siehe auch K. Stock, Art. ðTheologie III. EnzyklopädischÐ, TRE 33 (2002), 323­ 343.

3) F. W. Graf, Artikel ðKulturwissenschaftenÐ, RGG4 4, 1855­1857, hier: 1855.

4) Siehe dazu Chr. Albrecht, Bildung in der Praktischen Theologie, Tübingen 2003, 54­61. Weitere Literatur ist genannt bei F. W. Graf/K. Tanner, Artikel ðKultur II. TheologiegeschichtlichÐ, in: TRE 20 (1990), 187­209, hier: 207 f.

5) Vgl. zu dieser Entwicklung im 19. Jh. Albrecht, a. a. O., 61­73.85­ 98.

6) So die von R. Rothe formulierte Zielsetzung des Protestantenvereins, vgl. ders., Durch welche Mittel können die der Kirche entfremdeten Glieder hier wieder gewonnen werden?, in: Gesammelte Vorträge und Abhandlungen Dr. Richard Rothe¹s aus seinen letzten Lebensjahren. Eingeleitet von F. Nippold, Elberfeld 1886, 129­147. Siehe dazu F. W. Graf, Kulturprotestantismus. Zur Begriffsgeschichte einer theologiepolitischen Chiffre, 21­77, in: H. M. Müller (Hrsg.), Kulturprotestantismus. Beiträge zu einer Gestalt des modernen Christentums, Gütersloh 1992, bes. 24­36.

7) Vgl. dazu Graf/Tanner, TRE 20, 194.

8) Zu den Differenzen zwischen der altliberalen Ausrichtung des Protestantenvereins und den jüngeren, vor allem von Albrecht Ritschl geprägten Theologen im Umkreis der ðChristlichen WeltÐ vgl. Graf, Kulturprotestantismus, 41­43.

9) Siehe dazu F. W. Graf, Rettung der Persönlichkeit. Protestantische Theologie als Kulturwissenschaft des Christentums, in: R. vom Bruch/ F. W. Graf/G. Hübinger (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne und Glaube an die Wissenschaft, Stuttgart 1989, 103­131. Vgl. auch Graf/Tanner, TRE 20, 193 f.

10) Es gibt hier nur einen Artikel zum Kulturkampf, ähnlich ist dies noch in dem im Herder-Verlag erschienenen Kirchlichen Handlexikon von 1912.

11) RGG1 2, Tübingen 1912, 1795­1805.

12) RGG1 2, Tübingen 1912, 1815­1835.

13) Graf, Rettung der Persönlichkeit, 118.

14) Ebd.

15) Graf, a. a. O., 105, vgl. zu den Zahlen a. a. O., 104 f.

16) Ebd.

17) Graf, a. a. O., 106, zum Beleg vgl. die vier von ihm aufgeführten Beispiele, a. a. O., 106­113.

18) Graf, a. a. O., 110.

19) Vgl. dazu Graf, a. a. O., 113­117.

20) Graf, a. a. O., 117.

21) Siehe Graf, a. a. O., 108.

22) Vgl. zur Position A. von Harnacks in dieser Frage T. Rendtorff, »Wesen des Christentums« und Welt der Religionen. Beobachtungen zu Harnacks Stellung im Diskurs über Theologie und Religionswissenschaft, in: K. Nowak/O. G. Oexle u. a. (Hrsg.), Adolf von Harnack, Göttingen 2003, 259­274.

23) Rendtorff, a. a. O., 273.

24) Die krisendiagnostische Wahrnehmung der Kultur findet sich seit etwa 1890 nicht nur bei Liberalen wie Troeltsch, vielmehr sind auch »die zahlreichen ethischen und zeitdiagnostischen Publikationen konservativer Lutheraner Š zunehmend durch eine breite Metaphorik von Verfall und Niedergang geprägt. Bei religiös Liberalen wie Konservativen bündelt sich diese kulturkritische Gegenwartswahrnehmung in der These vom allmählichen Untergang der zu sittlicher Selbstverantwortung fähigen Persönlichkeit« (Graf, Rettung der Persönlichkeit, 127).

25) Vgl. dazu F. Nüssel, Die Absolutheitsschrift als Fundamentaldogmatik?, in: R. Bernhardt/G. Pfleiderer (Hrsg.), Christlicher Wahrheitsanspruch ­ historische Relativität. Auseinandersetzungen mit Ernst Troeltschs Absolutheitsschrift im Kontext heutiger Religionstheologie, Christentum und Kultur Bd. 4, Zürich 2004, 67­84.

