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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

73 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Ensink, Bernhard

Titel/Untertitel:

Ethik und Theologie bei Joseph Butler (1692–1752).

Verlag:

Kampen: Kok 1995. XII, 231 S. gr.8°. ISBN 90-242-2219-2.

Rezensent:

Günther Gaßmann

Joseph Butler, "the greatest name in the Anglican Church" (J. H. Newman), ist im deutschsprachigen theologischen Bereich nur wenig bekannt. Darum ist zu begrüßen, daß nach B. von Eckardts "Ethik der Selbstliebe. Joseph Butlers Theorie der menschlichen Natur" (Heidelberg 1980) nun wieder eine deutschsprachige Darstellung der zentralen Auffassungen Butlers erschienen ist, die als Dissertation der "Theologischen Universität der Reformierten (Gereformeerde) Kirche in den Niederlanden in Kampen" vorgelegt wurde.

Butler, der nach Jahren als Pfarrer, Prediger und geistlicher Berater (und der Promotion zum Dr. jur. in Oxford) 1738 Bischof von Bristol und 1750 Bischof von Durham wurde, ist vor allem aus drei Gründen zu einer bedeutenden und einflußreichen Gestalt der englischen Theologie- und Geistesgeschichte geworden: 1. Er gilt als wichtigster Bekämpfer des Deismus und hat wesentlich zu dessen Ablehnung beigetragen. 2. Er hat zu einem Zeitpunkt, als unter dem Einfluß des Empirismus im England des 17. und 18. Jh.s die Ethik sich von der Theologie löste, den Zusammenhang beider neu bestimmt. 3. Für die gesamte Arbeit Butlers waren seine erkenntnistheoretischen und erkenntnismethodologischen Einsichten entscheidend, die ihn zum herausragenden Apologeten der geoffenbarten Religion werden ließen.

Es sind diese drei ineinander verwobenen Stränge im Wirken und Werk Butlers, die in einer kompetenten und instruktiven Weise in der Arbeit von Bernhard Ensink zusammengebracht und auf das Verhältnis zwischen Ethik und Theologie hin untersucht werden. Ausgehend von kurzen Beschreibungen des Lebens und Werkes von Butler, seines Standorts innerhalb der Philosophie- und Theologiegeschichte und der neueren Butlerforschung zum Thema Ethik und Theologie kommt der Vf. zur Zielsetzung und Problemstellung seiner eigenen Arbeit. Für seine historische und systematische Untersuchung zum Verhältnis von Ethik und Theologie im Werk Butlers nennt er drei mögliche Verhältnisbestimmungen: 1. Ethik ist von der Theologie abhängig. 2. Theologie ist von Ethik abhängig. 3. Ethik ist von Theologie unabhängig.

Mit Hilfe dieser Fragestellung untersucht der Vf. sodann in chronologischer Reihenfolge die Hauptwerke Butlers. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß auf dem Hintergrund des apologetischen Interesses Butlers und der damit verbundenen Voraussetzung, daß alle Wirklichkeit teleologisch-moralisch strukturiert ist und somit den Beweis für die Existenz Gottes und die Wahrheit der christlichen Religion ermöglicht, festzustellen ist: "Die Bewegung von der Ethik zur Theologie... gilt für Butlers Werk insgesamt." Sie gründet "in der theologisch-apologetischen Relevanz des empirischen Ansatzes, den Butler in der Ethik wählt, weil der rationalistische Ansatz nicht mehr überzeugte." (208) Neben dieser grundlegenden Folgerung zeigt der Vf. aber auch, daß sich die in der Literatur oft einseitig herausgestellten anderen Verhältsnisbestimmungen von Ethik und Theologie in der Tat auch bei Butler auffinden lassen, also (1) Ethik als unabhängig von Theologie, (2) Theologie als ab-hängig von Ethik, (3) Ethik als die Existenz Gottes voraussetzend, (4) Ethik als von Theologie abhängig (insofern Gott Urheber des teleologisch-moralisch strukturierten Systems ist) und schließlich (5) Ethik als mit Theologie identisch.

Der Vf. meint, daß der von ihm als bestimmend herausgestellte Weg von der Ethik zur Theologie bei Butler auch für die gegenwärtige Reflexion über das Verhältnis von Ethik und Theologie hilfreich sein könnte, wenn die These von der teleologisch-moralisch strukturierten Wirklichkeit positiv aufgenommen wird.

Die Arbeit von E. legt kein neues Material und letztlich auch keine neuen Einsichten zu Butlers Werk vor. Sie bietet aber eine Interpretation, die im Unterschied zu anderen neueren Arbeiten zu Butler mit deren Zuspitzung auf eine einzige Verhältnisbestimmung von Ethik und Theologie die Vielfalt dieser Verhältnisbestimmungen anerkennt. Dies wird dann allerdings wieder eingeschränkt durch die nun doch als typisch für Butlers apologetische Orientierung herausgestellte These von der Bewegung von der Ethik zur Theologie.Der Vf. hat eine instruktive und sorgfältige Interpretation des Denkens von Joseph Butler vorgelegt, die weit über das Thema des Buches hinausgeht und so als eine Gesamtdarstellung gelten kann.

Ein Versehen hat sich auf S. 1 eingeschlichen: Butler wurde 1718 nicht "zum Dekan und Priester ordiniert", sondern zum Diakon und Priester.