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Ausgabe:

April/2010

Spalte:

453-454

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Mooney, Hilary Anne-Marie

Titel/Untertitel:

Theophany. The Appearing of God According to the Writings of Johannes Scottus Eriugena.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2009. XIII, 248 S. gr.8° = Beiträge zur historischen Theologie, 146. Lw. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-149089-7.

Rezensent:

Volker Leppin

Diese englischsprachige Monographie ist aus einer Habilitationsschrift an der Katholisch-Theologischen Fakultät Freiburg hervorgegangen. Mit Eriugena widmet sie sich einem Theologen der Karolingerzeit, dessen Bedeutung kaum jemand außer Frage stellen wird, dessen Erforschung, zumal in der Theologie, hierzu aber bislang in einem krassen Missverhältnis steht. M. sucht sein Verständnis an einem zentralen Punkt, dem Selbsterweis (»appearing«) Gottes, den sie von der Offenbarung Gottes unterscheidet. Methodisch reflektiert sie auf eine Verbindung von systematischem und historischem Zugang und bietet so eine beeindruckende theologiegeschichtliche Arbeit.
Den historischen Rahmen stellt das erste Kapitel vor, das die wenigen biographischen Auskünfte zu Eriugena auswertet und ihn zwischen seiner kulturellen Prägung in Irland und seinem kontinentalen Wirkungsfeld geistig verortet. Dass das Hauptwerk »Periphyseon« besonders herausgestellt wird, verwundert nicht. Es trägt auch den größeren Teil der folgenden Ausführungen, liegt ihnen freilich nicht allein zugrunde – insbesondere der fragmentarisch erhaltene Kommentar zum Johannesevangelium spielt in ihnen eine gewichtige Rolle.
Das zweite Kapitel behandelt nach seiner Überschrift die Frage nach der Möglichkeit von Gott zu sprechen, etwas weiter darf man wohl fassen, dass es hier überhaupt um den Ermöglichungsgrund der Erkenntnis Gottes, nicht nur des sprachlichen Ausdrucks geht. Im Zentrum steht Eriugenas Reflexion auf die Unterscheidung Gottes von allem kreatürlichen Sein einerseits, seinem Sich-Ereignen in den Kreaturen andererseits, die Eriugena aus der neuplatonischen Tradition insbesondere vom Areopagiten übernimmt. Ebendieses Ineinander ist der Punkt, an dem die Theophanie Gottes ihren theologischen Ort hat. Von hier aus behandelt Eriugena die Frage nach kataphatischer und apophatischer Theologie, die er einander nicht entgegenstellt, sondern in ein komplementäres Verhältnis setzt.
Weil Grundlage aller Erkenntnis und Redeweise die Erscheinung Gottes in der Schöpfung ist, behandelt M. diese zunächst im dritten Kapitel allgemein, dann im vierten speziell im Blick auf den Menschen als Geschöpf. Die Schöpfung ist dabei in Eriugenas Auslegung des Sechstagewerkes von vornherein ein trinitarisches Geschehen, in das Gott entsprechend seine Spuren legt. Das Ineinander von Selbsterweis Gottes und Schöpfung führt dann auch zu einer engen Zuordnung von Natur und Gnade in seinem Handeln – und damit zu der Frage nach der Heilsgeschichte und der Rolle des Menschen, der selbst durch die Gottebenbildlichkeit zum Ort des göttlichen Selbsterweises wird. In diesem Selbsterweis verbindet sich die Inkarnation Christi als Teil der umfassenden Heilsgeschichte mit der Rückführung der Glaubenden zu der menschlichen Bestimmung in der wahren Gottebenbildlichkeit.
Konsequenterweise behandelt M. im folgenden fünften Kapitel Gottes Selbsterweis in Jesus Christus. Dessen Rekonstruktion ist nicht ganz einfach, da Eriugena keine geschlossene Christologie entworfen, sondern Hinweise auf die Zentralität Christi über sein ganzes Werk verstreut hat – eben darin äußert sich auch die Schwierigkeit, einen Denker wie ihn mit den Mitteln heutiger Theologie zu rekonstruieren, die das verwobene Netz seines Denkens in einen linearen systematischen Zusammenhang auflösen. M. tut dies mit interpretatorischer Sensibilität und systematischer Klarheit. Jesus Christus erscheint hier als das Zentrum des gesamten Denkens Eriugenas, indem er sowohl die Verstehbarkeit der Welt durch seine Schöpfungsmittlerschaft ermöglicht als auch die Rückführung des Sünders zu seinem Ursprung heilsgeschichtlich begründet. So kann M. geradezu, für einseitig philosophische Eriugena-Lektüren wohl eher irritierend, von einer christozentrischen Zuspitzung unseres Wissens von Gott sprechen (180 f.): Eriugena wird hier un­ter voller Berücksichtigung seines neuplatonischen Horizontes in den für ihn selbstverständlichen Kontext christlicher Theologie gestellt.
In einem Schlusskapitel führt M. ihre Überlegungen zu einem Verständnis von Gottes Theophanie bei Eriugena zusammen und hebt das Ineinander von göttlicher Güte und universaler Erscheinung seines Seins in aller kreatürlichen Realität als Grundzug einer Kondeszendenztheologie hervor. Den in diesem Kapitel angestrebten systematischen Zugriff nimmt sie vorsichtig vor.
In ihrer durchweg textnahen, zugleich systematisch hochreflektierten Auslegung des Werkes Eriugenas präsentiert M. ihn prononciert als christlichen Theologen und erlaubt so ein angemessenes Verständnis seiner christlichen Aneignung insbesondere neuplatonischen Denkens. Sie hat damit einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Theologie der Karolingerzeit erstellt. Es ist zu hoffen, dass die Stellung des Buches zwischen englisch- und deutschsprachiger Wissenschaftskultur seiner Verbreitung mehr nützt als schadet.