26) Vgl. zur nicht völlig geklärten Entstehung und zur Verwendung dieses Begriffs F. W. Graf, Kulturprotestantismus, 21­77. Siehe auch F. W. Graf/K. Tanner, Artikel ðKulturprotestantismusÐ, in: TRE 20 (1990), 230­ 243. Wie problematisch und letztlich unbestimmt der zur kritisch-kämpferischen Abgrenzung verwendete Begriff des Kulturprotestantismus ist, macht die begriffsgeschichtliche Studie von F. W. Graf deutlich. Im Blick auf die theologiegeschichtliche Verwendung des Begriffs vermerkt Graf mit Recht: »Soll der Kulturprotestantismusbegriff mehr als nur eine polemische theologiegeschichtliche Chiffre sein, bedarf es deshalb einer trennscharfen systematischen Begriffsbildung, die Kriterien zur Entscheidung der Frage bereitstellt, welche theologischen Entwürfe des (späten) neunzehnten und (frühen) zwanzigsten Jahrhunderts überhaupt als kulturprotestantisch gelten können« (a. a. O., 68).

27) Siehe dazu Graf/Tanner, TRE 20, 198 f., sowie Chr. Schwöbel, Glaube und Kultur. Gedanken zur Idee einer Theologie der Kultur, in: Christlicher Glaube im Pluralismus, Tübingen 2003, 245­276, bes. 245.

28) Vgl. dazu G. Pfleiderer, Karl Barths praktische Theologie, BHTh 115, Tübingen 2000, bes. 4 f.29­136.

29) Dass und in welcher Weise Karl Barths Theologie ­ auch in ihrer dogmatischen Phase 1924/25 ­ als »die exemplarische Krisentheologie der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts« (Pfleiderer, a. a. O., 6) zu verstehen ist, erschließt Pfleiderer in seiner Rekonstruktion der Theologie Barths als praktischer Theologie.

30) W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt 1973. Das Anliegen, den Geltungsanspruch religiöser Rede von Gott außertheologisch zu begründen, verfolgt in anderer Weise I. U. Dalferth in seiner Auseinandersetzung mit der analytischen Sprach- und Religionsphilosophie in: Ders., Religiöse Rede von Gott, München 1981.

31) Pannenberg hat diese Aufgabe in materialer Hinsicht in seiner anthropologisch-religionstheologischen Grundlegung der Theologie und im schöpfungstheologisch-eschatologischen Diskurs mit den Naturwissenschaften durchgeführt (vgl. ders., Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983; siehe auch ders., Systematische Theologie Bd. 1­3, Göttingen 1988/1991/1993).

32) Siehe dazu M. Laube, Theologie und neuzeitliches Christentum. Studien zu Genese und Profil der Christentumstheorie Trutz Rendtorffs, Tübingen 2006 (im Erscheinen).

33) Vgl. G. Ebeling, Erwägungen zu einer evangelischen Fundamentaltheologie, ZThK 67 (1970), 479­524.

34) Vgl. dazu den Artikel ðKulturwissenschaftenÐ von D. Mühlberg in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften Bd. 2, hrsg. von H. J. Sandkühler, Hamburg 1990, 912­919, bes. 912. Den Bedeutungsrückgang des Begriffs kann man noch an dem 1976 erschienenen vierten Band des Historischen Wörterbuches der Philosophie (HWP) ablesen, das zwar Artikel zur Kulturphilosophie und zur Kulturanthropologie enthält, aber keinen Artikel zum Begriff der Kulturwissenschaften.

35) Zu Anliegen und Fragestellungen dieser auf Stephen Greenblatt zurückgehenden Ausrichtung literaturwissenschaftlicher Forschung vgl. M. Baßler, New Historicism, Cultural Materialism und Cultural Studies, in: A. und V. Nünning (Hrsg.), Konzepte der Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen ­ Ansätze ­ Perspektiven, Stuttgart-Weimar 2003, 132­155, bes. 133­137. Siehe auch St. Greenblatt, Kultur, in: M. Baßler (Hrsg.), New Historicism, Tübingen-Basel 22001, 48­59. Knapp informieren auch H. Böhme/P. Matussek/L. Müller, Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will, Reinbek bei Hamburg 2000, 14­16.

36) Vgl. dazu R. Bromley, Cultural studies gestern und heute, in: Ders./ U. Göttlich/C. Winter (Hrsg.), Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung, Lüneburg 1999, 9­24. Siehe außerdem den Überblick bei Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 11­19.

37) Diese Entwicklung fand nicht nur in der westeuropäisch-nordamerikanischen Wissenschaftsentwicklung statt, sondern ebenso in der der sozialistischen Länder, siehe dazu Mühlberg, a. a. O., 912 f.

38) Zum Spektrum gegenwärtig diskutierter Kulturbegriffe und -theorien vgl. C.-M. Ort, Kulturbegriffe und Kulturtheorien, in: Nünning (Hrsg.), a. a. O., 19­38.

39) Vgl. W. Frühwald/H. R. Jauß/R. Koselleck/J. Mittelstraß/B. Steinwachs, Geisteswissenschaften heute. Eine Denkschrift, Frankfurt a. M. 1991/21996. Das Projekt wurde vom Wissenschaftsrat und von der Westdeutschen Rektorenkonferenz angeregt und mit Mitteln des Bundesministers für Forschung und Technologie an der Universität Konstanz von 1987 bis 1990 durchgeführt.

40) Frühwald, a. a. O., 11.

41) Frühwald, a. a. O., 10.

42) Frühwald, a. a. O., 11.

43) Frühwald, a. a. O., 10, Hervorhebung von F. N.

44) Vgl. Ch. P. Snow, Die zwei Kulturen. Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz, Stuttgart 1967 (Originaltitel: The Two Cultures and a Second Look, London 1959).

45) Frühwald, a. a. O., 25.

46) Ebd.

47) Vgl. dazu Frühwald, a. a. O., 31­39.

48) Frühwald, a. a. O., 32.

49) Frühwald, a. a. O., 33.

50) Diese sollen nach der Beschreibung von Frühwald mit dem Erzählen von Sensibilisierungs-, Bewahrungs- und Orientierungsgeschichten dem Menschen nicht nur helfen, »die Modernisierung ðauszuhaltenÐ, sie sollen auch deren Akzeptanz befördern« (Frühwald, a. a. O., 33). Siehe dazu auch Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 10.

51) Frühwald, a. a. O., 35. Allerdings dürfe an die Stelle der Unterforderung auch nicht eine Überforderung treten, wie sie mit der Beschreibung als Orientierungswissenschaften drohe, vgl. Frühwald, a. a. O., 36­ 39.

52) Frühwald, a. a. O., 39.

53) A. a. O., 11.

54) Frühwald, a. a. O., 41. Denn in dem Versuch, das »Humboldtsche Postulat einer Bildung durch Wissenschaft« (a. a. O., 11) in die Moderne zu übertragen, seien »die Geisteswissenschaften [als] bildende, weil aufklärende Wissenschaften« (ebd.).

55) Vgl. dazu D. Baecker, Wozu Kultur?, Berlin 2000. U. Beck/A. Kieserling (Hrsg.), Ortsbestimmung der Soziologie: Wie die kommende Generation Gesellschaftswissenschaften betreiben will, Baden-Baden 2000, dort bes.: A. Nassehi, Die Paradoxie der Sichtbarkeit. Für eine epistemologische Verunsicherung der (Kultur-)Soziologie, a. a. O., 17­30, sowie R.Stichweh, Kultur, Wissen und die Theorien soziokultureller Evolution, a. a. O., 127­138.

56) O. G. Oexle, Geschichte als Historische Kulturwissenschaft, in: W. Hartwig/H.-U. Wehler (Hrsg.), Kulturgeschichte heute, Göttingen 1996, 14­40, hier: 15.

57) Oexle, a. a. O., 30.

58) Oexle, a. a. O., 16.

59) Oexle, a. a. O., 37, zu Webers Kulturbegriff vgl. a. a. O., 24­27.

60) Oexle, a. a. O., 31.

61) Oexle, a. a. O., 37.

62) Vgl. hierzu Frühwald, a. a. O., 31: »Der idealistische Ursprung der Geisteswissenschaften in Deutschland bestimmt nachhaltig ihr theoretisches Selbstverständnis, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß die Geisteswissenschaften durch den Historismus gegangen sind, und daß unsere Probleme weit von Hegels Visionen entfernt sind. Es ist nicht nur die Terminologie, die hier nachwirkt Š; es ist auch die Vorstellung, daß Kultur ein Produkt des Geistes ist, und daß die Geisteswissenschaften selbst Teil dieser Kultur sind, die sie erforschen, die ihre idealistische Herkunft wirklich bleiben läßt. Insofern liegt auch heute noch der Schatten oder ­ je nach philosophischem Selbstverständnis ­ das Licht der idealistischen Philosophie über den Geisteswissenschaften.«

63) H. Böhme, Zur Gegenstandsfrage der Germanistik und Kulturwissenschaft, Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 42 (1998), 476­485, hier: 476. Vgl. Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 104.

64) Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 104. Vgl. ausführlicher H. Böhme, Stufen der Reflexion: Die Kulturwissenschaften in der Kultur, in: Handbuch der Kulturwissenschaften Bd. 2, hrsg. von F. Jaeger und J. Straub, Stuttgart-Weimar 2004, 1­15.

65) Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 106. Entsprechend sei auch ðNaturÐ nicht als vorgegebene Wirklichkeit, sondern »als kulturell konstruiert« (ebd.) zu verstehen.

66) Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 106, vgl. auch Nünning, a. a. O., 7­8. Für diesen semiotischen, bedeutungsorientierten Kulturbegriff lässt sich nach der Auffassung von A. Nünning inzwischen eine »fachübergreifende Präferenz« (Nünning, a. a. O., 6, im Original fett gedruckt) erkennen. Kultur werde aufgefasst »als der vom Menschen erzeugte Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen Š, der sich in Symbolsystemen materialisiert« (ebd.).

67) N. Luhmann, Kultur als historischer Begriff, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft Bd. 4, Frankfurt a. M. 1995, 31­53, hier: 54.

68) Luhmann, a. a. O., 47.

69) Luhmann, a. a. O., 54, vgl. auch 32. Darin sehen Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 106, die Pointe von Luhmanns Rekonstruktion des Kulturbegriffs.

70) Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 106.

71) Vgl. dazu A. Reckwitz, Die Kontingenzperspektive der ðKulturÐ. Kulturbegriff, Kulturtheorien und das kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm, in: Handbuch der Kulturwissenschaften Bd. 3, Stuttgart-Weimar 2004, 1­20, bes. 8­14. In diesem Beitrag findet sich auch eine Übersicht über normative, totalitätsorientierte, differenzierungstheoretische und bedeutungsorientierte Versionen des Kulturbegriffs (a. a. O., 3­8).

72) Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 207.

73) Ebd.

74) Vgl. Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 107 f.

75) So vermerken F. Jaeger, B. Liebsch, J. Rüsen und J. Straub im Vorwort des von ihnen herausgegebenen dreibändigen ðHandbuch der KulturwissenschaftenÐ (Stuttgart-Weimar 2004, jeweils S. VII): »Die Kulturwissenschaften befinden sich momentan in einer ambivalenten Lage. Einerseits gewinnen sie zunehmendes Gewicht für die Prozesse der kulturellen Deutung und Orientierung gegenwärtiger Gesellschaften, nicht zuletzt im Kontext der interkulturellen Verständigung in einer globalisierten Welt. Andererseits ist ihr fachliches, theoretisches und methodisches Selbstverständnis keineswegs hinreichend geklärt.« Dies dokumentiert auch der Ausblick am Ende des dritten Bandes von J. Rüsen, vgl. ders., Sinnverlust und Transzendenz ­ Kultur und Kulturwissenschaft am Anfang des 21. Jahrhunderts, in: Handbuch der Kulturwissenschaften Bd. 3, hrsg. von F. Jaeger und J. Rüsen, Stuttgart-Weimar 2004, 534­544.

76) So Böhme/Matussek/Müller, a. a. O., 207. Die Herausgeber des Handbuchs der Kulturwissenschaften plädieren nicht für die Institutionalisierung der Kulturwissenschaft als einheitlicher Disziplin, sondern dafür, dass »sie in der Pluralität teils traditioneller, teils neuer Fachwissenschaften betrieben werden soll[en]« (a. a. O., Vorwort, VII).

77) So Chr. Schwöbel, Glaube und Kultur. Gedanken zur Idee einer Theologie der Kultur, in: NZSTh 38 (1996), 137­154, hier: 137.

78) Ebd.

79) Ebd.

80) Schwöbel, a. a. O., 138. Schwöbel nennt zudem noch »die Modernisierung als Prinzip fortgesetzten Wandels« (ebd.).

81) Ebd.

82) Schwöbel selbst entwirft in dem genannten Aufsatz eine Grundlegung einer Theologie der Kultur, deren Pointe in der These besteht, dass eine christliche Theologie der Kultur »nur auf dem Boden der Kirche möglich« (a. a. O., 153) sei.

83) Vgl. z. B. M. Moxter, Kultur als Lebenswelt. Studien zum Problem einer Kulturtheologie, Tübingen 2002.

84) P. Tillich, Religion und Kultur, in: Gesammelte Werke IX, Stuttgart 1967, 82­93, hier: 84. Tillich selbst hielt diesen Satz für »die präziseste Formulierung der Theonomie« (ebd.). Vgl. dazu G. Wenz, Subjekt und Sein. Die Entwicklung der Theologie Paul Tillichs, München 1979, bes. 133­142. Aus der neueren Forschung siehe vor allem P. Haigis, Im Horizont der Zeit. Paul Tillichs Projekt einer Theologie der Kultur, Marburg 1998.

85) Zu diesem Verständnis der Theologie vgl. Schwöbel, Theologie der Kultur, 248.

86) So W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, Göttingen 1988, 17. Vgl. auch Dalferth, Evangelische Theologie als Interpretationspraxis, 15, unter Bezug auf die gegenwärtigen pluralistischen Bedingungen.

87) Vgl. Dalferth, a. a. O., 56. Aus diesem Grund sei Theologie keine Kulturwissenschaft der Religion, a. a. O., 16 f.

88) Siehe W. Sparn, Theologie als kulturwissenschaftliche Disziplin an der Universität, in: H.-R. Reuter (Hrsg.), Theologie an der Universität. Texte und Materialien der FEST, Reihe B Nr. 27, Heidelberg 1999, 90­109, hier: 94 f.

89) Sparn, a. a. O., 95.

90) Ebd.

91) Sparn, a. a. O., 92 f. Vgl. ähnlich Dalferth, a. a. O., 56. In der »Pflege des kulturellen Gedächtnisses unserer Gesellschaft« (Sparn, a. a. O., 93), der »Bearbeitung der kulturkoextensiven Frage des Menschen nach sich selbst« (ebd.) und in der »Wahrnehmung der Partikularität und Kontingenz aller Phänomene von Kultur, an der die Theologie teilnimmt« (a.a. O., 93 f.), sei sie »ein Faktor der Weiterentwicklung dieser Kultur« (a.a. O., 93) und trete als kulturwissenschaftliche Disziplin in Erscheinung (a. a. O., 94).

92) Sparn, a. a. O., 95.

93) Sparn, a. a. O., 96.

94) Ebd. Auch die Differenz zwischen theologischer Binnenperspektive und religionswissenschaftlicher Außenperspektive hindere ein kulturwissenschaftliches Verständnis der Theologie nicht. Es sei falsch, diese Unterscheidung als »eine einfache Alternative zu nehmen. Denn selbstverständlich arbeitet jeder Theologe zugleich auch in einer Außenperspek- tive« (Sparn, a. a. O., 99). Und umgekehrt »führt jeder Religionswissenschaftler Š stets auch eine Binnenperspektive mit sich, die er allenfalls möglichst bewußt machen und so ein Stück weit relativieren kann« (ebd.). Es handle sich mithin nicht um eine »eine Wahl zwischen ðBrillenÐ o. ä., sondern [um] eine intentionale Unterscheidung« (ebd.).

95) Sparn, a. a. O., 101. 96) Ebd. 97) Sparn, a. a. O., 103.

98) Sparn, a. a. O., 103.

99) Sparn, a. a. O., 101 f.

100) Sparn, a. a. O., 101.

101) Sparn, a. a. O., 102.

102) Sparn, a. a. O., 106.

103) Ebd.

104) Sparn, a. a. O., 94.

105) Vgl. Sparn, a. a. O., 95 und 105.

106) Sparn, a. a. O., 91 f.

107) Sparn, a. a. O., 92.

108) Ebd.

109) Ebd.

110) Zum gesellschaftlichen und christlichen Interesse an wissenschaftlicher Theologie vgl. Sparn, a. a. O., 107­109.

111) F. W. Graf, Wozu noch Theologie, in: Ders., Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2004, 249­278, bes. 261­267.

112) Zur Beschreibung dieses Verhältnisses vgl. auch K. Tanner, Theologie im Kontext der Kulturwissenschaften, in: BThZ 19 [2002], 83­98, sowie P. Bahr, Protestantische Theologie im Horizont der Kulturwissenschaften, in: Handbuch der Kulturwissenschaften Bd. 2, hrsg. von F. Jaeger und J. Straub, Stuttgart-Weimar 2004, 656­670.

113) Graf, a. a. O., 263.

114) Ebd.

115) Graf, a. a. O., 265.

116) Graf, a. a. O., 266.

117) Ebd.

118) Graf, a. a. O., 252.

119) Graf, a. a. O., 278. Zur kirchlichen Funktion vgl. a. a. O., 253­261, zur politisch-gesellschaftlichen Funktion vgl. a. a. O., 267­ 276.

120) Graf, a. a. O., 277 f.